Himmlers Tochter tot: „Heute fuhren wir ins KZ. Schön ist’s gewesen“ - WELT
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Zweiter Weltkrieg Himmlers Tochter tot

„Heute fuhren wir ins KZ. Schön ist’s gewesen“

Im Alter von 88 Jahren ist Ende Mai, wie jetzt bekannt wurde, Gudrun Burwitz, geborene Himmler, gestorben. Sie hat sich nie von ihrem Vater distanziert. Sie heiratete einen NPD-Funktionär und war jahrzehntelang Neonazi-Aktivistin.
Leitender Redakteur Geschichte
Die jetzt verstorbene Gudrun Himmler mit ihren Eltern, 1941 Die jetzt verstorbene Gudrun Himmler mit ihren Eltern, 1941
Die jetzt verstorbene Gudrun Himmler mit ihren Eltern, 1941
Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1969-056-55/CC-BY-SA 3.0/o.Ang.

Frühkindliche Prägungen wirken meist sehr lange: „Muss der Onkel Hitler auch sterben?“, fragte die gerade fünfjährige Gudrun im März 1935 ihre Mutter Marga Himmler. Die notierte die Frage in ihrem „Kindheitstagebuch“ und fügte hinzu: „Ich beruhigte sie und sagte, der Onkel Hitler lebt noch ganz lange; erfreut rief sie: 100 Jahre, ganz lange, nein, Mami, ich weiß, 200 Jahre.“ Dann sei Gudrun beruhigt eingeschlafen.

Hier finden Sie unsere interaktive Recherche über Heinrich Himmler mit zahlreichen Briefen und Fotos, die als verschollen galten.

Wie erst jetzt durch eine schriftliche Bestätigung des Einwohnermeldeamtes München gegenüber der „Bild“-Zeitung bekannt wurde, ist Gudrun Burwitz, geborene Himmler, am 24. Mai 2018 gestorben. Sie soll auf einem Waldfriedhof beigesetzt worden sein; der Grabstein trägt die Aufschrift „Familie Burwitz-Himmler“.

„Der Anständige“ - Portrait eines Massenmörders

Internationale Filmfestspiele 2014: In der Dokumentation "Der Anständige" nähert sich Vanessa Lapa dem NS-Kriegsverbrecher Heinrich Himmler anhand seiner Briefe und Tagebuchaufzeichnungen an.

Quelle: Salzgeber - Kultur

Gudrun war das einzige eheliche Kind des „Reichsführers SS“, des zusammen mit Joseph Goebbels, Martin Bormann, bis etwa 1942 Hermann Göring und ab 1942 Albert Speer nach Hitler selbst mächtigsten Mannes des Dritten Reiches. Himmler verantwortete nicht nur das Unterdrückungssystem von Gestapo und SS, zu dem die Organisation des Völkermords an Europas Juden gehörte. Sein „schwarzer Orden“ war auch hauptverantwortlich für die Unterdrückung von mehr als hundert Millionen Menschen in den von Deutschland besetzten Ländern Europas.

Geboren am 8. August 1929 als Tochter von Marga und Heinrich Himmler, wuchs Gudrun besonders privilegiert auf, im engsten Kreis der Regimeführung und überwiegend in einem großen Haus in Gmünd. Ihr Vater, meist in der Reichshauptstadt Berlin, in seinem Hauptquartier in Ostpreußen oder auf Reisen und deshalb selten zu Hause, mühte sich dennoch, seine „Püppi“ zu einer NS-Mustertochter zu machen. Er predigte Anstand, gute Manieren, Gehorsam, Fleiß in der Schule. Schickte ihr Postkarten mit SS-Symbolen oder SS-Mitteilungsblätter zum Lesen.

Die Tochter vermisste ihren „Reisepappi“. Von seinen Verbrechen ahnte sie nichts. „Püppi konnte nicht begreifen, dass Du geschrieben hast, Du könntest nicht mehr so lachen wie 1936“, schrieb Marga ihrem Mann 1941: „Vielleicht ist es doch ganz gut, dass sie sich den Krieg noch nicht vorstellen kann.“

„Die SS-Männer sprechen mich mit Sie an“

Für Heinrich Himmlers Tochter Gudrun ist das Familienhaus in Gmund am Tegernsee eine heile Welt. Sie malt für sich das Bild einer glücklichen Zukunft. Wenn doch erst einmal Frieden sei.

Quelle: Die Welt

Gudrun erfüllte die Erwartungen: Sie schrieb Briefe an die Front, bastelte Geschenke für SS-Soldaten, trat natürlich so früh wie möglich, mit zehn Jahren 1939, dem Bund Deutscher Mädel (BDM) bei. Zu Weihnachten bekam sie einen Hitler-Jungen und ein BDM-Mädel als Porzellanfiguren, produziert in einer SS-eigenen Manufaktur.

Im Sommer 1941 organisierte ihr Vater für Mutter und Tochter einen Besuch im KZ: „Heute fuhren wir ins SS-Konzentrationslager nach Dachau“, schrieb die knapp Zwölfjährige am 22. Juli 1941 in ihr Tagebuch. „Schön ist’s gewesen.“

Sie war beeindruckt von dem, was der Vater ihr vorführen ließ: „Ein sehr großer Betrieb.“ Zum KZ-Komplex gehörte auch ein „Kräutergarten“, in dem die SS Heil- und Gewürzkräuter züchten ließ. Unter welch mörderischen Umständen das geschah, erfuhr Gudrun bei ihrem Familienausflug nicht. Das Mädchen notierte nach dem Besuch nur, dass sie die große Gärtnerei gesehen hätten, die Mühle, Bienen, Kräuter, die ganzen Bilder, die Sträflinge gemacht hätten. „Dann haben wir gegessen, viel, dann hat jeder etwas geschenkt bekommen.“ Ihr „Pappi“ kam ihr wie ein Held vor.

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Als der Krieg für Hitler-Deutschland zu Ende ging, sorgte sich Himmler um seine Frau und seine Tochter, auch wenn er in Berlin längst eine Zweitfamilie mit einer Sekretärin und zwei Kindern hatte. Er ließ Marga und Gudrun in der Nacht auf den 19. April 1945 von einem Mitarbeiter aus seinem Stab aus Gmund abholen und nach Südtirol bringen. „Wo wir hingehen, muss ganz geheim bleiben (unter falschem Namen)“, schrieb Gudrun. Es war ihr vorletzter Eintrag ins Tagebuch. Den nächsten vom 29. April brach sie mitten im Satz ab.

Gudrun Himmler, daughter of Heinrich Himmler; Margaret Bodin Himmler, wife of Heinrich Himmler, after being taken into custody by the U.S. 88th Division troops, Bolzano, Italy, May 19, 1945. | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Gudrun Himmler und ihre Mutter Marga nach ihrer Festnahme am 19. Mai 1945 in Südtirol
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Am 13. Mai 1945 verhafteten amerikanische Soldaten die Frau und die Tochter des untergetauchten SS-Chefs; sie kamen in ein Internierungslager. Zehn Tage später erfuhr Gudrun, dass sich ihr Vater in britischer Gefangenschaft vergiftet hatte, nachdem seine falsche Identität aufgeflogen war. Ende 1946 wurden sie und ihre Mutter aus der Haft entlassen. 1952 zog sie nach München und versuchte dort, eine Stelle zu finden, doch der Name ihres Vaters sollte ihr dabei immer wieder im Weg stehen. Unter falschem Namen arbeitete sie von Ende 1961 bis Ende 1963 als Sekretärin beim BND in Pullach, wie der Leiter des Historischen Büros des Nachrichtendienstes, Bodo Hechelhammer, der „Bild“ auf Anfrage bestätigte.

Ansonsten lebte sie trotzig weiter unter ihrem Geburtsnamen Himmler, bis sie Dieter Burwitz heiratete, einen Funktionär des NPD-Landesverbandes Bayern. In diesem Umfeld betätigte sich Gudrun in den folgenden Jahrzehnten als Neonazi-Aktivistin und Mitarbeiterin der Stillen Hilfe, eines Vereins, der inhaftierte Rechtsextremisten und Kriegsverbrecher betreute, und besuchte Veteranentreffen der Waffen-SS.

Bis auf ein einziges Interview 1960 verweigerte sie sich allen Anfragen. Ein Buch, in dem sie ihren „Pappi“ von den Vorwürfen reinwaschen wollte, ein Massenmörder gewesen zu sein, erschien nie. Vermutlich konnte nicht einmal Gudrun die Beweise kleinreden.

Dennoch blieb sie, so weit bekannt, stets der Auffassung, dass Hitler ihrem Vater lediglich die „Müllabfuhr des Reiches“ übertragen habe. Im März 1945 hatte sie in ihrem Tagebuch geklagt: „Alle bekommen sie Orden und Auszeichnungen, nur Pappi nicht, und der müsste am ersten eine bekommen. Wenn er nicht wäre, dann wäre manches anders.“ Das traf wohl zu, wenn auch ganz anders, als Gudrun Himmler es meinte.

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