Grundeinkommen: 1200 Euro im Monat für Nichtstun oder das bessere Sozialsystem?

Grundeinkommen: 1200 Euro im Monat für Nichtstun oder das bessere Sozialsystem?

Drei Jahre lang erhalten bundesweit 122 Menschen ein Grundeinkommen. Das DIW Berlin begleitet das Experiment wissenschaftlich.

Michael Blohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, steht an einem symbolischen Geldautomaten.
Michael Blohmeyer, Initiator des Vereins „Mein Grundeinkommen“, steht an einem symbolischen Geldautomaten.dpa/Jörg Ratzsch

Berlin-Legen Menschen einfach nur die Füße hoch, wenn sie ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten? 1200 Euro monatlich, ohne etwas dafür zu tun: Diese Idee fasziniert viele Menschen. Schon seit sieben Jahren verlost der Berliner Verein „Mein Grundeinkommen“ deshalb ein solches Einkommen bundesweit, finanziert durch Spenden. Umfragen, was mit dem Geld passiert, gab es schon lange – nun soll ein wissenschaftlich begleitetes Pilotprojekt in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) die bisherigen Erkenntnisse überprüfen.

2,1 Millionen Menschen haben sich für die erste Langzeitstudie beworben, 122 davon wurden nach wissenschaftlichen Standards ausgewählt und erhalten in diesem Monat das erste Mal ein Grundeinkommen von 1200 Euro. Das Einkommen wird drei Jahre lang durch Spenden finanziert. Die 122 Menschen kommen aus ganz Deutschland, mindestens zwei Personen aus Berlin sind darunter. Die Forschenden vergleichen die Ergebnisse mit einer Gruppe von 1380 Personen, die das Grundeinkommen nicht erhält und die Auswahlkriterien ebenfalls erfüllt. Die Kriterien sind ein Alter von 21 bis 40 Jahren, ein mittleres Einkommen und ein Einpersonenhaushalt.

Sie sei aufgrund vorangegangener Studien zuversichtlich, dass das Grundeinkommen dazu beitrage, die Potenziale der Individuen zu entfalten, sagt Maheba Goedeke Tort, Mitinitiatorin des „Pilotprojekts Grundeinkommen“. „Wir wollen es jetzt aber wirklich wissen und erstmalig in Deutschland dazu Grundlagenforschung machen“, sagt sie.

Das Pilotprojekt hebt sich laut Soziologe Jürgen Schupp vom DIW Berlin unter anderem durch den längeren Zeitraum von drei Jahren von anderen europäischen Studien ab. Bereits vor den ersten Zahlungen gab es eine Erhebung, die während des Projekts jedes halbe Jahr durchgeführt wird, sagt Schupp. So will das Team die Nachhaltigkeit untersuchen, vor allem auch im Hinblick auf die psychische Gesundheit.

Arbeiten Menschen weniger? Sind Menschen motivierter?

In der Glücksforschung gebe es zum Beispiel Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass schnell ein Gewöhnungseffekt eintritt, erklärt Schupp. „Über einen Zeitraum von drei Jahren können wir beobachten, ob es diesen November einen Peak gibt oder die mentale Gesundheit anhält.“ Andere Fragestellungen beziehen sich laut Goedeke Tort auf das Verhältnis zur Arbeit und auf die Gemeinschaft: Wechseln die Menschen ihren  Arbeitsplatz, arbeiten sie weniger oder sind motivierter, engagieren sie sich stärker in Vereinen und Organisationen, ändern sie ihre parteipolitischen Präferenzen?

Mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel, unter anderem demografisch und digital, sieht Schupp im Grundeinkommen eine Chance. Das Rentensystem funktioniere nicht mehr, wenn es sehr viel mehr alte als junge Menschen gebe. Zudem fielen alte Tätigkeiten weg und würden durch neue Qualifikationen ersetzt, sagt der Forscher. „Mich treibt die Sorge um, ob unser jetziges Sozialsystem zukunftsfest ist. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert werden sollte. Es würde mich freuen, wenn wir die Debatte mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beleben können“, sagt der Wissenschaftler.

Die Diskussion ums Grundeinkommen heizt vor allem die Frage an, ob die Menschen dann einfach auf der faulen Haut liegen. Das finden die Forscher nun heraus. Die Debatte zum Grundeinkommen sei von ideologischen Glaubenssätzen geprägt, woran es fehle, sei wissenschaftliche Evidenz, sagt Goedeke Tort. „Wir können daraus dann Schlüsse für unsere Gesellschaft ziehen. Denn wenn es den Individuen besser geht, dann geht es auch meistens der Gesellschaft besser“, sagt Goedeke Tort.