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Grundeinkommen

Als Grundeinkommen wird ein existenzsicherndes Einkommen bezeichnet, auf das entweder alle oder nur bestimmte Gruppen in der Bevölkerung ein Anrecht haben, wenn das Einkommen nicht ausreicht. Damit soll die gesellschaftliche Teilhabe der Betroffenen verbessert werden. Ein steuerfinanziertes bedingungsloses Grundeinkommen wäre unabhängig von der wirtschaftlichen Lage einer Person und nicht an die Ausübung einer Tätigkeit gekoppelt. In Deutschland werden existenzsichernde Grundsicherungsleistungen wie die Grundsicherung für Erwerbssuchende oder im Alter nur auf entsprechenden Antrag sowie entsprechender Bedürftigkeitsprüfung gewährt. Langzeitarbeitslose mit Grundsicherungsleistungen müssen bei ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, sonst können Sanktionen verhängt und Leistungen gekürzt werden.

Die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen als steuerfinanzierte Alternative zum bestehenden abgaben- und steuerfinanzierten System sozialer Sicherung gibt es bereits seit vielen Jahren. Sie hat spätestens seit der (gescheiterten) Volksabstimmung zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Schweiz im Sommer 2016 nicht nur in Deutschland an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. Zudem können Fortschritte bei der Digitalisierung und der vermehrte Einsatz von Robotern sowie Künstlicher Intelligenz in den nächsten Jahren viele einfache Tätigkeiten ersetzen. In Deutschland wird das Grundeinkommen derzeit zumeist als Alternative zum Hartz-IV-System der Grundsicherung Langzeitarbeitsloser diskutiert.

In Finnland gab es einen zweijährigen Feldversuch, bei dem 2.000 Langzeitarbeitslosen bis Dezember 2018 ein monatlicher Grundeinkommensbetrag von 560 Euro gewährt wurde. Im Herbst 2019 ist mit ersten Ergebnissen über die Folgen des Experiments zu rechnen. Die Ergebnisse wurden bei einem DIW Berlin Lunchtime Meeting von dem finnischen Verantwortlichen vorgestellt: "Making a nation-wide randomized field experiment: Lessons from the Finnish basic income trial." und sind seit 2000 zudem auch veröffentlicht.

Andere Modelle nehmen bestimmte Gruppen in den Fokus (zum Beispiel Kinder) oder koppeln die Gewährung eines Grundeinkommens an die Ausübung einer Erwerbstätigkeit. So richtet sich das vom Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, vorgeschlagene Modell eines solidarischen Grundeinkommens an alle Langzeitarbeitslosen, die freiwillig bereit sind, eine Vollzeittätigkeit im sozialen Arbeitsmarkt auszuüben. Das solidarische Grundeinkommen in Höhe des Landesmindestlohns garantiert eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Vollzeittätigkeit in Kommunen, kommunalen Unternehmen und gemeinnützigen Trägern in neuen oder bisher nur projektförmig geförderten Beschäftigungsfeldern.

Diskutiert wird auch die Idee eines Lebenschancenkredits (oder Lebenschancenerbe oder Chancenkonto), bei dem jede Bürgerin und jeder Bürger zu einem bestimmten Stichtag (zum Beispiel der 21. Geburtstag) eine Summe ausgezahlt bekommen würde, mit dem sie oder er im Laufe des Lebens Qualifizierung, Fortbildung, berufliche Selbständigkeit, Auszeiten für die Familie, für ehrenamtliche Tätigkeiten oder andere gesellschaftlich wichtige Aufgaben finanzieren könnte.

Gegnerinnen und Gegner solcher Modelle sorgen sich um die hohen finanziellen Kosten für die öffentliche Hand, die Steuererhöhungen erforderten. Zudem werden Anreize zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit oder zu Arbeitszeitverkürzungen in Folge eines bedingungslosen Grundeinkommens vermutet. Die Gewährung eines solchen bedingungslosen Grundeinkommens für nicht Bedürftige würde zudem Steuergelder falsch verwenden und Mittel für die wirklich Bedürftigen entziehen, so die Kritik.

Befürworterinnen und Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens verweisen hingegen auf die Ermöglichung eines menschenwürdigen Lebens sowie die höhere Autonomie für Beschäftigte. Zudem entfalle die Nichtinanspruchnahme staatlicher Leistungen als Folge von Stigmatisierung.

Die wenigen bisher vorliegenden Feldexperimente zeigen kein klares Bild. Auch das vor einigen Jahren begonnene Berliner Projekt „Mein Grundeinkommen“, bei dem per Crowdfunding Geld gesammelt wird, um einer Gruppe von mittlerweile mehr als 800 Personen für ein Jahr ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 1.000 EUR pro Monat zu ermöglichen, erlaubt wegen mangelnder Kontrollgruppenvergleiche keine verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen über die Folgen eines Grundeinkommens.

Mitte August 2020 startet die erste Langzeitstudie in Deutschland zum bedingungslosen Grundeinkommen, um eine empirisch basierte Debatte anzustoßen und so neue Maßstäbe zu setzen. Das Pilotprojekt Grundeinkommen ist ein gemeinsames Projekt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Vereins Mein Grundeinkommen. Des Weiteren sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität zu Köln sowie des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern an der Studie beteiligt. Finanziert wird die Studie von rund 140.000 privaten Spenderinnen und Spendern.

Zwar lassen sich aus Ergebnissen von temporären Feldexperimenten grundsätzlich durchaus auch verallgemeinernde Schlussfolgengerungen der Wirkungen eines Grundeinkommens ziehen, gleichwohl lassen sich Folgen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene (Preisentwicklung, Lohnentwicklung usw.) schwer durch solche Feldexperimente ermitteln.

Das Dossier "Grundeinkommen" bietet einen kompakten Überblick zum aktuellen Stand der Forschung am DIW Berlin.

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