Gitarrenlegende der Allman Brothers Band – zum Tod von Dickey Betts

Gitarrenlegende der Allman Brothers Band – zum Tod von Dickey Betts

Zusammen mit den Brüdern Duane und Gregg Allman erfand Dickey Betts den Southern Rock. Nun ist das Gitarren-Genie im Alter von 80 Jahren gestorben.

Dickey Betts (1943–2024)
Dickey Betts (1943–2024)The Macon Telegraph/AP

Als Dickey Betts mit seiner Band Great Southern 1978 in Deutschland von einem Millionenpublikum entdeckt wurde, hatte er mindestens schon zwei Karrieren hinter sich. Great Southern war der Versuch, die häufigen Streitereien mit der Allman Brothers Band, zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte, hinter sich zu lassen und deren Sound zugleich zu verfeinern.

Mit den legendären „Rockpalast“-Nächten hatte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) ein Live-Format geschaffen, das schnell zu einer Art Probebühne der Post-Rock-Ära wurde. Hier hatte der irische Rockgitarrist Rory Gallagher seinen vermutlich einflussreichsten Auftritt, und mit Johnny Winter erwies man dem weißen Blues die Reverenz. Zugleich markierte der „Rockpalast“ aber auch die Übergänge zu jener Stilexplosion, die nach der Ära des Rock kam. Die Einflüsse von Reggae, Punk und Afro-Beat wurden auf vielfältige Weise hörbar. Der 1978er-Auftritt von Dickey Betts in der Essener Gruga-Halle war so gesehen ein Seitenverweis auf den Southern Rock, der sich nicht zuletzt als selbstbewusste Antwort auf die vielfach als rückständig und reaktionär geschmähten amerikanischen Südstaaten entwickelt hatte.

Guten Morgen, Berlin Newsletter
Vielen Dank für Ihre Anmeldung.
Sie erhalten eine Bestätigung per E-Mail.

Erkennungszeichen: Die doppelte Leadgitarre

Dickey Betts, 1943 in Palm Beach, Florida geboren, verließ schon mit 16 sein Elternhaus, um sich nach intensiver Prägung durch Country- und Bluegrass-Musik verschiedenen Bands anzuschließen. Ende der 60er-Jahre schien er die richtigen Mitstreiter gefunden zu haben. Er schloss sich in Georgia den Brüdern Duane und Gregg Allman an, die sich mit Berry Oakley, Butch Trucks und Jaimoe Johanson zur Allman Brothers Band formierten. Ihren charakteristischen, melodiegetriebenen Sound erzielten sie durch die Entscheidung, das übliche Zusammenspiel von Lead- und Rhythmusgitarre durch den parallelen Einsatz der Leadgitarren von Duane Allman und Dickey Betts zu ersetzen.

Trotz einiger Studioalben waren die Allman Brothers vor allem eine gefeierte Live-Band, bei der Betts und Duane Allman oft wirkten, als duellierten sie einander mit ihren Gitarren, obwohl sie fein aufeinander abgestimmte Harmonien präsentierten. Besonders deutlich wird das in dem Instrumentalstück „Jessica“, das 1973 auf dem Album „Brothers and Sisters“ erschien und das Dickey Betts seiner kleinen Tochter gewidmet hatte.

Von Betts stammte auch das eingängige „Ramblin’ Man“, das zum größten Hit der Band wurde und hymnisch den geradlinig-ungebundenen Mann des Südens charakterisierte, den Neil Young in „Southern Man“ als Relikt einer vergangenen Zeit beschrieben hatte. „Southern change gonna come at last“.

Lang anhaltender Nachruhm

Als „Brothers and Sisters“ erschien, war Duane Allman, der zwischenzeitig bei Eric Claptons Band Derek and The Dominos gespielt hatte, bereits tot, er starb 1971 bei einem Motorradunfall. Ein Jahr später ereilte Berry Oakley dasselbe Schicksal, fast an derselben Stelle. Die Allman Brothers machten trotzig weiter, nachdem sich Dickey Betts die Spielweise Duane Allmans angeeignet hatte, insbesondere das markante Ziehen der Saiten auf der Slide-Gitarre.

Die stets von Kontroversen begleitete Band löste sich schließlich 1976 auf, sodass eine ihrer erfolgreichsten Platten, das Live-Doppelalbum „Wipe The Window, Check The Oil, Dollar Gas“ erst nach der Trennung der Band erschien. Während die sich anschließenden Solokarrieren bevorzugt von hartnäckigen Fans goutiert wurden, erlebten die Alben der Allman Brothers einen bleibenden Nachruhm. Die Allmans waren zu Allstars geworden. Es kam zu mehreren Neustarts, der endgültige Bruch mit Dickey Betts vollzog sich dann jedoch im Jahr 2000.

Seit etwa fünf Jahren wandelt unterdessen die Allman Betts Band auf den Spuren der legendären Vorfahren, und das ist in diesem Fall wörtlich zu verstehen. Devon Allman (der Sohn des 2017 verstorbenen Gregg Allman), Duane Oakley (der Sohn von Berry Oakley) und Duane Betts (der Sohn von Dickey Betts) tragen auf ihre Weise das Erbe des Southern Rock weiter. Die Vornamen von Oakley und Betts Junior verraten viel von der tief empfundenen Emphase der frühen Allman Brothers Band. Nun ist Dickey Betts, der übrigens eine besondere Erwähnung in Bob Dylans Langpoem „Murder most Foul“ findet, im Alter von 80 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in Osprey, Florida gestorben.