Die gr��te Bankenpleite in Europa seit der Weltwirtschaftskrise 1932 haben den WDR und Zeitsprung Pictures zu „Goldjungs“ (WDR) bewogen. Das Autoren-Ehepaar Eva Zahn und Volker A. Zahn r�ckt f�r den ARD-Mittwochsfilm jene wilden Devisen-Spekulationen, Scheingesch�fte, Kursmanipulationen und die laxe Handhabung des Aktien-Rechts mit dem Abstand fast eines halben Jahrhunderts und mit allen fiktionalen Freiheiten in ein satirisches Licht. „Goldjungs“ ist eine sehr sehenswerte Kom�die. Bei aller Kapitalismus-Kritik, Schelte am Konsumismus und an falsch verstandener Demokratisierung von Geldgesch�ften reicht es allerdings zur knackigen Gesellschaftsposse mit k�lscher Mentalit�tsgeschichte � la „Der K�nig von K�ln“ nicht. Daf�r fehlt es dem Film unter anderem an komplexen Nebenfiguren. Und die Heldin, ideal besetzt mit Michelle Barthel als sexy-Seventies-Ikone, ist zwar ein guter T�r�ffner in den Film, doch gerade durch die von ihr provozierte Tonlagen-Mischung – dort ein absurdes Schurkenst�ck, hier eine Komik-resistente Identifikationsfigur, dort Distanz durch Komik, hier Empathie durch Psychologie – ergibt sich eine dramaturgische Schieflage, die eine Narration aus einem Guss verhindert. Vor allem filmisch f�r Abwechslung jenseits vom Bankalltagsgrau sorgen ausgeflippte Party-N�chte & Gerlings Gro�b�rger-Ambiente. Einen besonderen Genuss f�r den Zuschauer bieten Szenenbild, Mode und Soundtrack.
Foto: WDR / Frank DicksMarie Breuer (Michelle Barthel) und die Herrschaften, die bei der Herstatt-Bank was zu sagen haben: Buchhalter Uwe Lennartz (Jan Krauter) kann sich bei Iwan Herstatt (Waldemar Kobus) kein Geh�r verschaffen. Bessere Karten beim Boss haben Baron von Broustin (Ulrich Friedrich Brandhoff) und Mick Sommer (Tim Oliver Schultz).
Alles hatte 1973 nicht nur f�r Marie Breuer (Michelle Barthel) so sch�n angefangen. Das strebsame junge Fr�ulein bekam einen Sekret�rinnen-Job bei der K�lner Herstatt-Bank, durfte von nun an Ferdinand von Broustin (Ulrich Friedrich Brandhoff) ihren legend�ren Kaffee kochen, war bald aber auch hautnah dran an den sogenannten „Goldjungs“ der erfolgreichsten Privatbank Deutschlands – insbesondere an Devisen-Broker Mick Sommer (Tim Oliver Schultz), dem Rockstar der sonst eher konservativen Branche. An guten Tagen mache „seine“ Bank an die 500 Millionen DM Umsatz, t�nt Direktor Iwan D. Herstatt (Waldemar Kobus). Wegen seiner Schlafkrankheit verl�sst er sich auf den Baron und die „Goldjungs“; einiges �berl�sst er auch seiner Sekret�rin Fr�ulein P�tz (Judith Engel). Die Erlaubnis, „bisschen was nebenher zu verdienen“, l�sst die Chefsekret�rin fortan mit wahnwitzigen Summen jonglieren. Auch Marie l�sst sich verf�hren: erst vom nicht gesellschaftsf�higen Mick Sommer, dann von der Gier nach dem schnellen Geld. Wie alle anderen h�rt auch sie nicht auf den Einzigen, der warnt: Dieser pedantische Buchhalter Uwe Lennartz (Jan Krauter) passt einfach so gar nicht ins Bild der Goldgr�berstimmung in K�ln. Am 26. Juni 1974 ist es dann soweit. Die Bank ist pleite und mit ihr ein Gro�teil der rheinischen Karnevalsmetropole. Marie hofft trotzdem, dass sie die verzockten Ersparnisse ihrer Mutter (Bettina Stucky) noch zur�ckgewinnen wird.
Foto: WDR / Frank DicksAuch wenn ihr zun�chst alles fremd ist, findet sich Marie Breuer (Michelle Barthel) nach und nach zurecht in dem seltsamen Kosmos der Herstatt-Bank. Von Sunnyboy Mick Sommer (Tim Oliver Schultz), dem Rockstar der Bank, ist sie sichtlich angetan.
Die gr��te Bankenpleite in Europa seit der Weltwirtschaftskrise 1932 haben den WDR und Zeitsprung Pictures zum Fernsehfilm „Goldjungs“ bewogen. Das Autoren-Ehepaar Eva Zahn und Volker A. Zahn, das sich schon �fter in die deutsche Zeitgeschichte eingearbeitet hat („Kolle – Ein Leben f�r Liebe und Sex“, die Serie „Zarah – Wilde Jahre“), r�ckt dabei die abenteuerlichen Devisen-Spekulationen, die Veruntreuungsdelikte, die Scheingesch�fte, Kursmanipulationen und die laxe Handhabung des Aktienrechts (wenig solvente Mitarbeiter durften fr�hlich mitspekulieren) mit dem Abstand fast eines halben Jahrhunderts in ein satirisches Licht. Bis auf Direktor Herstatt und das Ehepaar Gerling (Leslie Malton & Martin Brambach), die einzigen Personen der Zeitgeschichte, sind alle Protagonisten, deren Geschichten und Dialoge frei erfunden. Das freut den Fernsehfilmliebhaber, der sich gut unterhaltend, mit Blick auf die Finanzkrise 2008, auf die Cum-Ex-Aff�re oder den Wirecard-Skandal, nicht lang �berlegen muss, was denn Bankwesen und Politik aus der Herstatt-Pleite f�r Lehren gezogen haben. F�r die Fiktion reicht das. Wer tiefer ins Thema eindringen m�chte, dem bietet im Anschluss an den ARD-Mittwochsfilm „Plusminus“ dazu die Gelegenheit.
Foto: WDR / Frank DicksIwan D. Herstatt (Waldemar Kobus) hat – wenn er gerade mal nicht eingenickt ist – nur Karneval im Kopf. Die Schlafkrankheit hat auch eine dramaturgische Funktion.
Als T�r�ffner in die Welt der B�rsengesch�fte dient den Autoren eine junge Frau aus einfachen Verh�ltnissen, die kurzzeitig den Duft der gro�en weiten Welt schnuppern darf, bevor sie sich zeitgeistgem�� auf einen ganz anderen Weg macht, bei dem Geld keine Rolle spielt. Michelle Barthel („Keine Angst“, „Spieltrieb“) verk�rpert diese Figur identifikationstr�chtig, wandelt sich glaubhaft vom Mauerbl�mchen zur Frau, die nicht l�nger als „Fr�ulein“ angeredet werden m�chte, und auch als Sexy-Siebziger-Jahre-Ikone mit selbstbewusster Garderobe macht sich die Grimme-Preistr�gerin gut. Dass Zocken nichts mit Demokratisierung von Geldgesch�ften zu tun hat – daf�r steht vor allem die Figur der Chefsekret�rin. Judith Engel, famos zuletzt in „Der K�nig von K�ln“, versieht diese vergleichsweise kleine Rolle mit einer (tragi)komischen Pr�senz, die ihre Performance auch in diesem Film heraushebt. Gro�artig ihr Solo, in dem sie der Heldin etwas von Renditen und Gewinnen vorschw�rmt – und somit der Gier ein menschliches, ein euphorisierendes, ja ein gl�ckliches Gesicht gibt. Das Rauschhafte, das Menschen geradezu manisch werden l�sst,� vermittelt diese Szene eigenwilliger als die zum Bildklischee gewordene, sich selbst feiernde Devisenh�ndler-Rotte. Nur wenige Szenen im Film hat Leslie Malton als Irene Gerling, eine Frau von Welt, mit extravaganter Garderobe und zwei Dalmatinern im Schlepptau, die keinen Zweifel daran l�sst, wer im Hause Gerling das Sagen hat. Ihre Aufz�hlung der Vorz�ge von Fr�ulein Breuer ist der erste kom�diantische H�hepunkt; wunderbar spie�t der Text das �berkommene Verh�ltnis der Geschlechter, insbesondere im Berufsleben, satirisch auf.
Foto: WDR / Frank DicksGut, dass die New Yorker B�rse (wegen der Zeitverschiebung) so sp�t �ffnet. So l�sst es sich bis in die Morgenstunden feiern. Sex & Drugs & Rock'n'Roll – das macht sich filmisch gut. So entsteht eine �sthetisch reizvolle Gegenwelt zum Bankalltagsgrau.
Soundtrack:
T. Rex ("Get It On"), Peter Frampton ("Show Me The Way"), Boston ("More Than A Feeling"), Sweet ("Blockbuster"), James Brown ("I Feel Good"), Gilbert O'Sullivan ("Alone Again"), Stevie Wonder ("Superstition"), Barry White ("Can't Get Enough Of Your Love, Babe"), Led Zeppelin ("Rock & Roll"), Temptations ("Papa Was A Rolling Stone"), Golden Earring ("Radar Love"), Supertramp ("Rudy"), Thin Lizzy ("Whiskey in The Jar"), Santana ("Black Magic Woman"), David Bowie ("Space Oddity"), Paul Revere & The Raiders ("Indian Reservation")
Dem Filmtitel „Goldjungs“ zum Trotz hinterlassen die m�nnlichen Charaktere und deren Darstellung einen weniger bleibenden Eindruck. Martin Brambachs farblosem Hans Gerling ist augenscheinlich von Anfang an der erst sehr viel sp�ter fallende Satz „Das nimmt alles kein gutes Ende“ ins Gesicht geschrieben. Tim Oliver Schultz mag optisch und physisch eine gute Wahl sein; die Figur bleibt aber vielleicht gerade deshalb �hnlich oberfl�chlich wie der st�ndig einnickende Iwan Herstatt. Die Schlaf-Metapher ist gut, gilt das Bankwesen zu dieser Zeit ja vor allem als konservativ-verschnarchtes Gewerbe – und wer schl�ft, der kriegt nun mal nichts mit... Ohne diese Eigenart des Chefs und nat�rlich ohne die EDV-Manipulationen durch eine Maschine mit „magischer Taste“, die alle Gesch�fte verschwinden l�sst, ja sie gar nicht erst bucht, w�rde die Aufstieg-und-Fall-Geschichte wohl kaum �ber 90 Minuten funktionieren. Herstatt selbst wird weitgehend reduziert auf sein Pickwick-Syndrom; da verwundert es nicht, dass Waldemar Kobus ihn zur – durchaus komischen – Karikatur macht, einer Schnarchnase, den eigentlich nur der Karneval und die Feierlichkeiten zu seinem Sechzigsten umtreiben.
Foto: WDR / Frank Dicks"Eigentlich ging es mir nie ums Geld." Kleine, feine Rolle: Judith Engel als Fr�ulein P�tz. Die Sekret�rin spekuliert mit Millionen. Jedoch eines Tages platzt die Blase.
Dagegen wei� Ulrich Friedrich Brandhoff seinem Charakter, dessen emotionaler Missbrauch der weiblichen Hauptfigur zwar offensichtlich ist, aber dennoch eine erhellende Episode darstellt, mit h�bschen Manierismen und Pausen der Verunsicherung komische Zwischent�ne zu entlocken. Die letztlich interessanteste M�nnerfigur ist jedoch ausgerechnet der steife Buchhalter, der spie�ige Spielverderber und ewige Bedenkentr�ger. Geradezu schillernd wird Jan Krauters Uwe Lennartz durch seine verbissenen Warnappelle und vor allem durch seine Schlussnummer, in der er – in sch�ner Parallelit�t zu der Szene, in der er Marie in die sch�ne neue Bankerwelt mit dem sagenhaften 12-Bit-Rechner einf�hrt – nun die faulen Devisengesch�fte und EDV-Manipulationen zum Besten gibt. Die Zahns haben ihm einen markanten Monolog ins Drehbuch geschrieben, den Krauter wie ein Besessener mit einem Anflug von Wahnsinn vortr�gt. �berhaupt sind es f�r die Satire die besten Momente in „Goldjungs“, wenn Informationsdialoge in ein komisches Gewand verpackt werden. F�r Abwechslung jenseits der funktional designten Bankerwelt sorgen vor allem die n�chtlichen Szenen im Club, in denen die sp�tjuvenilem Porsche-Fahrer und ihr weiblicher Anhang wilde Partys feiern. Der Gegensatz der Welten, der erg�nzt wird von dem gro�b�rgerlichen Ambiente der Gerlings und der kleinb�rgerlichen Enge von Mutter und Tochter Breuer, geh�rt zu den filmischen Reizen, die Regisseur Christoph Schnee und seine sichtlich vorz�glich arbeitenden Gewerke, allen voran Szenenbild (Julian Augustin) und Kost�m (Sarah Raible, Minsun Kim) unterhaltsam bedienen. Auch der Soundtrack kann sich mit Ausnahme zweier seichter AOR-Nummern h�ren lassen und besitzt nicht selten Bez�ge zur Geschichte.
Foto: WDR / Frank Dicks"Der magische Knopf". Ein H�hepunkt des Films: Uwe Lennartz (Jan Krauter) parliert sich wahnhaft in Rage. "Wenn man da draufdr�ckt, verschwinden die Gesch�fte. Sie werden gar nicht erst gebucht." Marie (Michelle Barthel) kann's nicht glauben.
„Goldjungs“ ist eine sehr sehenswerte Kom�die, insbesondere, wenn man ber�cksichtigt, dass das Genre in seiner reinen schr�gen Form – und nicht zur Dram�die domestiziert – verglichen mit dem Krimi hierzulande ein Schattendasein f�hrt. Zur knackigen Gesellschaftsposse mit k�lscher Mentalit�tsgeschichte � la „Der K�nig von K�ln“, ebenfalls aus dem Hause Zeitsprung, reicht es dann allerdings nicht. Ein bisschen Geldgier, ein bisschen Kapitalismus- und Konsumismus-Kritik, dazu der naheliegende Vergleich zwischen „den miesen Gesch�f-ten“ (Helmut Schmidt) von damals und der f�r die Banken gro�z�gigen Merkel-L�sung 2008, verschoben ins Kom�diantische, ergeben noch keine Gesellschafts-Satire. Daf�r fehlt es dem Film auch an den richtigen Charakteren. Mag sein, dass es die nicht gab, sich ausgedacht haben sie sich Eva und Volker A. Zahn allerdings auch nicht. Die Hauptfigur ist zwar der besagte T�r�ffner in den Film, doch gerade durch die von jener Marie provozierten Tonlagen-Mischung – dort ein absurdes, satiretr�chtiges Schurkenst�ck, hier eine Komik-resistente Identifikationsfigur, dort Distanz durch Komik, hier Empathie durch Psychologie – ergibt sich eine dramaturgische Schieflage, die eine Geschichte, einen Film, aus einem Guss verhindert.
Foto: WDR / Frank DicksGruppenbild mit Fr�ulein: Marie Breuer (Michelle Barthel) und die nicht nur von ihr bewunderten "Goldjungs". Aus kleinen Verh�ltnissen ganz nach oben kommen...
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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