„Gl�ck ist was f�r Weicheier“ (ZDF / Walker+Worm) erz�hlt eine tieftraurige Geschichte als Kom�die mit Trauerflor: Die zw�lfj�hrige Jessica sucht verzweifelt nach einem Weg, wie sie ihrer unheilbar kranken �lteren Schwester helfen kann. Die vermeintliche L�sung findet sie in einem Buch �ber Rituale zur Schadensabwehr. Obwohl der Film im Grunde nur eine Aneinanderreihung einzelner Vorf�lle und Erlebnisse ist, gelingt es Anca Miruna Lăzărescu in ihrer ruhig erz�hlten zweiten Regiearbeit, einen harmonischen Handlungsfluss herzustellen. Daf�r steht vor allem die junge Hauptdarstellerin Ella Frey, die auch die kleine, aber f�r das Gesamtgef�ge des Films ungemein wichtige kom�diantische Ebene tr�gt. Der Film er�ffnet die Reihe „Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten“, aber leider erst um 23.15 Uhr. Die Tragikom�die h�tte sicher auch um 20.15 Uhr funktioniert.
Foto: ZDF / Bernd SpaukeIn jungen Jahren mit zu viel Leid konfrontiert: Jessica (Ella Frey) k�mpft mit anderen Mitteln als ihr Vater Gabriel (Martin Wuttke) um das Leben ihrer Schwester Sabrina.
Jessi ist zw�lf, steht aber anders als die langbeinigen M�dchen aus ihrer Klasse erst am Beginn der Pubert�t. Wegen ihrer Kurzhaarfrisur und ihres burschikosen Auftretens wird sie �fter mal f�r einen Jungen gehalten. Weil sie au�erdem unter allerlei harmlosen Zwangsst�rungen leidet, ist sie ein beliebtes Mobbing-Opfer ihrer m�nnlichen Mitsch�ler, die sie „Neutrum“ nennen. „Gl�ck ist was f�r Weicheier“ klingt nach Kom�die und einem Film �ber Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen. Tats�chlich verbl�ffen Silvia Wolkan (Buch) und Anca Miruna Lazarescu� (Regie) immer wieder mit unerwartetem Witz, aber letztlich ist der Film ein tieftrauriges Drama: Jessis Schwester Sabrina (Emilia Bernsdorf) leidet unter einer t�dlichen Lungenkrankheit. Seine am�sante Note verdankt das Buch einer irrwitzigen Idee: Jessi (Ella Frey) liest in einem Buch �ber Rituale zur Schadensabwehr, dass sich Sabrinas Schicksal wom�glich mit Hilfe von Sex abwenden l�sst; die Krankheit w�rde dann auf den Mann �bergehen. Also widmet sie ihre Freizeit fortan der Suche nach einem Beischl�fer.
Diese Ebene ist so etwas wie der Motor der Handlung und sorgt daher f�r eine gewisse Dynamik. In erster Linie ist „Gl�ck ist was f�r Weicheier“ jedoch das Portr�t eines M�dchens, das schon in jungen Jahren mit viel zu viel Leid konfrontiert wird. Dass Jessi anders ist als die anderen, treibt ihre seelische Unordnung nur auf die Spitze; Verwirrtheit und Weltschmerz geh�ren in dieser Lebensphase quasi zur Grundausstattung. Der Film ist eine Kinokoproduktion der ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel, hatte eine kaum der Rede werte Kinoauswertung und hie� in der internationalen Festival-Auswertung „Happiness Sucks“. Die Botschaft dieses Titels (und damit auch des Films) ist die gleiche, nur deftiger formuliert: Gl�ck ist Schei�e; und das trifft es ziemlich gut. Jessis Mutter ist vor elf Jahren bei einem Autounfall gestorben. Kein Wunder, dass der Vater von Melancholie umw�lkt ist.
Foto: ZDF / Bernd SpaukeBeischl�fer-Suche. Sabrina (Bernsdorf) ist das gro�e Vorbild von Jessica (Ella Frey)
Das „Gl�ck“ ... ist kein perfekter Film. Aber einer, von denen man gern mehr sehen w�rde in Deutschland. Stille Filme, in denen alles M�gliche passieren kann, gern auch bei Kindern, falls sie so geradezu extremistisch begabt sind wie Frey und Weckauf. Filme auch, in denen Humor gewagt wird, nachtschwarz und lebenswahr, was ja in Deutschland eine eher tote Kunst ist. Und in denen ein Herz schl�gt. Filme, die fein tanzen auf des Messers Schneide zwischen Kitsch und Tiefe. Kinder, die das spielen k�nnen, die einem Film das Herzschlagen beibringen, gibt es n�mlich gegenw�rtig mehr als genug. (DIE WELT)
Martin Wuttke ist eine interessante Besetzung f�r diese Rolle: Nicht zuletzt dank einer Per�cke, die ihn stets etwas wirr aussehen l�sst, wirkt er weitaus zerbrechlicher als seine j�ngere Tochter. Stefan wappnet sich mit Walges�ngen gegen die Unbill des Daseins und ist auch sonst ein bisschen aus der Zeit gefallen; seine Naivit�t l�sst ihn wie ein altes Kind erscheinen. Der Bademeister konnte sich damals nicht von seiner Frau verabschieden; das kompensiert er, indem er versucht, Sterbenden die Angst vor dem Tod zu nehmen. Auch diese Szenen nutzen Wolkan und Lăzărescu f�r moderat makabre Momente, wenn Stefan beispielsweise einen belehrenden Monolog h�lt („Laden Sie den Tod zum Kaffee ein“) und gar nicht mitbekommt, dass der Mann, dem er Beistand leisten will, soeben verstorben ist. Er hat dem Sterbebegleiter eine K�chenmaschine vermacht, was sp�ter zu einer bizarren Szene f�hrt: Weil Stefan beim Mixen roter Beeren den Deckel vergessen hat, sieht er umgehend aus wie eine jener blutbesudelten Figuren aus den Horrorfilmen, die sich Sabrina regelm��ig anschaut.
Foto: ZDF / Bernd SpaukeAngeschlagen. Stefan Gabriel (Martin Wuttke) versucht, dem Tod die Stirn zu bieten.
Der Film nimmt den Tod durchaus ernst, doch umgibt er ihn auch mit einer Prise nie �berzogenen, absurden Humors. Sabrina etwa stellt schon mal die Musik zu ihrer Beerdigung an und schaut Zombiefilme, wo die Menschen wie die Fliegen sterben. Und Stefan erz�hlt seinen todkranken Klienten im Hospiz vom „Orgasmus des Todes“ und bekommt einmal gar nicht mit, dass ein Mann hinter seinem R�cken schon gestorben ist. Aber das wirkt nie l�cherlich, eher ungelenk. Und ungelenk und unerfahren agiert auch Jessica, denn „Gl�ck ist was f�r Weicheier“ ist auch eine Coming-of-Age-Geschichte. (…) Ungelenk wirkt auch der Psychotherapeut, zu dem Jessica von der Schule geschickt wird. Aber auch er ist weit von einer Karikatur entfernt, wird eher zu einem Freund. Der Tonfall dieses Films bleibt in einem positiven Sinne verhalten. Dazu tragen auch die grandiosen Darsteller bei, allen voran Ella Frey als Jessica und der in diesem Film sehr in sich gekehrten Martin Wuttke als Vater Stefan. (epd film)
Obwohl der Film im Grunde nur eine Aneinanderreihung einzelner Vorf�lle und Erlebnisse ist, gelingt es Lazarescu in ihrer ruhig erz�hlten zweiten Regiearbeit nach ihrem deutsch-rum�nischen Road-Movie „Die Reise mit Vater“ (2016), einen harmonischen Handlungsfluss herzustellen. Daf�r steht vor allem die junge Hauptdarstellerin Ella Frey (Jahrgang 2004), die mit ihrer Leistung best�tigt, was sich schon in fr�heren Filmen wie „Hirngespinster“ (2014) oder „Nur eine Handvoll Leben“ (2016) angedeutet hat. Dort hat sie schwierige Figuren mit bemerkenswerter Souver�nit�t gemeistert; das gilt hier erst recht. Emilia Bernsdorf, sieben Jahre �lter und nicht zuletzt dank regelm��iger Mitwirkung in verschiedenen Krimis und Sonntagsfilmen des ZDF ungleich erfahrener, hat die deutlich kleinere Rolle, verk�rpert die zunehmende Fragilit�t der zusehends verschwindenden Schwester, die ihr Schicksal mit viel Ironie nimmt, jedoch mit ber�hrender Glaubw�rdigkeit.
Foto: ZDF / Sandra HoeverScheinbar perfekte Nachbarn: das Ehepaar Kranz (Tina Ruland, Stephan Grossmann)
Ella Frey tr�gt auch die kleine, aber f�r das Gesamtgef�ge des Films ungemein wichtige kom�diantische Ebene. Bei ihrer F�hrung hat Lazarescu sorgsam darauf geachtet, dass nicht die Rolle, sondern die jeweiligen Umst�nde komisch sind, etwa Jessis Besuche bei einem etwas ratlosen Therapeuten (Christian Friedel), der ihr nutzlose Flirt-Tipps gibt, oder ihr daraufhin vergeblicher Versuch, sich an den Schulschwarm (Tim Dieck) ranzumachen, der sie prompt f�r schwul h�lt. Sehr interessant neben den stimmigen Bildern f�r Jessis Innenwelt (Kamera: Christian Stangassinger) ist auch die Musik (Ketan und Vivan Bhatti), die mit ihrer Mischung aus Gute-Laune-Melodien und schwerm�tigen Untert�nen die Handlung perfekt untermalt. „Gl�ck ist was f�r Weicheier“ er�ffnet die diesj�hrige Reihe „Shooting Stars – Junges Kino im Zweiten“. Leider zeigt das ZDF die Filme ausnahmslos erst nach 23 Uhr; dabei h�tte die Tragikom�die bestimmt auch um 20.15 Uhr funktioniert.
Florian Kumb, Leiter der ZDF-Hauptabteilung Programmplanung, �ber die Platzierung der Reihe „Shooting Stars“ am sp�ten Abend:
„Als Programmplaner ist man eine Mischung aus k�hlem Rechner, Sp�rnase und Orakel, und in diesem Punkt prallen Wunsch und Wirklichkeit aufeinander. Wir haben kein Interesse daran, einen Film zu verstecken, sondern versuchen im Gegenteil, jedem die bestm�glichen Startbedingungen zu geben und ihm so zum gr��tm�glichen Erfolg zu verhelfen. Einen ‚kleinen’ Film montags um 20.15 Uhr zu zeigen, hie�e jedoch, ihn ungesch�tzt einem starken Konkurrenzprogramm auszusetzen; er h�tte keine Chance. Gerade j�ngere Zuschauer nutzen solche Angebote ohnehin unabh�ngig von der Sendezeit in der Mediathek.“
TRAILER zur Kino-Koproduktion "Das Gl�ck ist was f�r Weicheier"
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.