Entscheidung zu Wahlrecht: Linke und CSU bangen um ihre Bedeutung
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Entscheidung zu Wahlrecht: Linke und CSU bangen um ihre Bedeutung

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Wenn CSU und Linke einträchtig vor das Verfassungsgericht ziehen, dann geht es gegen die Ampel und vor allem gegen das Wahlrecht. Heute beginnt das Verfahren.

Wenn besonders viele Spitzenpolitiker - und in diesem Fall sind es ausschließlich Männer - zum Verfassungsgericht nach Karlsruhe fahren, dann geht es dort um Wichtiges. Am Dienstag reist CDU-Chef Friedrich Merz ebenso an wie der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Linken-Chef Martin Schirdewan. Sie klagen gegen das von der Ampelregierung durchgesetzte neue Wahlrecht, über welches das Bundesverfassungsgericht nun erstmals verhandelt. Vor allem für die CSU und Die Linke geht es dabei vielleicht sogar ums parlamentarische Überleben in der Bundespolitik.

Wahlrecht vor dem Verfassungsgericht: Worüber wird verhandelt?

Konkret geht es um die Zusammensetzung des Bundestages nach der Wahl im nächsten Jahr. Hat das neue Bundeswahlgesetz in seiner aktuellen Form Bestand, dann wird das Parlament deutlich kleiner: Nur noch 630 Abgeordnete werden dann auf den lila Sesseln Platz nehmen dürfen, so viele, wie ursprünglich im Bundeswahlgesetz vorgesehen. Derzeit sind es 734 , die sich auf fünf Fraktionen und zwei Parlamentarische Gruppen verteilen, sowie sieben fraktionslose Abgeordnete. Sie alle haben Rederecht im Bundestag, weshalb sich die Sitzungen zum Teil bis in die Nacht hinziehen. In den Ausschüssen wird zuweilen darüber geklagt, dass ihre Größe ein zielgerichtetes Arbeiten erschwert.

Der Bundestag muss kleiner werden – das sehen alle Parteien so. Auf einen Weg dorthin konnte man sich lange nicht einigen. Der mittlerweile verstorbene ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) drohte in der vergangenen Legislaturperiode sogar damit, Büro-Container im Regierungsviertel aufstellen zu lassen. Die steigende Zahl an Bundestagsabgeordneten brachte schließlich auch immer mehr Mitarbeiter:innen mit in die Hauptstadt. Sie alle unterzubringen, wurde immer schwieriger.

Der Reichstag im Abendlicht. Wegen der vielen Abgeordneten und ihren Beschäftigten wird es dort allmählich eng.
Der Reichstag im Abendlicht. Wegen der vielen Abgeordneten und ihren Beschäftigten wird es dort allmählich eng. © AFP

Warum ist das Parlament immer größer geworden?

Schuld daran ist grundsätzlich das Wahlsystem der Bundesrepublik, das einen Mix aus Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht vorsieht. Bei jeder Bundestagswahl gibt es zwei Stimmen: die Stimme für den Direktkandidaten oder – immer noch seltener – die Direktkandidatin im Wahlkreis. Wer hier die meisten Stimmen erhält, zieht direkt in den Bundestag ein. Die Stimmen der Unterlegenen verfallen – klassisches Mehrheitsrecht. Mit der Zweitstimme, die im neuen Wahlrecht Hauptstimme heißt, wird der Anteil der Sitze ermittelt, den eine Partei im Parlament erhält. Hier zählt jede Stimme.

Die Wahlberechtigten in Deutschland wählen mit ihrem zwei Stimmen durchaus unterschiedlich. So entsteht ein Missverhältnis, das am krassesten in Bayern zu beobachten ist. Dort gewann die CSU bei der Wahl 2021 insgesamt 45 der 46 Wahlkreise direkt. Nach dem Zweitstimmenergebnis hätten ihr aber nur 34 Bundestagsmandate zugestanden. Die CSU hatte also elf Überhangmandate. Damit das Wahlergebnis dennoch korrekt abgebildet wird, erhalten die anderen Fraktionen sogenannte Ausgleichsmandate. So wurde der Bundestag immer größer.

Was haben die Parteien getan, um das Problem zu lösen?

Drei Wahlperioden lang verhandelten die Fraktionen über ein neues Wahlrecht, das übrigens nicht im Grundgesetz geregelt ist, sondern in einem einfachen Bundesgesetz. Ergebnisse gab es lange Zeit keine. Das liegt an dem Umstand, dass Frösche, die ihren eigenen Tümpel trockenlegen sollen, natürlich nicht besonders motiviert sind, das zu tun. Die Frösche, die in den Wahlrechtskommissionen am lautesten quakten, hatten ein CSU-Parteibuch. Mit den bayerischen Abgeordneten waren lediglich kosmetische Änderungen möglich.

So wurde das Wahlrecht schließlich mit der aktuellen Regierungsmehrheit von SPD, Grünen und FDP beschlossen. Die Linke, die lange Zeit aufgeschlossen für die neuen Regelungen gewesen war, scherte zum Schluss aus.

Warum sind die Linke und die CSU gleichermaßen empört über das neue Wahlrecht?

Beide Parteien sehen ihren Einzug in den nächsten Bundestag gefährdet. Das liegt am Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel. Nach früherem Recht zog eine Partei in Fraktionsstärke ein, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen konnte – das gilt auch dann, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde bleibt. Genau das passierte der Linken bei der Wahl 2021. Sie erreichte nur 4,9 Prozent der Stimmen, konnte aber mit Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Sören Pellmann drei siegreiche Direktkandidaten vorweisen.

Das wird 2025 so nicht mehr klappen. Dann muss die Fünf-Prozent-Hürde überwunden werden. Die Linke sieht – gerade bei den derzeitigen Umfragen – ihre parlamentarische Existenz und damit ihre bundespolitische Bedeutung bedroht. Auch in der CSU rumort es. Denn ihre Kandidat:innen treten nur in Bayern an. Auf das ganze Land hochgerechnet erreichte die CSU bei der Bundestagswahl 2021 gerade mal 5,2 Prozent. Nicht gerade komfortabel.

Doch auch wenn die CSU die Fünf-Prozent-Hürde schafft, wird sie im neuen Bundestag mit Sicherheit eine kleinere Gruppe stellen als derzeit. Denn das neue Wahlrecht sieht vor, dass Überhangmandate nicht mehr entstehen (und so auch nicht ausgeglichen werden). Die Partei, die mehr Direktmandate bekommt, als ihr nach Zweitstimmen zustehen, muss auf die Direktkandidat:innen verzichten, die im Vergleich die geringste Stimmenanzahl erreichten. Für die Wahl 2021 hätte das bedeutet, dass jene elf Kandidierenden der CSU das Nachsehen gehabt hätten, die die wenigsten Stimmen bekommen haben.

Bei der CSU schäumt man vor Empörung und beschwert sich darüber, dass dies einseitig zu Lasten Bayerns gehe. Dabei hatte die CSU in den vergangenen Jahren gemessen am Haupt - beziehungsweise Zweitstimmenergebnis überproportional viele Abgeordnete aus Bayern entsandt. Zudem müssen alle Parteien Federn lassen. So hatte die SPD bei der letzten Bundestagswahl 36 Ausgleichsmandate, die Grünen 24, die FDP 16, die AfD 14 und die Linke 7. Es werden also alle Fraktionen kleiner, wenn das Bundesverfassungsgericht das Gesetz bestätigt. Ein Urteil dazu wird nicht vor dem Sommer erwartet. (Christine Dankbar)

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