Was Gesine Cukrowski macht, wenn sie sündigt. Und warum die Dreharbeiten zum Film "Racheengel" die schwersten ihres Lebens waren: Großes Schnitzel, viel Schnee

Großes Schnitzel, viel Schnee

So etwas hat Gesine Cukrowski noch nicht erlebt. Eigentlich sollte der Film im Herbst an der Ostsee gedreht werden, doch weil das Drehbuch nicht rechtzeitig fertig war, wurde aus Herbst Winter. Und was für ein Winter! Und was für Dreharbeiten! Aber der Reihe nach.Gleich in der ersten Szene treiben Eisschollen auf der Ostsee, eine Mutter reitet mit ihrem Kind zwar nicht durch Nacht und Wind, aber doch durch Schnee am Strand. Die Idylle währt bis zum Handyklingeln, denn Muttern ist bei der Polizei, und im Strandhotel liegt ein Mann in der Badewanne. Das Wasser läuft über, das Blut auch, eine ziemliche Sauerei das.Mundwinkel nach untenGesine Cukrowski spielt die Kommissarin mit Kind, und dass dieser Fall kein gewöhnlicher ist, sieht man schon daran, wie Gesine Cukrowski ihre Mundwinkel nach unten zieht. Für die anderen schaut alles nach Selbstmord aus, doch Tina mag nicht recht dran glauben. Das ändert sich, als nach Jahren die verschollen geglaubte Schwester in ihr Privat- und Berufsleben reinschneit. Die Schwester führt nichts Gutes im Schilde, auch das sieht man an den Mundwinkeln, die Katharina Wackernagel übrigens noch weiter nach unten ziehen kann als Gesine Cukrowski.Auch sonst sorgt das Aufeinanderprallen der so unterschiedlichen Schwestern für eine Kehrtwende. Die gute Schwester bleibt nicht so gut und will den Fall nun zügig zu den Akten legen. Die böse Schwester treibt derweil Keile ins berufliche wie private Umfeld. Und über allem liegt ein großes, dunkles Schwesterngeheimnis. Der Film arbeitet viel mit Andeutungen und Zeichen, mal ist es ein Ring am Finger des Toten, mal ein Anhänger an der Kette des Hotelpersonals. Und vor allem arbeitet Regisseur Tim Trageser mit den äußeren Bedingungen bei der Entstehung dieses Films."Solche Dreharbeiten habe ich noch nie erlebt", sagt Gesine Cukrowski. "Manchmal habe ich die Kamera nicht gesehen, weil alles eingeschneit war." Der Film wurde im Januar und Februar dieses Jahres in Travemünde gedreht, die Ostsee war stellenweise zugefroren. "In einer Szene musste ich am Strand joggen", erzählt die 42-Jährige. "Aber das ging gar nicht, weil überall Eisschollen lagen. Ich bin da nur so rumgestolpert und gesprungen, das haben die Kollegen im Schnitt dann sehr geschickt gelöst. Im Original sah das bestimmt sehr albern aus." Ach was.Jetzt ist wieder Winter, knapp ein Jahr danach, Gesine Cukrowski sitzt in einem Restaurant in Schöneberg und kämpft mit einem opulenten Schnitzel. "Ich sündige gerade", gesteht die Schauspielerin, die unter einer Getreideunverträglichkeit leidet und deshalb auch schon mal Spätzle aus Kastanienmehl zubereitet. Dieses Riesenschnitzel hier ist erkennbar nicht mit Kastanienmehl paniert, sondern mit ordentlichem Weizenmehl. Zu weiteren Exzessen kommt es leider nicht, Gesine Cukrowski lässt sich sogar den Rest des Schnitzels sorgsam einpacken, für die Tochter zu Hause.Zuvor aber erzählt sie noch von dem Film und davon, wie sie an die Rolle gekommen ist. "Die wurde von meinem Mann für mich geschrieben", sagt die Schauspielerin. Der Mann heißt Michael Helfrich und ist Drehbuchautor. Die beiden saßen eines Tages auf dem Balkon, und weil die Frau zuvor ein paar Filme gemacht hatte, die vielleicht nicht so künstlerisch wertvoll waren, um es mal so zu sagen, hat der Mann gefragt, was sie gern spielen würde. "Mein einziger Wunsch war eine Rolle, die nicht so eindimensional war wie die letzten", sagt Gesine Cukrowski. "Von der man nicht gleich weiß, das ist die Gute oder die Böse." Das sollte sich machen lassen.Ihre Polizistin Tina kommt zusehends vom rechten und gesetzlichen Weg ab, bald wird klar, dass sie ihre Schwester schützen will und klar wird auch, dass sie dazu in jeder Hinsicht allen Grund hat. "Es geht um Schuld, um die subjektive Wahrnehmung von Schuld", beschreibt Gesine Cukrowski ihre Rolle. "Es geht um Rache und um die Frage, was Rache bringt."Solche Fragen lotet der Film aus, manchmal leider reichlich plakativ und zum Schluss mit übermäßiger Symbolkraft. Doch gute Darsteller wie Matthias Koeberlin, Götz Schubert, Katharina Wackernagel und, nicht zu vergessen, Gesine Cukrowski gleichen das mehr als aus, sie überspielen sogar Sätze wie "Ich kann dir das jetzt nicht erklären" oder "Ich kann jetzt nicht mit dir darüber sprechen".Zum Glück kann Gesine Cukrowski sehr gut darüber sprechen. Über diesen Film und andere, über ihre Rolle in diesem Film und anderen, über die Funktion des Fernsehens in der Gesellschaft und die der Öffentlich-Rechtlichen im besonderen. Und über die eisigen Dreharbeiten. Wie ihr Gesicht immer wieder eingefroren ist, was bei einer Schauspielerin nicht unbedingt von Vorteil ist.Sechzig Meter hoher KranOder wie sie im Hafen gedreht haben und Katharina Wackernagel und sie auf einen sechzig Meter hohen Containerkran steigen mussten. Wie sie auf einem Metallgitter gestanden und in die Tiefe geguckt haben, dazu die Kälte und der Wind. "Das war der ungemütlichste Drehtag meines Lebens." Das glaubt man sofort, ebenso ihr Resümee. "Ich finde, es ist ein guter Film geworden", sagt Gesine Cukrowski. "Aber nochmal möchte ich das nicht machen." Deshalb macht sie jetzt auch mit ihrer Familie Urlaub. Im Süden.------------------------------Mehr als 50 FilmeGesine Cukrowski wurde 1968 als Zweitälteste von vier Kindern in Berlin geboren und wuchs in Neukölln auf.Sie studierte Germanistik und Theaterwissenschaften an der FU Berlin, ging auf eine Schauspielschule und belegte einen Chanson-Meisterkurs bei Gisela May.Cukrowski spielte auf verschiedenen Off-Bühnen, ihren ersten Fernsehauftritt hatte sie 1987 in der ARD-Serie "Praxis Bülowbogen".Bekannt wurde Cukrowski in der ZDF- Krimiserie "Der letzte Zeuge" an der Seite von Ulrich Mühe. Zehn Jahre bis zu Mühes Tod spielte sie die Pathologin Judith Sommer.Aus "Zuneigung, Freundschaft und Respekt zu Ulrich Mühe" verkündete sie im November 2007 ihren Ausstieg aus der Serie. Die Serie wurde nicht fortgesetzt.Gesine Cukrowski hat in mehr als 50 Filmen mitgespielt, in Krimis ("Tatort"), Thriller (Die Schläfer") , Dramen ("Das Wunder von Berlin") und Komödien ("Eine Robbe zum Verlieben").Als Vorsitzende der Stiftung "Findelbaby" setzt sie sich für werdende Mütter in Not und die Möglichkeit einer anonymen Geburt ein.Gesine Cukrowski lebt mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor Michael Helfrich und der Tochter Lina Carlotta in Berlin.Racheengel - Ein eiskalter Plan, 20.15 Uhr, ZDF------------------------------Foto: "Nochmal möchte ich das nicht machen": Gesine Cukrowski spielt in dem ZDF-Thriller eine Polizistin auf Abwegen.