OBERKÜPS

Die Oberküpser Linde

Zwei mächtige, weit ausladende Bäume inmitten einer malerischen Landschaft. Die Küpser Linde ist ein Sagenort. Foto: Markus Drossel

Die vielseitigen Wanderwege und Aussichtspunkte im Landkreis genießen nicht nur die Touristen, sondern auch die Einheimischen. Jetzt, wo die Natur noch nicht in der Blüte steht, schweifen die Blicke ungehindert in die Ferne. Eine Erzählung führt in die Marktgemeinde Ebensfeld. Wenn Wanderer den beliebten Aussichts- und Rastplatz an der Küpser Linde besuchen, wissen viele nicht, dass sie sich an einem Sagenort aufhalten. Im Buch „Sagen und Legenden des Lichtenfelser Landes“ von E. u. K. Radunz berichtet eine Geschichte davon, dass ein Brudermord für die Entstehung der Linde sorgte.

Holzschnitt zur Geschichte von Kain und Abel in Luthers Biblia von 1545: Die Abbildung zeigt mehrere Szenen gleichzeitig... Foto: Luthers Biblia von 1545

Zwei Brüder, der eine war ein Bauer, der andere ein Schäfer, lebten zeitlebens in Feindschaft. Sie vermieden jegliche Begegnung miteinander; auch die Familienangehörigen durften einander nicht grüßen. Eines Tages trafen die Brüder ungewollt zusammen. Gleich beschimpften sie sich. Sie gerieten so heftig in Streit, dass sie sich im Zorn schlugen. Dabei verletzte der Schäfer den Bauern dermaßen, dass dieser bald darauf starb.

Das allerdings wollte der Schäfer seinem Bruder nicht antun; er bereute seine Tat zutiefst. Er fiel auf die Knie und bat Gott um Vergebung seiner großen Schuld. Er flehte in seiner Verzweiflung, Gott möge ihm ein Zeichen geben. An der Unglücksstelle hinterließ er einen Stab, den er immer bei sich getragen hatte.

Von der Bibel bis zur Dichtung gibt es Geschichten vom Bruderzwist

Als es nach einiger Zeit den Schäfer wieder zu seinem Tatort trieb, entdeckte er zu seiner Verwunderung, dass sein Stab, den er achtlos in den Boden gesteckt hatte, ausgeschlagen war und zu grünen angefangen hatte. Da wusste der Schäfer, dass Gott ihm vergeben hatte. Der grünende Stab soll sich immer kräftiger zu einem Bäumchen entwickelt haben und schließlich zu einem schönen Baum, der Küpser Linde.

Diese Geschichte vom Brudermord hat viele Vorgänger. Die bekannteste steht im 1. Buch Moses. Hier ermordet Kain seinen Bruder Abel; beide sind die Söhne von Adam und Eva. Das Motiv ist die Eifersucht. Auch hier erschlägt ein Bauer einen Hirten. Die nächste bekannte Geschichte führt zur Gründung Roms. Dort ermordete Romulus, der Gründer von Rom, seinen Bruder Remus. Im Osmanischen Reich war der Brudermord beim Amtsantritt eines neuen Sultans vom 15. bis ins 17. Jahrhundert gängig.

Auch in der Literatur und Dichtung ist dieses Erzählmotiv bekannt. So 1602 bei Shakespeare im Drama „Hamlet“ und 200 Jahre später bei Schiller im Drama „Die Braut von Messina.“ Weitere Brudermorde finden sich in Erzählungen bis ins 20. Jahrhundert sowie in Märchen und Volkssagen. Auch im 21. Jahrhundert gibt es immer wieder Berichte über Brudermorde. Das Thema wird ebenfalls in Filmen aufgegriffen. So beschäftigen auch heute noch Mörder und ihre Opfer Heerscharen von Kriminalisten, Psychologen und Medizinern. Die Geschichte von der Küpser Linde reiht sich ehrenvoll ein in biblisches und weltliches Erzählgut.

Bei Kelten und Germanen galt die Linde als heiliger Baum

Im Sommer ist ein Besuch im Biergarten unter schattigen Linden ein Genuss. Die Liste der Naturdenkmäler im Landkreis Lichtenfels führt viele Linden auf. Sie ist ein beliebter Baum am Obermain. Die Winter-Linde nordnordöstlich von Oberküps hat eine Höhe von zwölf Metern und ebenso einen Kronendurchmesser von zwölf Metern.

Um den Lindenbaum ranken sich Sagen und Geschichten: Bei den Kelten und Germanen galt die Linde als heiliger Baum. In dem Baum lebe die Göttin Freya, Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit, des häuslichen Glücks und der Gerechtigkeit. Sie war der Geist der Linde und Beschützer von Häusern, Kirchen und Brunnen. Früher war ein großer Lindenbaum im Ortskern oft der Treffpunkt für das soziale Leben; um sie herum wurde getanzt, gelacht, gefeiert. Nach Kriegen pflanzte man neue Linden als Friedensbäume.

Küpser Lindenfest sorgt für Bekanntheitsgrad

Heute stehen am Küpser Sagenort zwei mächtige, weit ausladende Bäume inmitten einer malerischen Landschaft. Hinzu kommen ein Gipfelkreuz und ein fantastischer Ausblick in Richtung Südwesten und somit sowohl auf das Maintal als auch auf Bamberg. Ein Wanderweg zwischen Krögelhof und Dittersbrunn/Dornig führt an der Küpser Linde oberhalb von Oberküps vorbei.

Jedes Jahr am Christi Himmelfahrtstag veranstaltet in diesem Idyll die Freiwillige Feuerwehr Oberküps das über die Grenzen des Landkreises bekannte Küpser Lindenfest. Ideal für einen Familienausflug zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Ein perfekter Ort zum Picknicken. Auf Initiative der Oberküpser Dorfgemeinschaft wurden im vergangenen Jahr an dem Platz neue Tische und Bänke aufgestellt.

 

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