Mehr als ein Dutzend regionaler SPD-Vereine hat bislang ein Parteiausschlussverfahren gegen den Altkanzler und Gaslobbyisten Gerhard Schröder beantragt. Bis Sonntag gingen 14 Anträge ein, wie der SPD-Bezirk Hannover am Montag auf dpa-Anfrage mitteilte. Darunter waren SPD-Ortsvereine und Kreisverbände aus mehreren Bundesländern, etwa Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Für diese Verfahren ist demnach eine Schiedskommission zuständig, in dessen Region das entsprechende Parteimitglied wohnhaft ist. Wann mit einer Entscheidung zu einem möglichen Parteiausschluss gerechnet werden kann, nannte der SPD-Bezirk Hannover zunächst nicht. Schröder ist Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energieriesen Rosneft und war zuletzt auch für die Pipeline-Gesellschaften Nord Stream und Nord Stream 2 tätig.
Nach seinem vielbeachteten Interview in der „New York Times“ hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ihm den Austritt aus der Partei nahegelegt. Das Niederlegen seiner Mandate bei russischen Konzernen „wäre notwendig gewesen, um sein Ansehen als ehemaliger und einst erfolgreicher Kanzler zu retten. Und diesem Rat ist er leider nicht gefolgt“, sagte Esken am Montagmorgen im Deutschlandfunk.
„Gerhard Schröder schadet unserem Land“
„Gerhard Schröder agiert seit vielen Jahren lediglich als Geschäftsmann, und wir sollten damit aufhören, ihn als Elder Statesman, als Altkanzler wahrzunehmen. Er verdient sein Geld mit der Arbeit für russische Staatsunternehmen, und seine Verteidigung Wladimir Putins gegen den Vorwurf der Kriegsverbrechen ist regelrecht absurd.“ Auf die Frage, ob Schröder aus der Partei austreten sollte, sagte Esken: „Das sollte er.“
Schröder steht in Deutschland massiv in der Kritik, weil er sich trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht von seinen Posten bei russischen Energieunternehmen trennt. Die SPD-Spitze hat sich schon lange von Schröder distanziert. Esken und ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil hatten ihn Ende Februar in einem Brief aufgefordert, seine Posten bei den Staatsunternehmen niederzulegen. Die von ihnen „zeitnah“ eingeforderte Antwort steht noch aus.
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering kritisierte den ehemaligen Kanzler. „Gerhard Schröder schadet unserem Land, unserem internationalen Ansehen - und besonders auch der SPD“, schrieb sie auf Twitter. Den Parteivorstand, in dem sie selbst Beisitzerin ist, forderte sie auf, „keinen Cent seiner Mitgliedsbeiträge“ mehr anzunehmen. „Das ist schmutziges Geld.“
Der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl Mitte Mai in Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, forderte eine Entscheidung von Schröder: „Er muss sich entscheiden, will er Putin weiterhin unterstützen oder Mitglied der Sozialdemokratie sein – beides geht nicht miteinander“, sagte Kutschaty dem Fernsehsender WELT. „Ich kann es ihm nur sehr nahelegen, sich entweder deutlich von Putin zu distanzieren oder aus der SPD auszutreten.“
Kutschaty verwies auf ein Parteiordnungsverfahren, das derzeit gegen Schröder läuft. Damit können Sanktionen gegen Mitglieder verhängt werden, auch ein Parteiausschluss ist möglich. „Die SPD ist da sehr klar: Das, was Gerhard Schröder da gerade macht, ist überhaupt nicht mit sozialdemokratischen Grundsätzen in Einklang zu bringen“, sagte Kutschaty.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hatte nach den jüngsten Interview-Äußerungen von Gerhard Schröder über den Krieg in der Ukraine Sanktionen des Westens gegen den Altkanzler gefordert. „Alle diejenigen, die weiterhin für Kriegsverbrecher Putin arbeiten, müssen hart sanktioniert werden“, sagte Klitschko der „Bild“. Schröder sei Teil des Putin-Systems und damit „mitverantwortlich für das Abschlachten von Frauen und Kindern in der Ukraine. Angesichts seiner Propaganda für den Kreml fragt man sich, warum Schröder in Hannover wohnt und nicht in Moskau.“
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) fordert indes von der SPD-Führung die Einleitung eines Parteiausschluss-Verfahrens gegen den Altkanzler. Hintergrund sind dessen jüngste Äußerungen über den Ukraine-Krieg in der „New York Times“.
„Das Interview in der ,New York Times‘ ist schon ziemlich verstörend und es muss Folgen haben. Die gesamte SPD-Führung hat gesagt: Wenn Gerhard Schröder an seinen gut bezahlten Mandaten bei Putin festhält, kann er nicht mehr Mitglied der SPD sein“, sagte Wüst dem Sender „Bild TV“. Jetzt sage er, dass er genau das vorhabe. „Deshalb ist die SPD jetzt aufgerufen, ihren Worten Taten folgen zu lassen.“