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„Die Moskau-Connection“: Buch beschreibt, mit welchen Tricks Putin Altkanzler Schröder einwickelte
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Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (r) und Russlands Präsident Wladimir Putin 2005.
Bernd Settnik/dpa Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (r) und Russlands Präsident Wladimir Putin 2005.

In dem Buch „Die Moskau-Connection“ decken die FAZ-Korrespondenten Reinhard Bingener und Markus Wehner die Moskau- Beziehungen der deutschen Politik auf und zeigen, wie Deutschland in die russische Abhängigkeit rutschte. Der folgende Buchauszug zeigt die Anfänge der umstrittenen Beziehung zwischen Putin und Altkanzler Schröder.

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Nachdem Wladimir Putin das Zepter der Macht zum Wechsel ins Jahr 2000 übernommen hat, hält es der deutsche Bundeskanzler Schröder nicht für besonders wichtig, den neuen starken Mann Russlands möglichst schnell persönlich zu treffen. Im Gegenteil: Schröder zeigt sich zurückhaltend.

Das hat auch damit zu tun, dass der Kanzler sich von seinem Vorgänger Helmut Kohl absetzen will. Kohl pflegte einen engen persönlichen Kontakt mit Boris Jelzin, der als Saunafreundschaft bekannt wurde. Schröder will anders agieren.

Neue Nüchternheit in den Beziehungen zu Russland

Schon bei seinem ersten Moskau-Besuch als Kanzler im November 1998 stellt er eine neue Nüchternheit in den Beziehungen zu Russland in Aussicht, frei nach dem Motto „Raus aus der Sauna“. Zumal Russland nach der Rubelkrise und mit dem alkoholkranken, zwischen Klinik und Kreml pendelnden Präsidenten Jelzin an der Spitze ein Partner ist, der wenig attraktiv erscheint. Auf der außenpolitischen Agenda der Bundesrepublik rangiert Moskau zu Beginn der Schröder-Jahre ziemlich weit unten. Putin, seit August 1999 russischer Ministerpräsident, passt diese Haltung Schröders nicht.

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"Die Moskau-Connection" - Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit

Deutschland spielt als stärkste Wirtschaftsmacht der EU in seinen strategischen Überlegungen eine wichtige Rolle, zudem ist er durch seine Sprachkenntnisse und seine Zeit als Spion in der DDR mit dem Land besonders verbunden. Er lässt schon im Herbst 1999 anfragen, ob ein Besuch in der Bundesrepublik willkommen sei.

Doch Berlin reagiert kühl auf die Offerte des neuen Mannes, schließlich hat der Kreml schon eine ganze Reihe von möglichen Nachfolgekandidaten für Boris Jelzin getestet und alsbald für ungeeignet befunden. Doch spätestens nach dem Wechsel ins Präsidentenamt entwirft Putin seine Operation Schröder.

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) begrüßt im April 2004 in Hannover den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
picture alliance / Holger Hollemann/dpa Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) begrüßt im April 2004 in Hannover den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Bei Putins erstem Berlin-Besuch zeigte sich Schröder zurückhaltend

Es dauert allerdings bis Mitte Juni 2000, bis Putin zum Antrittsbesuch nach Berlin kommt. Die Voraussetzungen, den Kanzler im Handstreich für sich einzunehmen, sind für den russischen Präsidenten wegen des deutschen Nüchternheitsversprechens nicht allzu gut. Schröder und Putin loben denn auch nach ihrem ersten Zusammentreffen die Offenheit ihrer Gespräche, äußern sich aber mit gebremster Herzlichkeit und keinesfalls überschwänglich.

Der russische Präsident, der zu Hause gerade wegen der Verhaftung des kremlkritischen Medienunternehmers Wladimir Gussinski in der Kritik steht, demonstriert bei seinem Besuch in Berlin, wie er ein Publikum zu manipulieren versteht.

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Als er nach einer Rede im Haus der Wirtschaft gefragt wird, wie er zu Gussinskis Verhaftung stehe, sagt er, er könne dem russischen Generalstaatsanwalt doch keine Anweisungen geben. So gaukelt er dem Publikum vor, es gebe eine unabhängige Justiz in seinem Land.

Wie Putin die Operation Schröder startete

Im Jahr zuvor war allerdings der russische Generalstaatsanwalt Juri Skuratow entlassen worden, weil seine Ermittlungen in Kreml-Kreise geführt hatten. Zugleich doziert Putin über Gussinskis israelischen Pass, dessen Steuerwohnsitz in Gibraltar und dessen Schulden in dreistelliger Millionenhöhe, für deren Bedienung angeblich der Staatskonzern Gazprom aufkommen müsse. Das Geld solle Gazprom lieber woanders investieren, „zum Beispiel gemeinsam mit einem deutschen Unternehmen“.

Die deutsche Wirtschaft im Saal klatscht der Beschränkung der Pressefreiheit in Russland begeistert Beifall. Geschickt geht Putin auch mit dem Kanzler um. Als KGB-Agent hat er es gelernt, sich auf sein jeweiliges Gegenüber perfekt einzustellen, wofür er dessen Vorlieben und Schwächen zuvor genau studiert. Dieses Wissen wendet er nun in seiner Operation Schröder an.

Putin knüpfte an Gemeinsamkeiten mit Schröder an

Putin kann zunächst an die Gemeinsamkeiten zwischen Schröders und seiner eigenen Biografie anknüpfen. Sie stammen beide von ganz unten, aus armen und unterprivilegierten Familien, die vom Krieg geprägt sind. Wie für Schröder, den Fußballer, spielte für Putin, den Judokämpfer, der Sport eine große Rolle. Beide Männer studieren Jura. Das ist nur der allgemeine Hintergrund, vor dem sich die Operation Schröder abspielt. Im Konkreten kommt es auf die Kenntnis von Details an.

Mit Bier gewann er Schröder für sich

So weiß Putin, dass der Kanzler gern Bier trinkt. Selbst gibt sich der Präsident, der Alkohol nur in Maßen genießt, am ersten Abend seines Besuchs als großer Bierliebhaber aus, in einer mittelalterlichen Schänke der Spandauer Zitadelle leert er den dargereichten Riesenbierkrug und lässt sich mit einem Holzschwert zum „Ritter von Spandau“ schlagen.

Schröder serviert am folgenden Tag in der Kanzlervilla in der Pücklerstraße in Berlin-Grunewald Radeberger Pils, das Putin aus seiner Zeit in Dresden kennt. So werden erste Schritte einer persönlichen Annäherung bei diesem Gipfel des Kennenlernens gegangen, und Putin gelingt es, den Kanzler für sich zu erwärmen.

Schröders Besuch in Moskau entfachte Männerfreundschaft

Nicht zuletzt arbeitet der Russe daran, seine Operation erfolgreich fortzusetzen: Er schlägt vor, dass das Ehepaar Schröder ihn und seine Frau Ljudmila, die ihn in Berlin begleitet, ein halbes Jahr später zu Weihnachten in Moskau privat besuchen soll – und Schröder nimmt die Einladung gleich an. Die Schröders reisen also zum orthodoxen Weihnachtsfest am 6. und 7. Januar 2001 nach Moskau. Es ist ein Besuch, der eine Männerfreundschaft begründet, wie es sie in der Politik selten gegeben hat.

Auf heimischem Terrain bietet Putin alles auf, um das persönliche Band weiterzuknüpfen und Schröder zu beeindrucken. Ljudmila Putina holt die Schröders persönlich am Flughafen ab, am Heiligabend besuchen die beiden Ehepaare den Weihnachtsgottesdienst in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau.

Am Weihnachtstag selbst fahren die Putins und die Schröders in einem schneebedeckten Moskauer Park gemeinsam in einem Pferdeschlitten, gezogen von der traditionellen Troika, dem Gespann von drei Pferden. Sie besuchen das berühmte Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Possad, eines der Zentren der russisch-orthodoxen Kirche, wo Patriarch Alexij II. auf sie wartet, der sie schon am Vortag beim Weihnachtsgottesdienst begrüßt hatte.

Bei Fisch, Sauerkraut und Wodka ziehen sich die Gespräche bis in die Morgenstunden

Und Putin und Schröder gehen noch – Kohl her, Jelzin hin – in die Sauna. Die fängt plötzlich Feuer, beide müssen aus ihr fliehen, die Feuerwehr rückt schon an. Schröder soll aber, was seinen Gastgeber beeindruckt, noch zuvor sein Bier ausgetrunken haben. Putin will zu vielem die Meinung des acht Jahre älteren Kanzlers wissen, was Schröder wohl schmeichelt. Die Gespräche in Putins Landhaus dauern bei Fisch, Sauerkraut und Wodka bis in den frühen Morgen um vier oder fünf Uhr.

Die Ehepaare sprechen Deutsch, die anwesenden Dolmetscher haben nichts zu tun. In dieser Nacht sei etwas entstanden, das weit über das Politische hinausgehe, soll Schröder später gesagt haben. Putins Charmeoffensive zahlt sich unmittelbar politisch aus.

Freundschaft mit Schröder zahlt sich für Putin aus

Als er Gussinskis Konzern Media-Most, zu dem der kremlkritische Sender NTW und diverse Zeitschriften und Zeitungen gehören, zerschlägt, belässt es Schröder anlässlich des deutsch-russischen Gipfels im April 2001 bei allgemeinen Worten zur Bedeutung der Pressefreiheit. Auch die brutale Kriegsführung in Tschetschenien kritisiert er nicht. So wird es die nächsten Jahre bleiben.

Zwar äußert Außenminister Joschka Fischer von den Grünen immer mal wieder mahnende Worte zum Tschetschenienkrieg oder den Einschränkungen der Meinungsfreiheit, ihm schon früh in der kremlfreundlichen Presse den Ruf eines „Totengräbers der deutsch-russischen Beziehungen“ einbringt. Doch zu einem Streit in der rot-grünen Koalition führt das nicht. Fischer ist seiner Partei, die die Menschenrechtspolitik hochhält, solche Stellungnahmen schuldig. In Wirklichkeit interessiert sich der Außenminister aber nicht sehr für Russland, die Kontakte nach Moskau überlässt er weitgehend dem Kanzler.

Ein Jahr Putin-Herrschaft offenbarte seine politische Linie

Dabei lässt sich schon nach einem Jahr der Herrschaft Putins erkennen, dass im Kreml alles andere als ein Liberaler regiert. Putin intensiviert die Beziehungen mit den diktatorischen Regimen von Nordkorea, Kuba, dem Irak und Iran und fördert die russischen Waffenexporte in diese Staaten. Im Innern lässt er die sowjetische Hymne wieder einführen und gibt der Armee die rote Fahne als Ehrenstandarte zurück. Die Geheimdienste entdecken wieder Hunderte angebliche Spione, oft Wissenschaftler oder Umweltschützer, die angeblich das Land ausverkaufen. Die Internet-Provider müssen sich mit dem Inlandsgeheimdienst FSB vernetzen, sonst verlieren sie ihre Lizenz.

In den Schulen wird die patriotisch-militärische Erziehung verstärkt. Und am Gebäude des FSB am Moskauer Lubjanka-Platz lässt Putin eine Gedenktafel für Juri Andropow anbringen, den ehemaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei und langjährigen sowjetischen KGB -Chef, der gnadenlos sowjetische Dissidenten verfolgte. Zu Stalins Geburtstag erhebt Putin sein Glas und würdigt den Diktator mit einem Trinkspruch.

Dies ist ein Auszug aus: „Die Moskau-Connection: Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit“, von Reinhard Bingener und Markus Wehner, erschienen bei Beck.

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