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Kopf des Tages König George V.

„Ich bin vielleicht langweilig, aber verflucht noch mal kein Ausländer“

König George V. war der erste Monarch des Britischen Weltreiches seit 80 Jahren, der akzentfrei Englisch sprach. Doch seine Dynastie hieß immer noch „Saxe-Coburg and Gotha“. Bis zum 17. Juli 1917 – da nahm die Königsfamilie den Namen „Windsor“ an.
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'H. M. King George V', 1911, (c1920). Portrait of King George V (1865-1936), King of the United Kingdom and the British Dominions, and Emperor of India, in dress uniform. From "The Great World War - A History" Volume I, edited by Frank A Mumby. [The Gresham Publishing Company Ltd, London, c1920] Getty ImagesGetty Images 'H. M. King George V', 1911, (c1920). Portrait of King George V (1865-1936), King of the United Kingdom and the British Dominions, and Emperor of India, in dress uniform. From "The Great World War - A History" Volume I, edited by Frank A Mumby. [The Gresham Publishing Company Ltd, London, c1920] Getty ImagesGetty Images
17. Juli 1917: Großbritanniens Monarch George V. (1865 bis 1936) gibt seiner Dynastie den Namen Windsor
Quelle: Getty Images

Ein Missverständnis – oder vielleicht auch eine bewusst gestreute Fehlinterpretation. Jedenfalls hatten die deutschen Großbomber vom Typ Gotha G.IV nichts, rein gar nichts mit dem deutschen Hochadelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha zu tun; vielmehr baute die nach ihrem Standort benannte Gothaer Waggonfabrik AG diese großen zweimotorigen Maschinen.

Doch derlei Erklärungen verfingen im Sommer 1917 nicht mehr. Mehrfach attackierten Gotha G.IV London und andere Ziele in Südengland. Am 13. Juni 1917 waren beim ersten Tagesangriff auf London 162 Menschen getötet worden, darunter 18 Schulkinder; am 7. Juli folgte eine weitere Bombardierung, die 57 Menschen das Leben kostete.

Die deutschen Zeitungen feierten den Erfolg der Gotha-Bomber, zu denen das Royal Flying Corps, die britischen Luftstreitkräfte, nichts entfernt Vergleichbares im Einsatz hatte. Gerüchte darüber heizten die Stimmung beim Londoner Mob an, der natürlich antideutsch eingestellt war, zugleich aber antimonarchistisch – es kam zu schlimmen Übergriffen gegen Menschen mit deutschen oder auch nur deutsch klingenden Namen in den Großstädten wie zuletzt nach der Versenkung der RMS „Lusitania“ 1915.

World War One visit to France in 1917. by King George V and the Prince of Wales. later Edward VIII (1894 - 1972). King of the United Kingdom and the Dominions of the British Empire. and Emperor of India. from 20 January 1936 until his abdication on 11 December the same year. after which he became the Duke of Windsor. In 1936. a constitutional crisis in the British Empire arose when King-Emperor Edward VIII proposed to marry Wallis Simpson. an American socialite who was divorced from her first husband and was pursuing the divorce of her second. At Fort Belvedere. on 10 December. Edward signed his written abdication. (Photo by: Universal History Archive/Universal Images Group via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
König George V. und der Prince of Wales 1917 bei einem Frontbesuch in Frankreich
Quelle: Universal Images Group via Getty

Diesmal aber war der Druck, kurz vor dem Beginn des vierten Kriegsjahrs, so groß, dass der König reagieren musste. George V., seit 1910 auf dem Thron, wählte am 17. Juli 1917 die Radikallösung und benannte seine Familie nach dem traditionellen Landsitz der britischen Dynastie in Windsor um.

Dabei konnte am Britentum des Königs kein Zweifel bestehen. Gewiss, seine Großmutter, Queen Victoria, war als Tochter des Duke of Kent und seiner deutschen Frau 1817 in London geboren worden, aber sie hatte ihren deutschen Cousin Albert von Sachsen-Coburg und Gotha geheiratet. Der älteste Sohn aus dieser glücklichen Beziehung wurde 1901 bis 1910 als Edward VII. ihr Nachfolger auf dem britischen Thron. Für feine britische Ohren war der deutsche Unterton im Englisch beider Monarchen stets klar zu vernehmen.

George V., als Enkel Victorias 1865 geboren, erhielt zwar den Titel Duke of Kent, war aber eigentlich nicht als Thronfolger ausersehen – die Rolle sollte sein älterer Bruder Albert Victor übernehmen. Die beiden erhielten, da ihre Großmutter noch regierte und ihr Vater als Prince of Wales amtierte, ab 1877 eine gründliche Ausbildung als Seekadetten. Nach sechs Jahren setzte der Jüngere diese Ausbildung allein fort (sein Bruder ging an die University of Cambridge), absolvierte die Ausbildung am Royal Naval College und wurde Seeoffizier.

King George V And Kaiser Wilhelm Ii Discussing Operation Orders In Germany In 1913. George V, 1865 To 1936. King Of England And Emperor Of India. Wilhelm Ii, 1859 To 1941. German Emperor And King Of Prussia. From The Life Of King George V Published C. 193
Ein Foto, das viel Ärger machte: George V. 1913 auf Besuch in Deutschland neben seinem Cousin Wilhelm II. – mit einer Pickelhaube auf dem Kopf
Quelle: picture alliance / Design Pics

1889/90 kommandierte er ein Torpedoboot, anschließend das neue Kanonenboot HMS „Thrush“, ein 50 Meter langes hochseetaugliches Schiff, ehe er im Sommer 1891 das Kommando über den ebenfalls brandneuen, fast hundert Meter langen Panzerkreuzer HMS „Melampus“ erhielt.

Obwohl natürlich seine Herkunft und seine gesellschaftliche Stellung diese Karriere stark befördert hatten, war George ein richtiger Seeoffizier und Kapitän. Als sein Bruder Anfang 1892 an der Russischen Grippe starb, stieg er zum nächsten Thronfolger nach seinem Vater auf und beendete umgehend seine Marine-Karriere.

Anders als Großmutter und Vater hatte George kein Problem mit einem fremden Akzent im Englischen, sondern sprach im Gegenteil Deutsch und Französisch zumindest nach den Maßstäben von Queen Victoria nicht gut genug. Mit seinem Cousin Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, seit 1888 Kaiser Wilhelm II., verband George eine zeitweise angespannte Beziehung. Zwar besuchten sie einander, und 1913 (da saß George V. als Nachfolger seines Vaters Edward VII. bereits drei Jahre auf dem Thron) trug der Brite zu Ehren seines Gastgebers sogar eine Pickelhaube. Aber Freundschaft, gar Vertrautheit empfanden die beiden füreinander nicht.

The Prince of Wales and Prince Edward at the Royal Naval College, Osborne, Isle of Wight, 1908. The Prince of Wales (1865-1936, later King George V) with his son Prince Edward (1894-1972, later King Edward VIII). The Prince of Wales wears the uniform of a naval officer, and Edward is in cadet's uniform. He spent two years at the college. Artist Kirk & Sons of Cowes. (Photo by Kirk and Sons of Cowes/Heritage Images/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
George V., noch als Prince of Wales 1908, und sein ältester Sohn Edward
Quelle: Getty Images
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Das lag auch daran, dass George V. natürlich als britischer König seine Bezüge zu Deutschland so weit wie möglich in den Hintergrund drückte. Besonders nach dem Beginn des Krieges im August 1914, den das Deutsche Kaiserreich nach Nordostfrankreich und ins neutrale Belgien getragen hatte, wo der kaiserlichen Armee die British Expeditionary Forces entgegentraten.

George V., dessen Ehefrau die väterlicherseits ebenfalls aus Deutschland stammende, wiewohl in London geborene und aufgewachsene Maria von Teck war, sah sich im eigenen Land nun Vorwürfen ausgesetzt. Er stehe einem „ausländischen und langweiligen Hof“ vor und könne als „Fremder“ britische Interessen nicht angemessen vertreten. Darin verbanden sich antimonarchische und ultranationalistische, teilweise sogar rassistische Emotionen. George V. hielt dem wütend entgegen: „Ich bin vielleicht langweilig, aber verflucht noch mal kein Ausländer.“,

Nach den Bombenangriffen der Gotha-Maschinen genügte George der ständige latente Verweis auf seine deutsche Herkunft: Er entschied, den Namen seiner Familie zu wechseln. Am 17. Juli 1917 ging er in die Offensive und bestimmte in einer in der amtlichen „London Gazette“ veröffentlichten Proklamation: „Deshalb erklären und verkünden wir hiermit aufgrund unseres Königlichen Willens und unserer Autorität, dass Unser Haus und Unsere Familie ab dem Datum dieser Unserer Königlichen Proklamation als das Haus und die Familie von Windsor bezeichnet und bekannt sein werden.“

London Gazette 17th July
Die Ausgabe der amtlichen "London Gazette" vom 17. Juli 1917
Quelle: Public Domain

George blieb im Gegensatz zu seinem Cousin nach dem Krieg Ende 1918 noch 17 Jahre auf dem Thron – und er erwies sich als hervorragender konstitutioneller Monarch. Wiewohl natürlich jeder Form des Sozialismus abgeneigt, brachte er die Labour Party in die Regierung und vermied damit ein Anwachsen der antimonarchischen Stimmung. 1922 erreichte das British Empire seine größte Ausdehnung. Es erstreckte sich über 33,7 Millionen Quadratkilometer, was einem Viertel der Landfläche der Erde entspricht, und umfasste mit 460 Millionen Untertanen ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung.

Zum Ende seines Lebens aber sah er große Schwierigkeiten: Mit seinem ältesten Sohn Edward, der unbedingt mit einer geschiedenen Amerikanerin zusammenleben wollte, war er zerstritten; sein zweitältester Sohn Albert stotterte bei öffentlichen Auftritten. In Deutschland hatte 1933 mit Adolf Hitler ein noch weitaus gefährlicherer Mann als Wilhelm II. die Macht übernommen. Der schwer lungenkranke George V., der trotzdem bis an sein Lebensende Kettenraucher blieb, starb am 20. Januar 1936; sein Leibarzt hatte dem Wunsch des Königs entsprechend aktive Sterbehilfe geleistet.

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