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Geschichte Georg I.

Der britische König, der nicht Englisch sprach

Vor 300 Jahren wurde Kurfürst Georg von Hannover zum Herrscher von Großbritannien und dem British Empire proklamiert. Doch er fremdelte schwer: Das englische Idiom war ihm seltsam zuwider.
So wollte sich König Georg I. von Großbritannien selbst sehen: Das Porträt fertigte Sir Godfrey Kneller anläßlich der Krönung des Kurfürsten von Hannover So wollte sich König Georg I. von Großbritannien selbst sehen: Das Porträt fertigte Sir Godfrey Kneller anläßlich der Krönung des Kurfürsten von Hannover
So wollte sich König Georg I. von Großbritannien selbst sehen: Das Porträt fertigte Sir Godfrey Kneller anlässlich der Krönung des Kurfürsten von Hannover
Quelle: Wikimedia / Public Domain

Wenn heutzutage ein Deutscher nach England kommt, dann erwartet man von ihm wie selbstverständlich, dass er die Landessprache zumindest halbwegs beherrscht. Umso kurioser wirkt es, dass ein britischer Monarch vor genau 300 Jahren des Englischen nicht mächtig war oder sein wollte, sich stattdessen mit seinen Beratern oft auf Latein verständigte. Wie kam es dazu?

Im seit 1707 vereinigten Königreich Großbritannien regierte Königin Anna – eine tragische Erscheinung insoweit, als sie binnen 16 Jahren insgesamt 17 Kinder gebar, die aber alle früh starben. Die Frage der Thronfolge stellte sich immer dringender, je älter Anna wurde. Das englische Parlament legte schließlich im „Act of Settlement“ 1701 fest, dass die deutsche Prinzessin Sophie von der Pfalz und ihre Nachkommen den Königsthron erben sollten. Sie stammte mütterlicherseits von der Stuart-Dynastie ab, die bis 1688 in England und Schottland geherrscht hatte.

Sophie starb indes schon zwei Monate vor Anna im Juni 1714. Somit erlangte ihr Sohn Georg die Oberherrschaft über Großbritannien, den man am 12. August 1714 zum König proklamierte.

Ein jovialer Deutscher

Der 54-jährige Georg, seit 1698 Kurfürst von Hannover, erfuhr auf seiner Sommerfrische Schloss Herrenhausen von diesem Gang der Dinge. Er verließ daraufhin Hannover am 11. September 1714 und traf am 29. in seiner künftigen Residenz ein, dem Londoner Palast Saint James. Am 31. Oktober erfolgte die Krönung.

Den Engländern war dieser joviale Deutsche mit dem Doppelkinn nicht ganz geheuer. Man verübelte ihm zum Beispiel, dass er viele Verwaltungsfachleute aus Hannover mitbrachte. Sein persönlicher Freund, der Komponist Georg Friedrich Händel, durfte die Musik zur Krönungsfeierlichkeit in der Westminster-Abtei nicht aufführen und wurde sogar von dieser Zeremonie ausgeschlossen. Georg I. wusste sich zu revanchieren und verdoppelte Händels Gehalt, nachdem dieser 1717 die epochale „Wassermusik“ komponiert hatte.

Zwei hässliche Mätressen

Für Aufsehen sorgte Georgs quasifamiliärer Anhang. Der geschiedene Mann brachte „als Mätressen zwei der hässlichsten Frauen mit, die seine Untertanen je gesehen hatten“, schreibt Eleanor Herman in ihrem Buch „Sex with Kings“ (2004). Melusine von der Schulenburg war wenig geistreich und dermaßen dürr, dass man sie im Volk „maukin“ („Vogelscheuche“) schimpfte.

Die andere, Sophie von Kielmansegg, präsentierte sich als das Gegenteil. Man nannte sie „Elefant“, und der Politiker Horace Walpole notierte, sie besäße „einen Hektar hellrot bestrichene Wangen, ein Meer von Hals, nicht unterscheidbar von den unteren Regionen ihres Körpers“. Beide Damen, meinte der boshafte Lord Chesterfield, seien „erstaunliche Beweise für den schlechten Geschmack und den robusten Magen des Königs“.

Der neue Monarch war polyglott: Er beherrschte neben seiner Muttersprache auch Italienisch, Französisch, Latein und Holländisch. Das englische Idiom jedoch war ihm seltsam zuwider. Da seine einheimischen Ratgeber sich ebenso stur zeigten, was das Deutsche betraf, so verkehrte der König mit ihnen häufig auf Latein.

Ein deutscher Patriot

Georg I. erwies sich überhaupt als eine Art deutscher Patriot. Neben der politisch bedeutenderen Königswürde vergaß er die Belange seiner Untertanen in Hannover, Lüneburg und Celle keineswegs. In seinen kanpp 13 Jahren als König hielt er sich sechsmal in Niedersachsen auf, um dort zu agieren und seiner Lieblingspassion, der Jagd, zu frönen – zu einer Zeit, als solche Reisen noch durchaus beschwerlich und langwierig waren.

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In London errichtete Georg eine Deutsche Kanzlei, die zunächst von Andreas Gottlieb von Bernstorff, ab 1720 von Hans Caspar von Bothmer geleitet wurde. Der übrigens seinen Dienstsitz 1720 vom Saint-James-Palast in die 10 Downing Street verlegte – bis heute offizielles Domizil aller britischen Premierminister. Die bis 1837 existierende Kanzlei sollte das effiziente Regieren im Kurfürstentum Hannover von London aus ermöglichen.

Innenpolitisch errang der Monarch aus Deutschland Erfolge, indem er zwei Aufstände der Schotten erfolgreich niederwerfen konnte. Unter seiner Ägide begann der systematische Aufbau der britischen Kriegsflotte sowie die Vergrößerung des überseeischen Kolonialreiches. Auch das für zwei Jahrhunderte die Politik prägende Zweiparteiensystem (Tories und Whigs) bildete sich in jenen Jahren heraus.

Georg I. starb am 22. Juni 1727 beim Besuch in seiner Heimat nahe Osnabrück. Als einziger englischer Monarch wurde er nicht auf der Insel beigesetzt. Politisch bewies Georg von Hannover in vielen Fällen ein glückliches Händchen, und am Ende schlossen auch seine neuen Untertanen ihren Frieden mit „Lucky George“.

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