Gen Z: Für ein Ende der Fremdzuschreibungen

Gen Z: Für ein Ende der Fremdzuschreibungen

von Laura Klemm
Lesezeit: 4 min
Generation Greta, Generation Beziehungsunfähig oder „einfach nur lost“? Im aktuellen Diskurs ist die Gen Z kaum mehr als Clickbait.

Generation Y, Generation Z, Generation (es geht wieder von vorne los) Alpha: Dass selbsternannte Expert:innen ganzen Bevölkerungsgruppen gerne große Stempel aufdrücken, ist keine Neuheit. Schon die Generation Y („Millennials“) konnte sich vor Fremdzuschreibungen kaum retten. Als prägende Ereignisse in ihrer Jugend nannte man 9/11, die Bologna-Reform oder die Finanzkrise.

Auch die Gen Z erlebt als gehyptes Schlagwort eine Flutwelle an Aufmerksamkeit von Presse, Politik und (Pseudo-)Forschung: Die Gen Z „überschätzt sich im Job“, erträumt sich ein „hohes Gehalt“, „verlässt sich lieber auf das Erben“ (Der Standard, September und Oktober 2023), sieht „nur ihr eigenes Ego“ (SZ, Februar 2024) oder ist „einfach nur lost“ (Der Spiegel, Oktober 2023). Häufig fallen im Zusammenhang Wörter wie „Fachkräftemangel“, „4-Tage-Woche“ oder – besonders nett – „faul“. Die Generation Z scheint also besonders im Arbeitskontext äußerst interessant zu sein. Ansonsten wird sie mit Vorliebe als „sicherheitsbewusst“, „autonom“, „sensibel“, „beziehungsunfähig“ oder „individualistisch“ beschrieben.

Foto: Prateek Katyal auf Unsplash

Mit dem Schein-Segen der Wissenschaft

Soziolog:innen sehen diese Zuschreibungen kritisch. Sie bemängeln schwammige Definitionen und Willkür bei der Zuordnung bestimmter Jahrgänge zu bestimmten Generationen. Für die Generation Z werden beispielsweise je nach Quelle unterschiedliche Geburtenjahre genannt. Das Pew Research Center spricht von den Geburtenjahren 1997–2012, andere Quellen geben die Jahrgänge 1995–2005 an, einen allgemeinen Konsens gibt es nicht. Der Blick auf die – um es einmal einfacher zu fassen – um die Jahrtausendwende Geborenen ist außerdem vor allem eines: verallgemeinernd. Dass Generationen keine homogenen Gruppen sind, wird dabei gerne vergessen. Auch sind die Erfahrungen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Alltag der meisten Meschen bestimmt haben, nicht exklusiv für eine Generation. Nicht nur Jugendliche und junge Erwachsene sehen und sahen sich mit neuen, digitalen Medien, dem Klimawandel oder der Covid-Pandemie konfrontiert. Entscheidend ist nur, dass die Gen Z diese Ereignisse in ihrer Jugend erlebte – und sie daher als besonders prägend wahrnahm.

Wenig repräsentativ sind daher die zahlreichen Darstellungen der Gen Z in der Presse und auf dem Buchmarkt. Schon über die Millennials wurden Bücher veröffentlicht und Schmähschriften verfasst, und auch damals stammten diese selten aus der Feder der Millennials selbst. Wie zur Zeit der Millennial-Debatte zeichnen sich die endlosen Berichte über die scheinbar mega-alternative Generation Z heute durch „knackige” Thesen aus, die in schön zitierbare Zeilen gequetscht und schließlich mit schicken Fußnoten untermauert werden.

Existenz- und Klimaangst im Trend

Foto: Ehimetalor Akhere Unuabona auf Unsplash

Ein Buch über die Gen Z beigesteuert hat auch die Journalistin, Autorin und Influencerin Valentina Vapaux. In ihrer Essay-Sammlung „Generation Z. Zwischen Selbstverwirklichung, Insta-Einsamkeit und der Hoffnung auf eine bessere Welt“ schreibt Vapaux über das Internet, Sex, Politik und Drogen. Sie erhebt dabei nicht den Anspruch, eine gesamte Generation verstanden zu haben, sondern schreibt aus ihrer eigenen Erfahrung heraus. Erkenntnisse aus der Wissenschaft zitiert sie dennoch, weswegen sich auch ihr Beitrag stellenweise zumindest wie der Versuch einer Analyse liest. Vapaux nennt dabei Begrifflichkeiten, mit denen wohl viele junge Erwachsene etwas verbinden würden: Existenzangst, das Gefühl des Verlusts der Kontrolle über das eigene Leben, Pessimismus in Bezug auf den Klimawandel, eine zunehmende Politisierung, ob mit kosmopolitischer oder (national-)populistischer Tendenz, oder die Bereitschaft, therapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Einzigartig ist Vapaux‘ Essay-Sammlung jedoch besonders aus dem Blickwinkel, dass die Autorin 2001 geboren und damit entsprechend der meisten Angaben tatsächlich Teil der Gen Z ist. Aus diesem Grund ist ihr Beitrag zur Gen Z einer der wenigen, der ohne Fremdzuschreibungen auskommt. Genau dieser Punkt ist zentral. Denn egal wie repräsentativ das Generationenkonzept „Gen Z“ ist, egal ob die Gen Z hoffnungsloser oder glücklicher oder verkorkster ist als Millennials, Alphas oder gar Boomer – die Schlagzeilen und Urteile sind selten Stimmen aus den eigenen Reihen. Im Endeffekt sind es also Fremdzuschreibungen, die ein Bild dieser Generation zeichnen. In den seltensten Fällen sind sie schmeichelhaft.

Nicht aus Eitelkeit

Nun ist es wenig produktiv, sich von Schlagzeilen kränken zu lassen. Dabei wird jedoch vergessen: Diese Fremdzuschreibungen grenzen ein. Menschen in Führungspositionen treffen und verbreiten Aussagen über Konsumverhalten, Art der Politisierung, Lebensweise und Arbeitsmoral der Gen Z. Im Umkehrschluss definieren Menschen in Führungspositionen und die Empfänger:innen dieser Botschaften also auch, wie die Gen Z konsumiert, wählt, lebt, liebt und arbeitet, welche Produkte Teil ihrer vorsichtig kuratierten Identität werden, welche Politiker:innen welche Entscheidungen treffen, welche Lebens- und Liebesformen akzeptiert werden, womit junge Erwachsene jetzt und in Zukunft ihren Lebensunterhalt verdienen.

Beim Scrollen durch Pressebeiträge fällt mir wenig später eine weitere Schlagzeile ins Auge. „Eigentlich ist die Generation Z doch gar nicht so anders“, titelte die SZ noch im November. Doch auch diese Aussage scheint der Debatte nicht gerecht zu werden.

 

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