Von 1940 bis zur Befreiung am 27. Jänner 1945 wurden im Lager Auschwitz und in seinen Nebenlagern mehr als eine Million Menschen ermordet. Unter ihnen waren zumindest zwei ehemalige österreichische Teamfußballer.

Foto: imago/sepp spiegl

Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) lässt ein Zeichen der Erinnerung für seine in der Shoah ermordeten Spieler vermissen. Auf Anfrage des STANDARD gab es ein Statement: "Es ist dem ÖFB ein großes Anliegen, diesen dunklen Teil der Geschichte aufzuarbeiten und die Opfer – wie die ÖFB-Nationalteamspieler – gebührend zu würdigen. Um diesen Prozess einzuleiten und um gemeinsame bewusstseinsbildende Projekte durchzuführen, befindet man sich seit 2021 mit der Israelitischen Kultusgemeindein intensivem Austausch."

Unabhängig davon können bereits sieben ehemalige Teamspieler namhaft gemacht werden, die in der Shoah umgekommen sind:

  • Otto Fischer (1901–1941)

Am 1. Jänner 1901 wurde Otto Fischer in eine jüdische Favoritner Familie geboren. Ob ihn der zwei Jahre jüngere Matthias Sindelar schon "Schloime" rief, als sie gemeinsam im Nachwuchs der Hertha stürmten, wer weiß. Jedenfalls müssen die beiden Schlosserlehrlinge dem Anhang der Blau-Weißen um 1920 Anlass zu den schönsten Hoffnungen gegeben haben, als "der Papierene" im Zentrum die hohe Kunst des Mittelstürmer-Spiels perfektionierte und "Schloime" auf dem linken Flügel den Trickreichtum eines Garrincha vorwegnahm.

Fischer hielt es nicht lange bei der armen Hertha, er verabschiedete sich des "Knödel" wegen nach Karlsbad. Als Matchbesucher und Medien begannen, ihn wegen seiner die Gegner narrenden Stop-and-Go-Bewegungen, die sie so nur aus den Stummfilm-Kinos kannten, den "Charlie Chaplin des Fußballs" zu nennen, trug er längst das Blau-Gelb der Vienna und bald auch den Dress mit dem Adler auf der Brust. Es wären wohl mehr als sieben Länderspiele geworden, hätte er sich 1928, da war er schon Hakoah-Spieler, nicht eine schwere Knieverletzung zugezogen, die ihn zu einem verfrühten Karriereende zwang.

Otto Fischer, in Wien als der "Charlie Chaplin des Fußballs" bekannt, erwarb sich als Trainer in Lettland hohes Ansehen. In Liepaja, wo er ermordet wurde, ist er bis heute unvergessen.
Foto: Liepaja Jewish Heritage Foundation

Also Trainerlaufbahn. Darüber, dass er nach Sabac, Saaz und Zagreb 1936 in Liepaja (Libau) landete und der dortigen Olimpija mit großem Erfolg das "Ballschleudern" (@ Fischer) beibrachte, berichteten die Wiener Sportseiten noch. Dass er dort 1941 den Massakern der Deutschen an der jüdischen Bevölkerung zum Opfer fiel, sickerte erst Jahrzehnte später nach Österreich.

Details erfuhr der britische Autor Vincent Hunt bei Recherchen für sein 2017 erschienenes Buch "Blood in the Forest". Otto Fishers (so die lettische Schreibweise) war in Erzählungen lebendig geblieben. Als in der ganzen Stadt verehrter Erfolgstrainer, der aus der Olimpija eine Art "Wunderteam des Baltikums" geformt und mit ihr drei Mal hintereinander die Meisterschaft gewonnen hat. Er hatte eine Lettin geheiratet, war einer von ihnen geworden.

Als Ende Juni 1941 die Deutschen kamen und wenige Tage darauf mit Massenerschießungen der rund 7.000 ansässigen Juden begannen, schrieb die Mannschaft Bittbriefe, dass er verschont bleiben möge. Torhüter Harijs Lazdins intervenierte mehrmals persönlich. Umsonst. An einem der Juli-Tage wurde Otto Fischer in den Dünen Liepajas von den Nazis erschossen. Seine Frau Anna überlebte ihn nur wenige Monate, ihr Name taucht in der Liste der Opfer des Massakers von Skede auf.

  • Heinrich Oppenheim (1889–1942)

Nach Karlsbad war Otto Fischer 1921 vom ehemaligen Vienna-Spieler Heinrich "Harry" Oppenheim gelotst worden. Der Ex-Nationalspieler war als "Kaperkönig" berüchtigt, weil er – was damals noch verpönt war – viele Wiener Spieler zu seinen zahlreichen Trainerstationen lockte, die ihn u. a. zum AC Milan, später nach Deutschland, Warschau und Prag führten. Anfang der 1930er-Jahre verliert sich seine Spur, 1936 vermeldeten die Wiener Blätter noch seine Hochzeit. 1942 ist er in einem polnischen Konzentrationslager umgekommen

  • Kornel Hoffmann (1881–1942)

Längst vergessen war der Nationalspieler Kornel (von) Hoffmann, als ihn der Mönichkirchner Germanist Anton Eder für ein Buch über das jüdische Leben in der Buckligen Welt "wiederentdeckte – und damit sogar ein Politikum auslöste. Der Allroundsportler des WAC, der es auch als Leichtathlet, Eisläufer, Skifahrer und sogar Skispringer zu Ansehen gebracht hatte, war in der Wiener Fußballgemeinde aufgrund seines gar ungestümen Auftretens als "Narrio" verschrien. Nachdem er dem Sporthaus Stone & Blyth einige Zeit als Leiter der Fußballabteilung gedient hatte, arbeitete der gebürtige Ungar im Bankhaus seines Onkels Dr. Ludwig Blauhorn. 1922 verlor er seine Stellung und verschrieb sich wieder dem Sport. In Mönichkirchen kaufte er die "Janisch-Hütte" und erteilte fortan – als wahrscheinlich erster staatlich geprüfter Skilehrer am "kleinen Semmering" – der Wiener Gesellschaft Ski-Unterricht. Bis er 1938 als "Jude unerwünscht" sein Gästehaus "verkaufen" musste.

Kornel Hoffmann, Allroundsportler des WAC, vor dem Hotel Windbichler in Mönichkirchen – heute Hotel Hochwechsel / Kirchenwirt.
Foto: Fotosammlung Josef Kager

Am 31. August 1942 wurde er als einer von 967 Wiener Juden nach Minsk und weiter nach Maly Trostinec deportiert, wo er, kaum angekommen, am 4. September ermordet wurde. Nach jahrelangem (auch medial begleiteten) Hin und Her im Gemeinderat soll in den nächsten Tagen der Beschluss zu einer Gedenkstätte in Mönichkirchen gefasst werden, mit der auch Kornel Hoffmann gedacht wird.

  • Emil Isidor Weinberg (1881–1942)

In Maly Trostinec, dem Vernichtungsort von mehr als 10.000 österreichische Jüdinnen und Juden, endete bereits im Juni 1942 auch das Leben von Emil Isidor Weinberg, dem ehemaligen Vienna- und WAF-Torhüter, der 1910 ein Länderspiel für Österreich bestritt. Seine wahre Identität konnte erst in jüngster Vergangenheit geklärt werden, in der Nationalspieler-Datenbank des ÖFB heißt er immer noch fälschlich Johann Weinberg.

  • Friedrich Hirschl (1888 – ca. 1941)

Der Trauzeuge von Hugo Meisl spielte mit dem späteren "Wunderteam-Chef" bei den Cricketern und erlangte 1908 durch Österreichs einziges Tor beim 1:11 gegen Lehrmeister England Berühmtheit. Bis in die 1930er-Jahre Funktionär der Wiener Austria, wurde er wie der Austria-Manager Robert Lang (1941) und später sein Bruder Heinrich und dessen Frau (1943) in Jugoslawien von den Nazis erschossen.

  • Max Scheuer (1895–1942)
  • Alfred Dünmann (1884–1942)

Vielleicht sind sie sich noch einmal begegnet. Wie damals, Anfang der 1920er-Jahre, als Max Scheuer, der untadelige Kapitän, ja die Seele der zionistischen Hakoah, nach zehn Jahren Liga-Fußball doch erstmals vor den Struma (Straf- und Meldeausschuss) erscheinen musste. Schiedsrichter und Gegner fanden über den Beschuldigten freilich so viele lobende Worte, dass "Fritz" Dünmann und seinen Richter-Kollegen gar keine andere Wahl blieb, als den guten "Maxl" mit einer Rüge wieder heimzuschicken.

Bis 1933 spielte Max Scheuer noch für die Hakoah, deren Aufstieg aus der vierten Liga er seit 1912 mitgemacht hat. Bis dahin sollte der aufopfernde Verteidiger noch seinen einzigen Länderspieleinsatz, den sensationellen 5:0-Sieg gegen West Ham in London feiern, den ersten Profi-Meistertitel 1925 und die triumphale USA-Reise, von der er als einer der wenigen Stammspieler selbstverständlich wieder zurückkehrte.

Nach der Spielerkarriere stemmte sich die Hakoah-Legende als Funktionär gegen den Niedergang des Klubs und war noch wenige Tage vor dessen Auslöschung nach dem Einmarsch Hitlers ein letztes Mal als Sektionsleiter bestätigt worden. "Arische" Freunde verhalfen ihm zur Flucht nach Marseille, wo schon seine ehemaligen Klubkollegen Eisenhoffer und Donnenfeld (bei Olympique) auf ihn warteten.

Über Kontakte eines anderen Ex-Hakoahners in Diensten Marseilles, Edmund Weißkopf (auch Virag), sollte er nach einiger Zeit weiter in die neutrale Schweiz. Der gute "Maxl" wollte nicht ohne einen guten Freund aus gemeinsamen Hakoah-Tagen. Zum vereinbarten Treffpunkt erschien aber nicht nur der Freund, sondern eine ganze Gruppe von Flüchtlingen. Die insgesamt 14 Leute fielen auf und wurden aufgegriffen.

Max Scheuer (links) mit Arthur Baar, dem Leiter der Fußballsektion der Hakoah. Scheuer hatte den Aufstieg des Klubs aus der vierten Liga seit 1912 begleitet und stemmte sich danach gegen den Niedergang.
Foto: Pierre Gildesgame Maccabi Sports Museum

Zu diesem Zeitpunkt hatte auch Fritz Dünmann bereits einiges hinter sich. Der Sohn des Oberkantors des Schmalzhof-Tempels in Mariahilf, der einst bei Rapid einen schneidigen Stürmer abgab und drei Mal zu Teamehren gekommen war, war bei den Novemberpogromen 1938 verhaftet und einige Monate in Dachau inhaftiert worden. Im Juli 1939 des Landes verwiesen, kam er über Italien nach Nizza, wo er, wie schon in Wien, in einer Papierfabrik arbeitete.

Bis er Ende 1941 selbst im unbesetzten Südfrankreich nicht mehr sicher war. Inhaftiert von den französischen Behörden landete er in den Lagern Gurs und Rivesaltes. Und dann kreuzten sich die Wege von Fritz Dünmann und Max Scheuer vielleicht noch einmal. Unter den Tausenden Insassen in den Wohntürmen des Durchgangslagers Drancy, ein paar Kilometer außerhalb von Paris.

Nachweisbar ist, dass sie am 4. November 1942 im selben Transport, dem "Konvoi 40", mit 998 Mithäftlingen nach Auschwitz deportiert wurden. 639 von ihnen wurden dort sofort nach der Ankunft in die Gaskammern geschickt, von den 361, die ausgewählt waren, um Arbeit im KZ zu verrichten, waren bei der Befreiung des Lagers am 27. Jänner 1945 noch vier am Leben. Scheuer und Dünmann gehörten nicht dazu.

Seit 2021 erinnert Rapid mit einem "Stein der Erinnerung" vor Dünmanns letzter Wohnadresse in der Feldkellergasse 38 an seinen ehemaligen Spieler. (Horst Hötsch, 27.1.2023)