Günters Frau - WELT
Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. DIE WELT
  3. Günters Frau

DIE WELT

Günters Frau

Tod durch Herzversagen: Christel Boom war die Agentin an Günter Guillaumes Seite

Etwa 15 Minuten Ruhm werden jedem in seinem Leben zu teil, sagt ein geflügeltes Wort von Andy Warhol. Legt man dieses Maß an, so kommt Christel Boom dabei noch recht gut weg: Bei ihr sind es sogar 45 Minuten in einem Dokumentarfilm von 1990, die einzigen 45 Minuten, in denen sie aus dem Schatten ihres Mannes heraustrat. Ein zweifelhafter Ruhm - und ein zweifelhafter Schatten. Christel Boom ist die Ex-Frau des verstorbenen Kanzleramtsspions Günter Guillaume, über den Willy Brandt stürzte. Sie war aber auch selber eine erfolgreiche Agentin der Stasi.

Mitte der 50er Jahre kamen sie und ihr Mann nach Berlin. Beide arbeiteten im Auftrag der Stasi für die SPD. Als Tarnung betrieben sie einen Kaffee- und Tabakladen in Frankfurt/M.: "Boom am Dom". Christel Boom, die damals noch Guillaume hieß, war in ihrer Agententätigkeit zunächst um einiges erfolgreicher als ihr Mann, der bis 1968 nicht über den SPD-Unterbezirk Frankfurt hinauskam. Sie lieferte der Stasi Strategiepapiere und geheime Nato-Dokumente, an die sie als Büroleiterin von Willi Birkelbach gelangte, einem einflussreichen Politiker der hessischen SPD, der dem Parteivorstand angehörte, in Ausschüssen des Bundestages saß und Staatssekretär der Landesregierung war. Auch ihre Aussichten waren gut: Christel Guillaume stand kurz vor der Berufung auf die Hardthöhe, in das Sekretariat von Verteidigungsminister Leber. Doch soweit kam es nicht. Am 24. April 1974 wurden Günter und Christel Guillaume in Bonn verhaftet. Günter Guillaume, der es mittlerweile zum persönlichen Referenten von Willy Brandt gebracht hatte, war als Spion enttarnt worden. 1974 bis 1981 verbüßten die beiden eine Gefängnisstrafe in Köln. Nach der Auslösung aus der westdeutschen Haft ließen sie sich scheiden, waren aber beide in der DDR wieder für das MfS tätig.

Christa Boom entsprach vollkommen dem Frauenbild der 60er Jahre: als Stütze ihres Mannes zurückhaltend, aber stets an seiner Seite. Für die Stasi blieb sie immer "Günters Frau": Man setzte ihn sogar als ihren Führungsoffizier ein. Doch war sie eben auch selber eine ehrgeizige Agentin, zuletzt im Rang eines Oberstleutnants. Nach Sohn Pierre Boom - der die DDR nur verlassen durfte, nachdem er den Mädchennamen seiner Mutter angenommen hatte - wurde die Ehe seiner Eltern schon in den 60er Jahren nur noch durch den gemeinsamen Auftrag zusammengehalten. Nach der Scheidung blieb Christel Boom bis zum Ende ihres Lebens allein. "Verpfuscht", nennt sie es. Was trieb sie an? War es Verliebtheit in ihren Mann? Treue zum Sozialismus? "Sie ist sehr hart mit allem ins Gericht gegangen, sagt, dass Günter unser Leben zerstört hat", so Pierre Boom.

Nach der Scheidung lebte Christel Boom zurückgezogen in Berlin. Schlagzeilen machte sie nur noch ein einziges Mal: Im Februar 2001 verlor sie in zweiter Instanz einen Gerichtsstreit um ihre Rente. Sie hatte versucht, sich die sieben Jahre im Kölner Gefängnis anrechnen zu lassen. Schließlich sei sie weiterhin von der Stasi bezahlt worden, und diese habe Beiträge für ihre Alterssicherung gezahlt.

Christel Boom, geboren 1928, starb am 20. März an Herzversagen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant