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Geschichte Friedrich Wilhelm I.

Der Soldatenkönig prügelte seine Beamten zur Arbeit

Reaktionär oder Revolutionär? Kaum ein Preußen-Herrscher provoziert ein gespalteneres Urteil als Friedrich Wilhelm I. Vor 300 Jahren bestieg er den Thron und legte die Fundamente einer Großmacht.

Er war „ein Repräsentant der reaktionären Klassenlinie in der deutschen Geschichte“, und „er hat persönlich dazu beigetragen, dass Brandenburg-Preußen die verderblichste Rolle unter den deutschen Territorialstaaten spielte“. So lautete das Verdikt des DDR-Historikers Heinz Kathe 1978.

Er war „erster Beschützer und Beförderer der Menschenrechte im 18. Jahrhundert“, und er „machte Preußen zum fortschrittlichsten Staat Europas“, so der bundesdeutsche Publizist Wolfgang Venohr 1988.

Wohl selten sind einer Persönlichkeit so widerstreitende Urteile zuteilgeworden wie dem „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der vor 300 Jahren, am 25. Februar 1713, den Thron des noch jungen Königreiches bestieg. Hinfort betrachtete er sich als „Finanzmann und Feldmarschall“ des Landes. Letzteres erstreckte sich über mehr als 1000 Kilometer vom linksrheinischen Kleve bis in die litauische Nachbarstadt Memel. Dieses eher unorganische, zufällig zusammengewürfelte Gebilde verlangte mehr als andere nach „Arrondierung“, um lebensfähig zu sein, und das wiederum zwang zur äußersten Straffung aller Kräfte.

Friedrich Wilhelm I. opferte bewusst höfischen Glanz für Macht, für das „Reelle“, wie er immer wieder sagte. Binnen weniger Jahre machte er durch gezielte staatliche Förderung aus dem unterentwickelten Einfuhrland Preußen einen Exportstaat. Einerseits gab es kaum ein Land mit derart hohen Steuern, anderseits wurde nirgends so viel vom Staat finanziert und subventioniert. Es gibt Historiker, die deshalb in Friedrich Wilhelm I. einen frühen Sozialisten sehen. Wolfgang Venohr nannte ihn sogar „Revolutionär auf dem Thron“.

Er bezahlte Einwanderer aus Salzburg

Das Land benötigte gebildete Menschen, also dekretierte der König schon im Oktober 1717 die allgemeine Schulpflicht, die sich vom fünften bis zum zwölften Lebensjahr erstreckte – einmalig im zeitgenössischen Europa, auch wenn manches preußische Dorf überhaupt keine Schule besaß. Und das Land brauchte Einwanderer. 1732 gewährte der König in einem Patent 25.000 Salzburger Protestanten, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, Aufnahme in Ostpreußen. Er bezahlte die Reisekosten und überließ ihnen Vieh, Saatgut und Gerätschaften. Die Österreicher aus dem Gebirge leisteten Hervorragendes in einem Land, das vor allem aus Urwald und Sümpfen bestand.

Man sollte sich aber preußische Einwanderungspolitik nicht so vorstellen, dass jedermann ohne Einschränkung Asyl im Land gewährt wurde. Der Staat benötigte ja nicht Menschen schlechthin, sondern Arbeitskräfte und Produzenten. Gesellschaftliche Randgruppen waren durchaus unerwünscht. In Preußen galten zahlreiche Verordnungen, wonach Arme, Bettler, Landstreicher „und anderes unnützes Gesinde“ abzuweisen seien. Friedrich Wilhelm befahl 1725 sogar, dass alle an der Grenze aufgegriffenen „Zigeuner ohne Gnade mit dem Galgen bestraft“ werden sollten.

Zu Preußens Wirtschaftswunder gehörte ab 1713 eine rege Bautätigkeit. Außer einigen Adelspalästen in der neu angelegten Berliner Friedrichstadt entstanden im Land fast nur Profangebäude: Bürgerhäuser und Schulen, Kasernen und Festungswerke, Hospitäler und Armenhäuser. All dies ohne großen Pomp oder Schmuck, schlicht und sparsam wie der Monarch selber.

Ohne Aufwand gestaltete sich auch die königliche Tafel. Sehr zum Verdruss seiner vornehmen Gemahlin Sophie Dorothea und des Hofgefolges griff Friedrich Wilhelm meist zu „bäurischen“ Speisen wie Erbsen mit Speck, Spiegeleiern oder Weißkohl mit Rindfleisch und Innereien.

Er verdoppelte die Armee

Des Königs liebstes Kind war das Militär. Er trug als erster Monarch seiner Epoche ständig Uniform und erklärte häufig, es wäre ihm „ein rechtes Vergnügen, wenn es den Truppen wohl geht“. Er vergrößerte die Armee von 40.000 auf 81.000 Mann. Dieser „Militarismus“, der dem König oft verübelt wird, hatte immerhin zur Folge, dass keine ausländische Macht es mehr wagte, Preußen anzugreifen und als wehrlose Beute zu behandeln, wie es im Dreißigjährigen Krieg jahrelang der Fall war.

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Friedrich Wilhelm brauchte seine Armee nur ein einziges Mal in Marsch zu setzen (bei der Eroberung von Stralsund 1715), ansonsten reichte sie völlig aus, um potenzielle Feinde abzuschrecken. „Ich will wohl ruhig sitzen, wenn sie mich in Frieden lassen, aber wer mich beißt, den beiße ich wieder“, bemerkte er dazu.

Der Soldatenberuf, in fast allen anderen Ländern ein verrufener und verachteter Stand, gelangte in Preußen zu hohen Ehren. Wer „des Königs Rock“ trug, durfte sich allgemeiner Anerkennung sicher sein. 1717 gründete er eine Kadettenanstalt, um über die Ausbildung des Offiziersnachwuchses den einheimischen Adel an Armee, Monarch und vor allem an den Staat zu binden. Es gelang ihm, das ständische Freiheitsethos der Aristokratie umzuwandeln in ein gesamtstaatlich orientiertes Dienst- und Pflichtethos.

Dabei dachte Friedrich Wilhelm erstaunlich gesamtdeutsch. 1727 äußerte er: „Kein Engländer oder Franzose soll über uns Deutsche gebieten. Ich will meinen Kindern Pistolen und Degen in die Wiege geben, daß sie die fremden Nationen helfen aus Deutschland abzuhalten.“ Sein liebster Trinkspruch lautete: „Auf Germania deutscher Nation! Ein Hundsfott, der’s nicht von Herzen meint.“

Er verlangte Ordnung und Pünktlichkeit

Schon als junger Mann entwickelte der Soldatenkönig einen fulminanten Arbeitsstil, der auf eigene wie auf fremde Gesundheit keinerlei Rücksicht nahm. Alles musste bei ihm „cito, citissime!“ (schnell, am schnellsten) geschehen. Vom Charakter her war er eher ein Biedermann, den allerdings der Staatsdienst häufig zum Wüterich machte. Der umtriebige Fürst drohte widerwilligen Beamten: „Sie sollen nach meiner Pfeife tanzen, oder der Teufel hole mich. Ich lasse hängen und braten wie der Zar und traktiere sie wie Rebellen.“

Das zeitigte durchaus Wirkung. Ordnungsliebe, Organisationsgabe, Pünktlichkeit und Gründlichkeit wurden zum obersten Gebot in Preußen. Der König lebte diese Tugenden ständig vor. Sein Arbeitstag betrug selten weniger als zehn Stunden.

Sein Eheleben war makellos in einer Zeit, als Mätressenwirtschaft und sexuelle Liederlichkeit zum guten Ton gehörten. Doch wehe, wenn Friedrich Wilhelm Widersetzlichkeit bemerkte oder auch nur argwöhnte. Dann verwandelte sich sein Krückstock (er litt schon früh an der Gicht) jäh in ein Prügelinstrument, das weder Minister noch die eigenen Kinder verschonte.

Seinem Sohn und Thronerben Friedrich, den man schon zu Lebzeiten „den Großen“ nannte, hinterließ er ein zwölf Punkte umfassendes politisches Testament. Darin ermahnt er ihn unter anderem, „selbst ein gottseliges reines Leben zu führen und seinem Land und seiner Armee mit gutem Exempel voranzugehen, nicht mit Saufen und Fressen, wovon ein unzüchtiges Leben kommt“. Besonders charakteristisch für den Soldatenkönig war sein Ratschlag unter Punkt vier: „Denn ein König, der mit Ehre in dieser Welt regieren will, muss seine Angelegenheiten alle selber verrichten.“

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