Mit Alkohol geht Vieles besser. Auch eine Scheidung? Senta Berger & Henry H�bchen d�rfen in „Frauen verstehen“ dem Affen so richtig sch�n Zucker geben. In der zentralen Szene des Films von J�rg Gr�nler nach dem ebenso lebensklugen wie vorz�glich gebauten Drehbuch von Maria Solrun und Martina Mouchot bes�uft sich das Paar fast bis zur Besinnungslosigkeit und verzichtet auf falsche Romantik. H�bchen gibt die coole Sau, der man sogar den Frauenversteher abnimmt. Auch Senta Berger als Kontrast-Dame wird nie zur Karikatur.
Foto: Degeto / Conny KleinMarlenes und Pauls Trennung von Tisch und Bett ist noch nicht ausreichend dokumentiert – und Paul stellt und legt sich quer... Senta Berger & Henry H�bchen
Ihre Ehe besteht seit Jahren nur noch auf dem Papier. Marlene, die wieder heiraten m�chte, will endlich einen Schlussstrich ziehen und nicht mehr an die letzten 40 Jahre erinnert werden. Mit der Scheidung will sie auch gleich die gemeinsame Berliner Wohnung ver�u�ern. Dummerweise nur ist ihr Noch-Ehemann Paul da gerade wieder eingezogen, nachdem ihn seine letzte Ex rausgeschmissen hat. Keine guten Nachrichten auch vom Scheidungsanwalt: da Marlene die Trennung von Tisch und Bett nicht ausreichend belegen kann, muss ein offizielles Trennungsjahr vollzogen werden. Beschleunigung erhofft sich die kampfeslustige Gattin davon, dass sie wieder selbst mit in die gemeinsame Wohnung einzieht – und mit einem peinlich genauen Wohnungsnutzungsplan den scheidungsunwilligen Chaoten zum Aufgeben zwingt. Alternative: „eine unzumutbare H�rte“ m�sste nachgewiesen werden, dann k�nnte von einem Scheidungsjahr abgesehen werden. Auch daf�r hat Marlene einen perfiden Plan.
Foto: Degeto / Conny Klein"Der Paul, der vertr�gt doch nichts!" Kampfpause im Noch-Ehekrieg oder Teil eines Plans? In vino veritas – und wie verh�lt es sich mit Raki? H�bchen & Senta Berger
Mit Alkohol geht Vieles besser. Auch eine Scheidung? Senta Berger und Henry H�bchen d�rfen in „Frauen verstehen“ dem Affen so richtig sch�n Zucker geben. In der zentralen Szene des Films von J�rg Gr�nler nach dem ebenso lebensklugen wie vorz�glich gebauten Drehbuch von Maria Solrun und Martina Mouchot bes�uft sich das Paar fast bis zur Besinnungslosigkeit und zerdeppert dabei gen�sslich die verhasste Porzellansammlung von Pauls Schwiegermutter. Auch der Lampenschirm leidet, der Vorhang ist heruntergerissen und es stapeln sich die leeren Raki-Flaschen. Was die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens des Noch-Ehepaares dokumentieren k�nnte, dokumentiert vor allen eines: die beiden kennen sich, sie verstehen sich – und da ist etwas zwischen den beiden, was zwischen ihr und ihrem neuen Partner, dem Psychologen, der im ruhigen Gew�sser segeln m�chte, so nie sein wird: eine unb�ndige Spannung, eine Anziehungskraft, Leidenschaft. Die beiden lassen es krachen, und Berger/H�bchen stehen ihnen in nichts nach. Die Teller knallen gegen die Wand. Noch einmal Polterabend. Alles dreht sich. Dann verabschieden sich die beiden, die Kamera kreist – Lochblende zu, Lochblende auf – und gebiert am Morgen danach zwei Schnapsleichen.
Soundtrack: Yes („Owner of the lonely Heart“), Elvis („Suspicious Minds“)
Foto: Degeto / Conny KleinCoole Socke: Henry H�bchen als Paul. Dass er in den alten Tageb�chern seiner Noch-Frau bl�ttert und versteht, mag eine weibliche Phantasie sein – Hauptsache, sie kommt wie in "Frauen verstehen" nicht als romantischer L�uterungstrick r�ber.
Die Sache mit dem Alkohol ist auch dramaturgisch eine gl�nzende Idee. Der alkoholisierte, aber durchaus inhaltlich gef�hrte Dialog �ber die Ehejahre inklusive das Zugeben eigener Fehler macht aus der Nummer keine moralinsaure, kleinm�tige Erinnerungsshow wom�glich noch mit romantischem Flair, sondern wird zu einem kom�diantischen Kabinettst�ck mit ernsthaften Zwischent�nen. Diese Szene treibt perfekt zum H�hepunkt, was der Film bereits in anderen Szenen und im Plot generell andeutet: „Frauen verstehen“ beschr�nkt sich weder auf das im Genre so beliebte Katz-und-Maus-Spiel-Prinzip, noch wird st�ndig das Romantik-Fass aufgemacht. St�rker als andere Kom�dien orientiert sich diese Degeto-Produktion an dem Subgenre der Screwball Comedy. W�hrend die Deutschen gern moralisieren und in Kom�dien den Inhaltsaspekt diskutieren, haben es die amerikanischen Screwball-Comedies auf den Beziehungsaspekt, den Akt der Kommunikation, abgesehen, sind verspielter, strukturorientierter und schneller. Im Dialog z�hlt nicht nur, was gesagt wird, sondern vor allem, wie es gesagt wird – lallend, l�chelnd, mit dem Messer in der Tasche, mit Lust oder mit List. Beziehung ist immer auch ein St�ck weit Kampf – Geschlechterkampf. Dieser hat in der Beziehung von Marlene und Paul als Basis eine konkrete, reale Grundlage: er war f�r den Spa�, sie immer f�r die Arbeit zust�ndig. Aber dieser Kampf hat eben auch etwas Unerkl�rliches, etwas Sinnlich-Z�gelloses. Die Autorinnen basteln daraus nicht den so oft bem�hten Mythos der Liebe, sondern zeigen, was Sache ist: Es ist vor allem die k�rperliche Anziehungskraft, die �ber die Jahre noch immer wirksam ist. Daran �ndert auch nichts, dass der rasch gel�uterte, in die Jahre gekommene Womanizer auf Frauenversteher-Kurs geht („Ich will sie einfach nur mal verstehen“) – indem er die alten Tageb�cher seiner Frau liest.
Foto: Degeto / Conny KleinEine Szene, wie sie jede gute Kom�die haben sollte: Polterabend im Trennungsjahr. Diese Schl�sselszene mit H�bchen & Berger ist nicht nur verdammt spielerisch und witzig, sondern auch dramaturgisch richtig gut: das Innenleben der Hauptfiiguren, Verdr�ngtes, verschafft sich Raum. Eine Beziehung wird zum Bild. Nachahmenswert!
Dass „Frauen verstehen“ ein weiteres Subgenre bedient, die „Remarriage Comedy“, ist von Beginn an abzusehen – und d�rfte auch von den Zuschauerinnen sehnlich erhofft werden. Henry H�bchen als Paul, fr�h verrenteter Kfz-Mechaniker, l�ssig mit Lederjacke, Motorrad, zwischen frechem Grinsen und kleinlauter B��erpose, ist schon eine coole Nummer. Und Senta Berger ist als damenhaft und elegant gekleidete Marlene eine Frau, die (heute) den Ton angibt, die aber – mit einem handlungsentscheidenden Trauma ausgestattet – nie zur Karikatur dieses im Fernsehen so beliebten Frauentypus wird. Der Fernsehfilm setzt also auf das Liebesprinzip „Gegens�tze ziehen sich an“ – womit auch das „Frauen verstehen“ im Titel relativiert wird und einen angenehm ironischen Unterton bekommt. (Text-Stand: 9.8.2014)
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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