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Meinung Private Equity

„Heuschrecken“ retten heute Unternehmen und finanzieren Start-ups

Private-Equity-Finanzinvestoren stecken ihr Geld in Unternehmen und strukturieren diese um Private-Equity-Finanzinvestoren stecken ihr Geld in Unternehmen und strukturieren diese um
Private-Equity-Finanzinvestoren stecken ihr Geld in Unternehmen und strukturieren diese um
Franz Müntefering nannte sie „Heuschrecken“: Private-Equity-Finanzinvestoren, die Unternehmen kaufen, umstrukturieren und mit Gewinn verkaufen. Den Vorwurf hört man nicht mehr, denn ihr Nutzen ist inzwischen unumstritten.

Im April 2005 machte eine Bemerkung des damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering Schlagzeilen: In „Bild am Sonntag“ ließ er verlauten: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.“

Gab es damals viel Zustimmung, so ist die Kritik an Finanzinvestoren heute weitgehend verstummt. Denn die Jahre haben gezeigt, dass die Erfahrung von Private-Equity-Managern zahlreiche Unternehmen gerettet und wieder seetüchtig gemacht hat.

In Deutschland haben in den vergangenen Jahren rund 300 Beteiligungsgesellschaften jährlich 1000 Unternehmen finanziert. Von 2013 bis 2017 wurden hierzulande 37 Milliarden Euro investiert – mit steigender Tendenz. Das hält und schafft Arbeitsplätze: In den von Private-Equity-Investoren gehaltenen Unternehmen arbeiten 960.000 Beschäftigte, so die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.

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Aus den „Heuschrecken“ sind Unternehmensretter geworden, die Schieflagen korrigieren und das langfristige Florieren ihrer Beteiligungen sicherstellen.

Finanzinvestoren sammeln Geld von privaten und institutionellen Anlegern ein, das sie abrufen, wenn eine lohnenswerte (meist Mehrheits-) Beteiligung gefunden ist. Im Due-Diligence-Prozess wird vor dem finalen Kauf der Wert und das zu hebende Potenzial ermittelt.

Dafür beschäftigen die Fonds-Manager hoch qualifizierte Branchen-Experten, die über umfangreiche Erfahrungen und ein großes Netzwerk verfügen. Nach dem Kauf werden die Unternehmen umstrukturiert und neu ausgerichtet, nicht selten unter Austausch des Managements. Ist das Unternehmen nach einigen Jahren wieder auf einem Wachstumspfad, wird es mit Gewinn verkauft – wenn alles gut geht.

Das Beispiel Klöckner-Moeller

Die einstige Bonner Firmengruppe hat seit ihrer Gründung im Jahr 1899 viele Höhen und Tiefen durchlebt. Besonders schlecht war es um das Elektrounternehmen 2003 bestellt. Mehrere Strategiewechsel, eine hohe Fluktuation im Management und wenig transparente Unternehmensstrukturen hatten den Konzern tief in die roten Zahlen gebracht. Um zurück in die Gewinnzone zu kommen, ließ sich die Firmengruppe auf eine zunehmend beliebte Finanzierungsform ein: Private Equity.

So traten die Besitzer noch im gleichen Jahr ihre Anteile an Advent International Corporation (zu einem nicht bekannt gegebenen Kaufpreis) ab. Ein Team aus von der Fonds-Gesellschaft beauftragter Experten entwickelte daraufhin eine völlig neue Geschäftsstrategie für den Konzern.

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Mit Erfolg: Nachdem das Management aufgestockt, der Vertrieb reorganisiert, Investitionen in neue Produkte getätigt und die Internationalisierung vorangetrieben worden war, befand sich Moeller zwei Jahre später wieder auf Expansionskurs. Entsprechend konnte Advent die Firmengruppe 2005 für einen Kaufpreis von 1,1 Milliarden Euro an den britischen Finanzinvestor Doughty Hanson gewinnbringend veräußern.

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Seit 2008 ist das Unternehmen in Besitz des amerikanischen Energiekonzerns Eaton.

Gerade bei Start-ups sind Private-Equity-Finanzierungen beliebt

Nicht immer gelingt eine nachhaltige Umstrukturierung. So gesehen sind auch Private-Equity-Beteiligungen nicht risikofrei. Zum einen handelt es sich um eine illiquide Anlageklasse – das Geld ist über einen längeren Zeitraum gebunden – zum anderen gibt es immer wieder gescheiterte Beteiligungen, weshalb auch hier Streuung das A und O ist: Großinvestoren wie Stiftungen und Pensionsfonds legen ihr Geld deshalb systematisch und weltweit diversifiziert in ein Portfolio aus spezialisierten Private-Equity-Fonds an, deren längerfristige Performance und Expertise sie gut kennen. So kommen am Ende attraktive Überrenditen zustande.

Private Equity ist jedoch nicht nur für Sanierungsfälle interessant. Auch für die Wachstumsphase junger Unternehmen sind aktive Beteiligungen von Finanzinvestoren (Venture und Growth Capital) eher die Regel als die Ausnahme. Mit solchen Beteiligungen sind in den USA zahlreiche Start-ups zu großen Internetkonzernen geworden – mit entsprechend hohen Gewinnen für ihre Investoren.

Amerikanische Größenordnungen wurden in Deutschland zwar (noch) nicht erreicht, aber es gibt doch eine ganze Reihe von Start-ups, die es so in die erste Liga geschafft haben, wie Zalando, Meinauto.de, Delivery Hero oder Auto1, das nach dem Einstieg des Finanzinvestors Softbank mit 2,9 Milliarden Euro bewertet wird.

Fazit: Private Equity hat sich zu einem wertvollen Instrument für Unternehmen und Arbeitsplätze entwickelt. Auch wenn nicht immer alles gelingt – die Reputation der Branche ist heute besser denn je.

Der Autor ist Gründer und Geschäftsführer der digitalen Vermögensverwaltung LIQID und BILANZ-Kolumnist.

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