Drei Forderungen: Franz Münteferings Appell an die Alten - WELT
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Franz Münteferings Appell an die Alten

ARCHIV - 14.05.2018, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Franz Müntefering (SPD, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso), r), nimmt bei einem Besuch im Rahmen einer Pressekonferenz zum 12. Deutscher Seniorentag bei Manfred Withöft (/6) vom Verein «Dortmunder Boxsport 20/50» Box-Unterricht. Zu der dreitägigen Veranstaltung vom 28.-30. Mai werden 15 000 Besucher erwartet. Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ARCHIV - 14.05.2018, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Franz Müntefering (SPD, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso), r), nimmt bei einem Besuch im Rahmen einer Pressekonferenz zum 12. Deutscher Seniorentag bei Manfred Withöft (/6) vom Verein «Dortmunder Boxsport 20/50» Box-Unterricht. Zu der dreitägigen Veranstaltung vom 28.-30. Mai werden 15 000 Besucher erwartet. Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Den Schweinehund zu überwinden, kostet Willensstärke: Franz Müntefering fordert Eigeninitiative
Quelle: picture alliance / Bernd Thissen/dpa
Franz Müntefering ist Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Der 81-Jährige fordert von den Älteren in der Corona-Krise mehr Bewegung und verrät, wie er sich selbst fit hält. Versprechungen der Politik sieht er kritisch.

WELT AM SONNTAG: Herr Müntefering, haben Sie heute schon Sport gemacht?

Franz Müntefering: Ich habe im Badezimmer schon Gymnastik gemacht, das mache ich jeden Morgen so 20 bis 25 Minuten. Kniebeugen, Arme recken, hoch und runter, alles Mögliche. Da schwöre ich drauf. Aber mit dem Wort Gymnastik können viele Männer ja nichts anfangen.

WELT AM SONNTAG: Wieso?

Müntefering: Für die meisten Männer geht es beim Sport immer noch um Kämpfen und Gewinnen. Aber das ist nicht mein Thema, mir geht es um Beweglichkeit. Deshalb spreche ich lieber von Bewegungssport.

WELT AM SONNTAG: Gymnastik hält den Körper geschmeidig, gerade im Alter, das zeigen viele Studien.

Müntefering: Tja, das begreifen viele nicht. Der Körper muss bewegt werden. Und der Kopf ist Teil des Körpers. Die Bewegung der Beine ernährt das Gehirn – und das ist der wichtigste Muskel überhaupt.

WELT AM SONNTAG: Machen Sie nur Gymnastik?

Müntefering: Die Gymnastik ist nicht alles. Ich habe auch noch ein Laufband und mache so im Schnitt drei bis vier Kilometer pro Tag, fünf-, sechsmal die Woche. Ich habe das schon während meiner Zeit in der Politik gemacht, damals noch im richtigen Laufschritt im Tiergarten. Meine Bodyguards haben manchmal ganz schön gestöhnt.

WELT AM SONNTAG: Sie sind jetzt 81...

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Müntefering: Ja, sechs Jähre älter, als mein Vater geworden ist. Man vergleicht sich ja schon ab und zu mal. Willy Brandt war 78, als er starb, Johannes Rau 75, Helmut Schmidt... (überlegt kurz) 96. Den würde ich natürlich gern einholen, aber da muss ich mich noch ein Stück anstrengen.

Gymnastik, Laufen, Fahrradfahren: Franz Müntefering ist auch im Alter sehr aktiv
Gymnastik, Laufen, Fahrradfahren: Franz Müntefering ist auch im Alter sehr aktiv
Quelle: picture-alliance

WELT AM SONNTAG: Wie steht es um die regelmäßige Bewegung bei Älteren?

Müntefering: Es gibt ein Defizit an Bewegung, in der Pandemie noch mehr als sonst. Das Problem ist natürlich, dass man die Hygieneregeln einhalten muss und die Sportvereine ausfallen. Das lässt sich auf Dauer auch nicht durch einsames Spazierengehen oder Treppensteigen ausgleichen, da muss man schon mehr machen. Man muss seinen Körper beanspruchen, muss sich mehrmals am Tag was zumuten. Wenn die Muskeln merken, dass sie nicht mehr gebraucht werden, dann hauen sie ab.

WELT AM SONNTAG: Die Möglichkeiten sind derzeit begrenzt.

Müntefering: Ich appelliere an die Eigeninitiative. Erstens: Macht was zu Hause. Zweitens: Geht raus, wo das möglich ist. Klar: Abstand halten. Maske. Und helft denen, die sich nicht bewegen, die vielleicht noch Übergewicht haben. Macht ihnen Lust auf Sport. Es ist nie zu spät, sich zu bewegen.

WELT AM SONNTAG: Braucht es eine konkrete Öffnungsperspektive?

Müntefering: Jetzt schon eine konkrete Öffnungsperspektive für diese Pandemie anzukündigen, hielte ich für viel zu leichtsinnig. Wenn die Mutanten nicht gekommen wären, wären wir vielleicht schon aus dem Gröbsten raus. Aber so ist es nicht. Wir stecken immer noch mitten in dieser Pandemie, können nur auf Sicht fahren und schauen, dass wir um die nächste Kurve kommen. Wir müssen Geduld haben, auch wenn das schwerfällt.

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WELT AM SONNTAG: Es mehren sich zuletzt die Stimmen, die weniger Restriktionen fordern, auch auf Kosten der Risikogruppen. Haben Sie Angst, dass die Gräben zwischen den Generationen wieder größer werden?

Müntefering: Ich erlebe es eigentlich nicht so, dass die Gräben zwischen den Generationen groß wären oder größer würden. Es gab vielleicht zunächst Stimmen, die gesagt haben: ‚Lasst die Alten das Risiko tragen‘. Das war falsch. Das Recht auf Leben gilt in jedem Alter. Das steht für mich völlig außer Frage. Im Übrigens sollten diejenigen, die das Gegenteil behaupten, sich nicht zu sicher sein, was ihren eigenen Status angeht. Denn wir sehen ja jetzt mit den neuen Mutanten, dass es ganz schnell auch jüngere Menschen treffen kann.

WELT AM SONNTAG: War die Politik ausreichend vorbereitet?

Müntefering: Die schlichte Wahrheit ist: Wir sind alle nicht vorbereitet gewesen auf eine solche Pandemie, auch die Politik nicht. Auch in anderen Ländern nicht. Das ist ein globales Versäumnis. Ich denke da übrigens auch an den Umweltschutz, den wir in gleicher Weise vernachlässigt haben. Auch dort haben wir die Warnungen lange Zeit nicht ernst genommen, weil wir immer noch in der Vorstellung leben, dass solche Katastrophen weit weg sind. Es ist in einer hoch vernetzten Welt aber völlig undenkbar, dass man sich von allem abschotten kann. Die Pandemie sollte uns deshalb eine Warnung sein. Wir werden mit dieser Bedrohung leben müssen, und zwar dauerhaft. Deshalb müssen die präventiven Ansätze für die Zukunft verbessert werden, nennen wir es ruhig Katastrophenschutz. Impfen gehört meines Erachtens dazu.

WELT AM SONNTAG: Ein Lichtblick könnten die Schnelltests sein, die jetzt versprochen wurden.

Müntefering: Ich hoffe sehr, dass das noch gelingt. Wir dürfen die Menschen nicht wieder durch Versprechungen enttäuschen. Wenn gesagt wird, es gibt bis Anfang März Schnelltests für alle, dann muss das auch gelingen, ansonsten ist die Enttäuschung bei den Menschen groß. Das darf nicht passieren.

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WELT AM SONNTAG: Aus der Ankündigung scheint aber nichts zu werden.

Müntefering: Leider gibt es diese Nachrichten. Besser wäre es gewesen, nicht vorschnell Gewissheit verbreiten zu wollen. Wir müssen uns darauf verlassen können, was die Politik ankündigt. Sonst geht weiter Vertrauen kaputt. Da sind jetzt Realismus und Wahrheit nötig.

WELT AM SONNTAG: Woran liegt diese Unzuverlässigkeit?

Müntefering: Ein häufiges Problem in der Politik ist, dass die Exekutive meint, wenn etwas verkündet wird, wäre es auch schon umgesetzt. Das ist aber leider ein Irrtum, und es schadet der Vertrauensbildung mehr als die Wahrheit – auch wenn die anstrengend ist.

WELT AM SONNTAG: Brauchen wir ein neues Verständnis vom Alter?

Müntefering: Ja. Ich glaube, unsere Vorstellungen vom Alter sind bei manchen immer noch ziemlich überholt. Es ist doch so: Wenn Sie heutzutage 65 werden, haben Sie gute Chancen, noch 20 Jahre und mehr zu leben. Was machen Sie mit der Zeit, außer den Tank leer zu fahren? Ich empfehle: laufen, lernen, lachen. Älter werden und länger leben tun ja nicht die, die sich in den Liegestuhl legen, ein paar Vitaminpillen schlucken und Kreuzworträtsel lösen, sondern die, die in Bewegung bleiben, die sich engagieren. Das ist so.

WELT AM SONNTAG: Was ist Ihr Plan?

Müntefering: Ich bereite jetzt das fünfte Fünftel meines Lebens vor. Ich ziele ja auf die 100, und deswegen überlege ich gerade, wie die Zeit bis dahin aussehen kann. Ich lebe gern. Und das ist es doch, worauf es ankommt, die Liebe zum Leben.

Dieses Interview ist aus WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: Welt am Sonntag

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