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Geschichte Habsburger Monarchie

So pflichtbewusst starb Kaiser Franz Joseph I.

Nach 68 Jahren auf dem Thron starb Franz Joseph von Österreich am 21. November 1916. Seine persönlichen Schicksalsschläge haben den Takt vorgegeben für den Untergang seines Hauses und seines Staates.
Freier Autor Geschichte
Franz Joseph I., Kaiser von Österreich (1848-1916) und König von Ungarn (1867-1916); Schönbrunn 18 .8. 1830 - ebd. 21. 11. 1916. - "Kaiser Franz Josef I. / Regierungs-Antritt 1848 / 50jähr. Regierungs-Jubiläum 1898 / Besuch in Berlin im Mai 1900". - Bildposkarter. Farblithographie, anonym. Berlin (Verlag W. Hagelberg) 1900. Privatsammlung. | Franz Joseph I., Kaiser von Österreich (1848-1916) und König von Ungarn (1867-1916); Schönbrunn 18 .8. 1830 - ebd. 21. 11. 1916. - "Kaiser Franz Josef I. / Regierungs-Antritt 1848 / 50jähr. Regierungs-Jubiläum 1898 / Besuch in Berlin im Mai 1900". - Bildposkarter. Farblithographie, anonym. Berlin (Verlag W. Hagelberg) 1900. Privatsammlung. |
Das verkörperte Pflichtgefühl: Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) auf einer Bildpostkarte zum 50. Thronjubiläum 1898
Quelle: picture alliance / akg-images

Als er 1830 geboren wurde, fuhren noch keine Eisenbahnen in Österreich, als er 1916 starb, erreichte der Erste Weltkrieg seinen Höhepunkt. Als er 1848 den Thron bestieg, erlebte die Habsburger Monarchie den ersten Aufstand des Bürgertums, als er starb, forderten ihre Völker die Unabhängigkeit. Als er 1854 seine Frau heiratete, schwelgten die Zeitzeugen im Glanz der Monarchie. Als er starb, sahen sie mit „dem Kaiser“ den letzten Anker ihrer Welt schwinden.

Franz Joseph I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn, hat einer ganzen Epoche seinen Stempel aufgedrückt. Als großer Bewahrer und Beschützer überkommener Traditionen und Werte, zugleich aber auch als Trugbild ihrer tatsächlichen Macht, denn sein Kaisertum verschleierte auf fatale Weise die säkularen Gewalten, die am Ende den zweitgrößten Staat Europas aus den Angeln heben sollten.

Begräbnis Kaiser Franz Josephs I. Der Leichenwagen auf dem Heldenplatz. 1916. Fotografie. |
Der Leichenzug Kaiser Franz Josephs auf dem Heldenplatz in Wien
Quelle: picture alliance / IMAGNO/Sammlu

Mit seinem Tod am 21. November 1916 verlor Österreich-Ungarn die verbindende Klammer, die noch die zentrifugalen Kräfte hatte im Zaum halten können. „Durch die Dauer der Regierung Franz Josephs ist jenes Gefühl der Beständigkeit erzeugt worden, das gerade in diesem zerrissenen und schwankenden Staate wohltätig wirkte“, bestätigte selbst das „Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratie in Oesterreich“ in seinem Nachruf dem toten Kaiser.

Sein Weg zur Grablege in der Kapuzinergruft in Wien wurde denn auch zum symbolischen Abgesang auf eine sterbende Welt. Dem Sarg folgte der junge Kaiser Karl, seine Frau Zita und der vierjährige Thronfolger Otto (der spätere CSU-Politiker Otto von Habsburg), Könige, Fürsten, Militärs, ein „düster-prachtvolles Schauspiel, das sich in absoluter Totenstille vollzog“, wie es ein Zeitungsreporter beschrieb.

Österreichische Kaiserfamilie: Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth mit den drei Kindern, seinen Eltern und Brüdern. Verlag von Heinrich Sommer, Wien. 1870. Photographie nach einem Gemälde. In Photo-Album: Haus Oesterreich. |
Die österreichische Kaiserfamilie: Franz Joseph (l.) und Kaiserin Elisabeth mit den drei Kindern, seinen Eltern und Brüdern im Jahr 1870
Quelle: picture-alliance / IMAGNO/Austri

Mit Franz Joseph wurde „letztlich auch die Donaumonarchie“ zur Grabe getragen, beschließen die Wiener Historiker Michaela und Karl Vocelka ihre neue Biografie über Franz Joseph I. (C. H. Beck, München. 458 S., 26,95 Euro). Sie richtet den Fokus ganz auf die Person des Erzherzogs und Kaisers, von seinem Elternhaus bis in die Einsamkeit des Weltkriegs hinein. Nicht der schleichende Niedergang Österreichs, sondern das an tragischen Momenten so reiche Leben seines Monarchen ist die Leitlinie. Sie macht das Buch geradezu zu einer Enzyklopädie der Figur Franz Josephs, dessen individuellen Schicksalsschläge den Takt vorgaben für den Untergang seines Hauses und Staates.

Für den ältesten Sohn des Erzherzogs Franz Karl war bei seiner Geburt keineswegs zu erwarten, dass er einmal 68 Jahre auf dem Thron sitzen würde. Sein Onkel Ferdinand trat 1835 die Nachfolge Franz II. an, der Österreich durch die Kriege gegen Napoleon geführt hatte. Da Ferdinand zeugungsunfähig war und einige am Hof seinem Vater Franz Karl nur sehr bedingt die Nachfolge zutrauten, wurde er früh von seiner Mutter Sophie Friederike von Bayern auf eine mögliche Thronbesteigung vorbereitet. Franz Josephs Kindheit war geprägt von einem gigantischen Lernpensum, zu dem auch die Sprachen seiner Völker gehörten.

Auf den Spuren von Kaiserin Sisi in Wien

In Wien können Sisi-Verehrer ihrem Idol nahekommen – und in einer Suite im Schloss Schönbrunn nächtigen. Auch ein Besuch des Sisi-Appartements in der Hofburg dürfte Fans gefallen.

Um die Revolutionäre von 1848 zu beruhigen, wurden Ferdinand und Franz Karl zum Thronverzicht gedrängt. Dass man Franz Joseph vergaß, dass die Aufstände in Österreich, Italien und Ungarn in seinem Namen mit brutaler Gewalt niedergeschlagen worden waren, verdankte der neue Kaiser der Hochzeit mit der damals 16-jährigen bayerischen Herzogin Elisabeth (genannt Sisi; im Film später auch „Sissi“ genannt). Doch die Liebe seines Leben wurde zur Tragödie. Elisabeth entzog sich der strengen Etikette des Hofes, entfremdete sich von ihrem Mann und zog durch Europa. 1898 wurde sie in Genf von einem italienischen Anarchisten ermordet.

Zuvor schon hatte sich ihr Sohn und Thronfolger Rudolf mit seiner Geliebten auf Schloss Mayerling erschossen. Seinen Bruder Maximilian, der zum Kaiser von Mexiko aufgestiegen war, hatte Franz Joseph bereits 1867 verloren. Er wurde hingerichtet. Das Attentat auf seinen Neffen und Thronfolger Franz Ferdinand bestätigte einmal mehr Franz Josephs lakonisches Lamento: „Mir bleibt auch gar nichts erspart.“ Bei Geliebten, denen er lange Jahre verbunden war, fand er immerhin menschliche Wärme.

Die Kriege, die Franz Joseph führte, endeten mit Niederlagen, gegen Frankreich und Italien 1859, gegen Preußen 1866. Auch wo er abseits stand, wie im Krimkrieg oder anderen Konflikten auf dem Balkan, dankten es ihm die übrigen Mächte Europas nicht. Dass er und seine Regierung zu zögerlich auf das Attentat von Sarajevo reagierte, entfachte den Ersten Weltkrieg. Als er starb, hatten die Deutschen längst das Kommando über die meisten seiner ausgelaugten Armeen übernommen.

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Die letzten Stunden des 86-Jährigen lesen sich in der Rekonstruktion von Michaela und Karl Vocelka wie eine ewige Wiederholung, geprägt von der Pflicht. Er stand zwischen drei und vier Uhr auf, Termine, Akten und Audienzen folgten bis in den Abend, unterbrochen von kurzen Mahlzeiten, die die meisten Teilnehmer hungrig ließen, weil sich der Kaiser nicht einmal an seinem geliebten Tafelspitz lange aufhielt, das Essen aber mit seiner Sättigung beendet war. Sein Hobby war die Jagd. 55.000 Stück Wild sind auf den Abschusslisten erfasst.

Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830–1916) am Schreibtisch. Um 1915. Photographie. |
„Bitte, mich morgen um halb Vier wecken": Bis zuletzt arbeitete Franz Joseph an seinem Schreibtisch
Quelle: picture alliance / IMAGNO/Austri

Auch am 21. November 1916 war er am frühen Morgen aufgestanden, gegen den dringenden Rat der Ärzte. Denn sein chronischer Bronchialkatarrh hatte sich zu einer Lungenentzündung ausgewachsen, die von schweren Hustenanfällen und Fieberschüben begleitet wurde. Zu allem Überfluss hatte er sich beim Aufstehen in die Fußdecke verwickelt und war gestürzt. Dennoch schränkte er die Arbeit am Schreibtisch nicht ein. Da er in seinem Zustand nicht dauernd von Menschen umgeben sein wollte, bohrte das Hofpersonal Gucklöcher in die Türen, um den Kaiser beobachten zu können. Die Schauspielerin Katharina Schratt, seine Freundin und Geliebte seit der Jahrhundertwende, fand, er sei kaum mehr zu einem längeren Gespräch fähig.

Für den 20. November zitieren die Vocelkas aus dem ärztlichen Bulletin, in dem von einem „beschränkten entzündlichen Herd in der rechten Lunge“ die Rede war und eine Morgentemperatur von 38 Grad gemessen wurde. Auch diesen Tag verbrachte Franz Joseph am Schreibtisch, an dem er mehrfach Schwächeanfälle erlitt. Gegen 18 Uhr wurde der stark fiebernde Monarch auf Anraten der Ärzte zu Bett gebracht, um 20 Uhr war man sich sicher, dass sein Tod unmittelbar bevorstand. Seine letzten Worte waren: „Bitte, mich morgen um halb vier wecken; ich bin mit meiner Arbeit nicht fertig geworden.“ Dann verlor er das Bewusstsein.

Zum dpa-Themendienst-Bericht "Tourismus;Österreich;Kultur;Trauer;KORR;" von Daniela David vom 28. September: Größte Attraktion in der Kapuzinergruft: Die Sarkophage von Kaiserin "Sisi" und Kaiser Franz Joseph stehen in einem Raum mit dem ihres Sohnes, Kronprinz Rudolf. (Die Veröffentlichung ist für dpa-Themendienst-Bezieher honorarfrei.) Foto: Daniela David/dpa/tmn | Verwendung weltweit
Die Sarkophage von Kaiserin Elisabeth, Kaiser Franz Joseph und ihres Sohnes Rudolf in der Wiener Kapuzinergruft
Quelle: picture alliance / dpa-tmn

Um 21.05, eine halbe Stunde nach der letzten Ölung, stellte der Leibarzt Joseph Ritter von Kerzl den Tod fest. Um 22.30 Uhr wurde er dem Publikum vor dem Schloss Schönbrunn bekannt gegeben. Der Titel der Extraausgabe der amtlichen „Wiener Zeitung“ lautete: „Das edle Herz eines großen Monarchen hat aufgehört zu schlagen!“

Am 11. November 1918, verzichtete sein Nachfolger Karl I. auf „jeden Anteil an den Staatsgeschäften“. Am Tag darauf folgte die Ausrufung der Republik. Doch den meisten Zeitgenossen schien es, als sei das Kaiserreich bereits zwei Jahre zuvor untergegangen.

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