
Bundespräsident zu Russland-Politik "Ich habe mich geirrt"
Erstmals hat Bundespräsident Steinmeier Fehler in seiner Russland-Politik eingestanden und eine bittere Bilanz gezogen. "Wir haben an Brücken festgehalten, vor denen unsere Partner uns gewarnt haben", sagte er.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat erstmals eigene Fehler und Irrtümer in der Politik gegenüber Russland eingeräumt. "Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler. Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben", sagte er in Berlin.
"Wir sind gescheitert"
Eine bittere Bilanz sei auch: "Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden."
Steinmeier war in den vergangenen Tagen dafür kritisiert worden, dass er sich bisher nicht zu eigenen Fehleinschätzungen insbesondere in seiner Zeit als Außenminister geäußert hatte. Nun sagte er, die Verantwortung für den Krieg liege bei Kreml-Chef Wladimir Putin. "Die sollten wir nicht auf uns ziehen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht einiges zu überdenken haben, wo es unsererseits Fehler gegeben hat."
"Keine Rückkehr zum Status Quo vor dem Krieg"
Seine Einschätzung sei gewesen, dass Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen würde. "Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt." Der Bundespräsident betonte, mit einem Russland unter Putin werde es "keine Rückkehr zum Status Quo vor dem Krieg geben".
Weiter sagte er: "Ich leide sehr mit den Menschen in der Ukraine mit. Nach Anfang 2014 hat kein anderes Land meine Arbeit so geprägt."
Zuvor hatte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner Steinmeier gegen Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk in Schutz genommen: "Die Kritik am Bundespräsidenten weisen wir zurück." Dies gelte "bei allem Verständnis für die Ausnahmesituation, in der sich die Ukraine in diesem entsetzlichen Krieg befindet".
Melnyk hatte Steinmeier eine zu große Nähe zu Russland vorgeworfen. "Für Steinmeier war und bleibt das Verhältnis zu Russland etwas Fundamentales, ja Heiliges, egal was geschieht, auch der Angriffskrieg spielt da keine große Rolle", hatte Melnyk dem "Tagesspiegel" vom Sonntag gesagt. Als Kanzleramtschef und später als Außenminister habe Steinmeier "ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben".
Im Bericht aus Berlin wiederholte Melnyk seine Kritik an den engen Verbindungen Steinmeiers zu Russland in der Vergangenheit und stellte die angebliche Zeitenwende in Frage. Dass Steinmeier den Krieg scharf verurteilt hat, seien erst einmal nur "leere Worthülsen": "Es kommt darauf an, dass Taten folgen", sagte er.