Steinmeiers Besuch bei Erdogan
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Bundespräsident in der Türkei

Steinmeiers Besuch bei Erdogan: Schwierige Suche nach Gemeinsamkeiten

Istanbul / Lesedauer: 3 min

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der türkische Präsident Erdogan würdigen die deutsch-türkische Freundschaft. Bei meisten Themen liegen sie aber auseinander.
Veröffentlicht:24.04.2024, 17:36

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Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag nach zweistündigen Gesprächen in Ankara mit seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier vor die Kameras trat, schien die Welt zwischen Türkei und Deutschland in bester Ordnung zu sein. Die Beziehungen und der bilaterale Handel sollten weiter ausgebaut, Hindernisse wie Sanktionen gegen die Türkei im Rüstungsbereich aus dem Weg geräumt werden, sagte Erdogan.

Nur nebenbei erwähnte der Präsident die türkischen Forderungen nach Reiseerleichterungen in Europa und nach mehr Solidarität im Kampf gegen kurdische Extremisten. Er ließ sich auch nicht auf eine Debatte über die viel diskutierte Entscheidung Steinmeiers ein, Dönerfleisch aus Berlin zum Auftakt seines Staatsbesuches nach Istanbul mitzubringen. „Der Döner ist in Istanbul gegessen worden“, sagte Erdogan. Thema erledigt.

Würdigung der gemeinsamen Beziehungen 

Auch Steinmeier würdigte die besonderen deutsch-türkischen Beziehungen und erinnerte seinen Gastgeber nur sanft an die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Pressefreiheit. „Die Zeiten sind ernst, und gerade deshalb brauchen wir einander“, sagte er. Die deutsch-türkischen Beziehungen sollten deshalb neu belebt werden. Schließlich seien sich beide Länder sehr nah: Drei Millionen Türkischstämmige lebten inzwischen in der vierten Generation in der Bundesrepublik.

Die engen Verbindungen zwischen Türkei und Deutschland ließen sich auch an den Delegationen von Erdogan und Steinmeier ablesen. Der deutsche Bundespräsident schüttelte bei seiner Begrüßung am Präsidentenpalast in Ankara einer Reihe von türkischen Regierungspolitikern die Hand - darunter war Erdogans Stabschef und wichtigster außenpolitischer Berater, der aus dem nordrhein-westfälischen Siegen stammende Akif Cagatay Kilic. Der türkischstämmige Bürgermeister von Hannover, Belit Onay, gehörte zu Steinmeiers Tross.

Viele große Differenzen zwischen beiden 

Die Beschwörungen der deutsch-türkischen Freundschaft blieben allerdings im Allgemeinen - wenn es konkret wurde, war es schnell vorbei mit den Gemeinsamkeiten.

Am deutlichsten wurde das beim Gaza-Krieg. Erdogan schimpfte über den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der eine Gefahr für die Sicherheit der ganzen Region sei. Trotzdem stehe der gesamte Westen an der Seite Israels. Seit Kriegsbeginn am 7. Oktober habe Israel in Gaza rund 45.000 Menschen getötet, sagte der türkische Präsident: „Das müssen unsere deutschen Freunde sehen.“

Ohne den 7. Oktober gäbe es den jetzigen Krieg nicht.

Frank-Walter Steinmeier

Auch Steinmeier sprach vom 7. Oktober, aber ganz anders als sein Gastgeber. Der Hamas-Angriff auf Israel sei der Grund für das Leid der Menschen in Gaza, sagte er: „Ohne den 7. Oktober gäbe es den jetzigen Krieg nicht.“

Treffen mit türkischer Opposition

Unerwähnt blieben Steinmeiers Begegnungen mit Erdogans politischen Gegnern in der Türkei. Der Bundespräsident hatte am Montag den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP getroffen, den voraussichtlichen Herausforderer Erdogans bei der nächsten Wahl in vier Jahren.

Vor seinem Empfang in Erdogans Palast am Mittwoch kam Steinmeier mit dem CHP-Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, zusammen. Deutschland habe den „großen Wahlerfolg“ der Opposition bei den Kommunalwahlen im März aufmerksam verfolgt, sagte der Bundespräsident nach türkischen Medienberichten. Vor seiner Rückreise nach Berlin am Abend wollte Steinmeier noch mit CHP-Chef Özgür Özel sprechen.

Die Wirkung von Steinmeiers Besuch auf die türkische Innenpolitik werde sich in Grenzen halten, sagt Hüseyin Cilek, Türkei-Experte an der Universität Wien. Das gelte auch für den Döner. „Steinmeiers symbolische Geste mit dem Dönerspieß war politisch sehr naiv“, so Cicek. Großen Schaden habe der Bundespräsident mit der Döner-Aktion aber nicht angerichtet: „Die AKP ist im Moment nicht mit diesen symbolischen Gesten beschäftigt, sondern mit der Frage, wie sie ihre autoritäre Politik vorantreiben kann.“