OFDb - Feuerkopf (1932) - Eine Kritik von Bretzelburger
Review

„Also Männer stehen auf Blondinen, ja? – Na, das wollen wir mal sehen!“

Mit diesen Worten beginnt Lilian selbstbewußt den Film, während sie sich beim Friseur ihre roten Haare machen läßt. Denn, wenn sie sich mit einer Sache auskennt, dann mit Männern....

Typischer Beginn ? – Nicht ganz, denn diese Worte stammen aus dem Jahr 1932 und wurden von Jean Harlow gesprochen.

Jean, who? – müßten sich jetzt sämtliche Leser dieser Worte fragen, denn während hier im OFDb jeder viertklassige Trashfilm und die 7. Folge von „Ein Zombie hing am Glockenseil“ über eine Inhaltsangabe, Review und zahlreiche Fangemeinde verfügt, so hat es KEIN Jean Harlow-Film zu einer Inhaltsangabe gebracht, trotz mehr als 10 Filmen, in denen sie die Hauptrolle spielte.

Aus meiner Sicht ein Armutszeugnis für eine Seite, die sich der Filmkunst verschrieben hat.

Natürlich ist eine heutige Beurteilung dieser Filme sehr schwer, denn sie gehören dem Genre der Komödie oder Gesellschaftsdrama an und diese Sujets sind ja immer sehr stark durch die Zeit geprägt, in der sie entstanden.
Während man sich auch heute noch gerne mit den frühen „King Kong“, „Frankenstein“ oder „Dracula“ -Filmen beschäftigt und das filmhistorisch auswertet, so sind uns Gesellschaftskomödien doch sehr fremd.

Es bedarf einer gewissen Bereitschaft, sich auf diese Zeit ,ihre Symbole und Denkweise einzulassen, auch gerade weil diesen Filmen in der deutschen Synchronisation kein Gefallen getan wurde.

Diese Filme wurden irgendwann in den 50er bis 70er Jahren synchronisiert - wahrscheinlich für das Fernsehen -und die Tonspur klingt einfach zu klar in Bezug zum originalen Hintergrund, der ja in der frühesten Tonfilmzeit aufgenommen wurde. Dadurch klingt die deutsche Sprache sehr darüber gelegt und wirkt nicht integriert.

Doch auch das vergißt man mit der Zeit, denn dieser Film entwickelt einen ganz eigenen Charme....

Lilian ,die mit ihrer Freundin Charlene in einem kleinen Zimmer wohnt, will in die große Gesellschaft aufsteigen und dafür ist ihr jedes Mittel recht. Ganz genau kalkuliert taucht sie abends bei ihrem Junior-Chef in seiner Privatwohnung auf – offiziell um als seine Sekretärin die Post mit ihm durchzugehen - ,um ihn zu verführen.

Bill, der einer sehr angesehen Familie angehört , ist mit Irene verheiratet, die er schon seit Jugendtagen kennt. Lilian weiß, daß sie momentan fort ist, und setzt ganz bewußt ihren Sexappeal ein.

Es kommt, wie es kommen muß. Obwohl Bill große Gewissensbisse hat, kann er sich Lil’s Verführungskunst nicht erwehren und sie werden prompt von Irene, die etwas früher nach Hause kommt, erwischt.

Klingt irgendwie nach klischeebeladener Komödie? – Ist es auch, aber in einer so unglaublich direkten Art, wie es sich niemand mehr heute trauen würde.

„Film must be better than Life!” – das galt damals und das gilt immer noch. Heute erwarten wir, um eine Verführungsszene im Film nachvollziehen zu können, eine raffiniertes Arrangement.
Wer ehrlich zu sich ist, weiß das die Realität nicht so aussieht und sich auch heute kaum ein Mann gegen einen solchen direkten Angrifff einer hübschen Frau zu erwehren weiß (und vielleicht heimlich davon träumt).

Doch damals war eine so direkte Art völlig ungewöhnlich. Der Film macht klar, daß Bill’s Frau Irene weit verschlossener ist und sich die Ehe im Rahmen der prüden amerikanischen Denkweise abspielt.

Lilian gelingt es mit Hartnäckigkeit und Skrupelosigkeit, bei der sie auch nicht davor zurückschreckt ,sich bloß zu stellen, Bill Irene auszuspannen und ihn selbst zu heiraten. Doch damit ist sie keineswegs am Ziel, denn die anständigen amerikanischen Bürger wissen sich zu wehren....

Die Qualität des Films liegt in seiner unglaublichen Direktheit, nichts wird verschlüsselt oder angedeutet.
Jean Harlow spielt die rothaarige Lilian mit unverhohlener Vulgarität, keine Sekunde versucht sie ihre Ziele und ihr tatsächliches Interesse zu verheimlichen. Sie ist ein selbstsüchtiges, berechnendes Biest und trotzdem so unglaublich symphatisch, daß man jederzeit auf ihrer Seite ist.

Auch die wohlhabenden anständigen Bürger lassen keine Sekunde einen Zweifel an ihrer Haltung gegenüber Menschen wie Lilian. Sie wird offenkundig abgelehnt und es gibt keinerlei Versuche, irgendwie Verständnis für sie aufzubringen oder für ihre Ziele. Sie wird als Eindringling betrachtet, den man so schnell wie möglich loswerden muß. Selbst Bill wirkt während seiner Ehe mit ihr mehr wie ein Süchtiger, der sich nicht ihrem Sex entziehen kann, als das er irgendwelches Glück verspürt.

Aus dieser Konstellation gelingt eine Art radikaler Klassenkampf, aus dem nur einer als Sieger hervorgehen kann...

Unabhängig ob wir heute noch die Schönheit von Jean Harlow nachvollziehen können, die leider mit 26 verstarb, noch ob wir uns in die Gefühlswelt unserer Vorfahren hineindenken können (der Film stand wegen seiner anzüglichen Szenen in England auf dem Index) – dieser Film entwickelt eine ungeheure Dynamik, hat ein rasantes Tempo und ist kraftvoll in seiner direkten Konfrontation.

Und so merkwürdig es sich anhört, der Film wirkt frisch und lebendig ,ist niemals kitschig und unterhält einfach herrlich (8/10).

Details
Ähnliche Filme