Zur Hochzeit fehlt vom Brautpaar jede Spur. Hat der unkonventionelle Br�utigam einen R�ckzieher gemacht? Oder traut sich die hanseatisch zugekn�pfte Braut nicht, diesen Mann, der immer f�r eine heikle �berraschung gut ist, zu ehelichen? In „Fast perfekt verliebt“ (ZDF / Cinecentrum Berlin) begegnen sich zwei, die scheinbar gar nichts gemeinsam haben. Er hat Spa�, sie Pflichten. Sie denkt, er macht. Dieser Mentalit�ts-Unterschied ist in dieser wunderbaren „Herzkino“-Kom�die keine platte, oberfl�chliche Setzung, denn die Macher verstehen etwas vom Kom�dien-Handwerk, drehen mal eben den Screwball-Comedy-Spie� um und setzen auf eine Verz�gerungsmethode, die Aleksandar Jovanovic und besonders Katharina Sch�ttler mit ihrem Sinn f�rs Timing veredeln. Eine romantische Kom�die, die auf fast alle Genre-Klischees verzichtet und daf�r lieber mit originellen Subtexten und einigen unvergesslichen Szenen aufwartet. Warum gibt‘s sowas am Sonntag im ZDF nicht �fter?
Foto: ZDF / Marion von der MehdenWarum nicht mal l�cheln?! Ansonsten ist vieles in "Fast perfekt verliebt" anders als in den herk�mmlichen Romantic Comedies. Katharina Sch�ttler, Aleksandar Jovanovic
Es ist Sommer, die Sonne strahlt �ber Hamburg, die Hochzeitsg�ste haben sich fein gemacht, eine Stretch-Limousine f�hrt vor… Nichts steht einem perfekten Fest, wie es zur T�ftel- und Planungsqueen Isabel (Katharina Sch�ttler) passen w�rde, im Weg. Allein, vom Brautpaar fehlt jede Spur. Hat der sonst so unkonventionelle Ivo (Aleksandar Jovanovic) doch noch einen R�ckzieher gemacht? Oder ist neben seiner Knast-Vergangenheit wom�glich noch eine weitere �berraschung ans Tageslicht gekommen, weshalb sich die Braut vielleicht nicht traut? Ungleicher als diese beiden kann ein Paar kaum sein. Und so sind sie sich denn auch nur durch Zufall �ber den Weg gelaufen. Durch sie hat er seinen Aushilfsjob als Kellner verloren. Sp�ter dann revanchiert sie sich und gibt ihm eine Anstellung als Pflegekraft – denn keiner kann so gut mit ihrem pflegebed�rftigen Vater (Manfred Zapatka), einst ein knochenharter Kapit�n, wie der ausgebildete Marinesanit�ter. �berhaupt scheint diesen Ivo so gut wie nichts aus der Ruhe zu bringen. Selbst der hanseatisch zugekn�pften Isabel begegnet er stets mit einem offenen, charmanten L�cheln. Sie bleibt aber zun�chst distanziert. Ihre �kologisch verantwortungsvolle Arbeit als Schiffbauingenieurin ist ihr Leben. Doch ihr Ex (Tim Ehlert), f�r den sie immer noch arbeitet, zieht nur wenig nachhaltige Auftr�ge an Land. Als Ivo sie heimlich bei ihrem Herzensprojekt, einem „Meeresstaubsauger“, unterst�tzt, ist das Eis zwischen ihnen gebrochen. Jetzt will sie nur noch das machen, was ihr wirklich wichtig ist.
Foto: ZDF / Marion von der MehdenDer Meeressauger ist Isabels Herzensprojekt. Ein zweites kommt hinzu... Sch�ttler
In Filmen ziehen sich – �hnlich wie im Leben – Gegens�tze an. Besonders Beziehungs-Kom�dien setzen auf die manchmal gar nicht so kleinen Unterschiede. Auch in „Fast perfekt verliebt“ begegnen sich zwei, die auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam haben. Er ist immer zum Flunkern aufgelegt, sie indes versteht keinen Spa�, was wortw�rtlich zu nehmen ist. Sie wirkt gehemmt, er locker. Sie denkt, er macht. „Wenn Ivo eine Idee hat, dann setzt er sie erst um und dann denkt er dar�ber nach“, so beschreibt ihn seine Tochter (Carolyn Genzkow). „Wenn ich eine Idee hab‘, dann denke ich so lange dar�ber nach, dass es sich irgendwann nicht mehr lohnt, sie umzusetzen“, sagt Isabel mit einem Schmunzeln und zeigt, dass sie in Sachen Humor und (Selbst-)Ironie zumindest lernf�hig ist. Dieser gravierende Mentalit�tsunterschied ist in dem ZDF-Fernsehfilm von Sinan Akkus („Evet, ich will“) keine oberfl�chliche Setzung, sondern er zieht sich durch alle Ebenen der Narration. Auch die Liebe wird diese Differenz nicht aufheben k�nnen; allenfalls die lange Zeit sehr (h�ft)steife Heldin wird sich wohl k�nftig etwas mehr Unperfektheit herausnehmen. Sch�n, dass das in guter Unterhaltung erfahrene Autorenduo Birgit Maiwald („Lotta“-Reihe) und J�rg Tensing („Bloch“- & „Liebe-am-Fjord“-Reihe) diese Wesensarten in den Mittelpunkt r�cken und nicht auf Ivos Knast-Vergangenheit herumreiten oder gar die Phase herzlicher Abneigung, ein unausrottbares RomCom-Klischee, der Liebe vorausschicken. Es gibt zwar einen Moment der Entt�uschung bei der weiblichen Hauptfigur – aber sie, die Frau, die schwierigen Gespr�chen gern aus dem Weg geht, sucht die erwachsene Aussprache und denkt gar nicht daran, mit diesem Mann Schluss zu machen. Das wiegt umso mehr, als Isabel eine Frau ist, die gern alles unter Kontrolle hat und nichts weniger liebt als �berraschungen. Einer wird sie sich allerdings noch stellen m�ssen. Sie ist der Grund f�r die Abwesenheit des Brautpaars zur Hochzeit.
Foto: ZDF / Marion von der MehdenSchwester Mechthild (Marita Breuer) will am Tag der Hochzeit alles ganz genau wissen: Wie haben sich Isabel und Ivo kennengelernt? Vater Ernst (Manfred Zapatka), Isabels Freunde und Ivos Tochter geben Auskunft. So etablieren die Autoren eine R�ckblendenkonstruktion, die zun�chst etwas brav wirkt, sich aber als clever erweist.
Was am Ende einer solchen romantischen Kom�die steht, ist bekannt. Wie es allerdings dazu kommt, der Weg, aber vor allem die �sthetische Darstellung dieses Wegs, entscheidet �ber die Qualit�t in diesem Genre. „Fast perfekt verliebt“ macht handwerklich so gut wie alles richtig. Die auf den ersten Blick etwas altbackene R�ckblende erweist sich nach dem Hochzeitsbeginn ohne Brautpaar (das kennt man aus dem Hollywood-Klassiker „Palm Beach Story“) als eine sehr gute L�sung, da auf diese Weise die Liebesgeschichte von Isabel & Ivo ausschnitthaft und pointiert erz�hlt werden kann. Am�sant ist vor allem das Spiel mit den Konstanten der Screwball Comedy. Maiwald und Tensing kehren geschlechterspezifisch hier das �bliche Muster um: Wir treffen nicht auf das „verr�ckte Huhn“ und den verkopften Professor wie beispielsweise in „Leoparden k�sst man nicht“, „Die Falschspielerin“ oder „Is‘ was, Doc?“, sondern auf eine emotional gehemmte, etwas weltfremde Frau und einen Charmeur ohne Plan. Nur in einem Punkt sind sie sich �hnlich: Beide wollen es ihren Liebsten recht machen. Daf�r geht der spontane Ivo in den Knast, und auch Isabel begibt sich ins Gef�ngnis, allerdings eines, welches sie sich selbst aus ihren Vorstellungen von der perfekten Frau gezimmert hat. Wie das vermeintlich moralische, so wird auch das soziale, materielle Gef�lle nicht �berstrapaziert, sondern angenehm sophisticated in die Comedy eingebaut. So steht kurzzeitig von Seiten Ivos Tochter der Gedanke im Raum, dass ihr Vater von dieser Frau ausgehalten werden k�nnte. Bezahlt wird der aber nat�rlich f�r seine Pflegedienste. Dennoch gibt es eine Szene, die auf diesen Subtext subtil rekurriert. Als Ivo einen Vorschuss erbittet, kommentiert Isabel die Lohnauszahlung mit den Worten: „Und 50 mehr – war ja auch ohne Gummi.“ Darauf findet selbst Ivo keine lockere Antwort. Er springt sofort auf den Subtext an, dabei wollte sie offensichtlich auch nur einmal witzig sein; doch der Witz geht daneben.�
Foto: ZDF / Marion von der MehdenIn vielen Szenen ist der Hafen immer in Sichtweite. Immerhin war Isabels Vater Kapit�n und sie selbst ist Schiffbauingenieurin – und auch die Handlung wird immer wieder aufs Wasser verlegt, was der Kom�die etwas Frisches, Sommerlich-Luftiges gibt (denn der Himmel ist nur selten so bedeckt wie auf dem Foto: gedreht wurde im Sommer 2018!). Das ist die in der Kritik beschriebene Szene, die den Subtext "Sie bezahlt ihn" (l�sst er sich von ihr aushalten?) aufnimmt. Sch�ttler & Jovanovic
Die Dialoge sind knapp, nicht gewollt witzig, sondern zweckdienlich,
was die Charakterzeichnung, den Gang der Handlung und die locker-humorvolle Grundstimmung des Films angeht.
Ein Beispiel (auch wenn Isabels erste Replik �berarbeitungsw�rdig ist): Isabel zeigt Ivo das Tiefk�hlfertiggericht, das er ihrem Vater machen soll.
Ivo (kann’s nicht fassen – lachend): „Hat ihm der Schlaganfall seine Geschmacksnerven zerschossen?“
Isabel (ernst & steif): „Ich wei�, das ist keine F�nfsternek�che. Aber ich denke, dass hier der Zeit-Nutzen-Faktor durchaus ertr�glich ist.“
Ivo: „Und ich denke, man lebt nur einmal und sollte davon was haben.“
Isabel (kann sich ein L�cheln nicht verkneifen): „Ich sehe schon, Sie sind eine ganz gro�e Nummer, was wertvolle Phrasen angeht.“
Foto: ZDF / Marion von der MehdenIm Gegensatz zu Isabel liebt es Ivo (Aleksandar Jovanovic) zu kochen. Nicht nur deshalb ist "Patient" Ernst (Manfred Zapatka) von seinem neuen Pfleger sehr angetan.
Die Gegens�tze zwischen dem Paar sind nicht nur daf�r verantwortlich, dass es so lange dauert, bis die beiden zueinander finden, die Gegens�tze bestimmen auch die Dramaturgie des Augenblicks; sie kommen dabei mit gepflegtem Understatement daher (er sagt irgendwann mal, dass er Vegetarier sei, und dann sieht man sie, wie sie sich Riesensalamistullen reinhaut). Aleksandar Jovanovic, fr�her in Krimis gern genommen als einer f�r die extrem sadistischen F�lle, spielt den (meist) tiefenentspannten Lebensk�nstler als einen Mann zum Liebhaben. Und Katharina Sch�ttler gibt der faszinierenden Verz�gerungsmethode, die der Film �ber die gesamte Laufzeit beherzigt, ein Gesicht. Wenn sie eines jener besagten Salamibrot isst, k�nnte man ihr minutenlang dabei zusehen. Sie spielt ihre Isabel, als w�rde diese st�ndig �berlegen, welche Reaktion angemessen, welcher Gesichtsausdruck jetzt wohl der richtige w�re. Dass diese Angst vorm Kontrollverlust ganz am Ende von dessen „Mitverursacher“, ihrem mittlerweile so handzahmen Vater, wiederaufgenommen wird, ohne dass die Angst dem Film vorher als Sub-Thema aufgeladen worden w�re, ist auch eine St�rke dieser Geschichte, die ihre erz�hlerische Dichte beil�ufig entwickelt. Was die Erz�hlweise angeht, so sind die ersten 70 Minuten f�r eine Kom�die eher langsam – und doch hat der Film einen fast perfekten (!) Flow. So strukturieren R�ckblenden den Plot und erm�glichen rasche Szenenwechsel.�
Foto: ZDF / Marion von der MehdenIvo hat dazugelernt. Er will wieder mehr Verantwortung f�r seine Tochter (Carolyn Genzkow) �bernehmen. Ihre Bef�rchtung, dass er krumme Sachen macht oder sich von einer Frau aushalten l�sst, ist unbegr�ndet und wird in der Geschichte auch nicht unn�tig ausgewalzt. Es geht vielmehr um ein unkonventionelles, ungleiches Paar.
Die einzelnen Situationen werden dann aber ausgespielt, einige von ihnen so k�stlich und f�r TV-Verh�ltnisse (erst recht im „Herzkino“-Vergleich) unkonventionell, dass man sie nicht so schnell vergessen wird. Wenn beispielsweise Isabel (ein Tusch f�r die Kost�me: Majie P�tschke) an einem ihrer zahllosen, blass unifarbenen Pullis herumnestelt, um irgendwann unter ihrer braven Bluse einen Brustbeutel hervorzuholen, dann ist das nicht nur einer jener klugen, herrlich gedehnten Schmunzelmomente, sondern auch eine sehr wahrhaftige Situation, in der sich ihre Unsicherheit und �ngstlichkeit (Brustbeutel!), ihre Angepasstheit an die �berkommene hanseatische Etikette und auch das Machtverh�ltnis zwischen ihr und Ivo spiegeln. Da ist der Heiratsantrag mit Champagnerverschluss als Ringersatz, dem eine gnadenlose Verlegenheitsszene mit Eklat-Option vorausgeht, die von Sch�ttler phantastisch in der Schwebe gehalten wird. �hnlich unvergesslich: der erste Kuss. Dieser resultiert quasi aus einem Spiel im Spiel. Isabel, die man in der Schule nicht die Julia spielen lassen wollte, rezitiert entgeistert den Shakespeare-Text, und Ivo kann davon nicht genug kriegen: „Wollen Sie mir nicht auch noch die anderen Kussszenen vorspielen?“ (Text-Stand: 10.4.2019)
Foto: ZDF / Marion von der MehdenIhre unifarbenen Pullis hat die verliebte Hanseatin mittlerweile abgelegt... Isabel & Ivo sind grundverschieden, aber vielleicht gerade deshalb ein "fast perfektes" Paar.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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