Felix Braz geht gegen seine Entlassung aus der Regierung vor. Der Fall des ehemaligen Vizepremiers wird nun vor dem Verwaltungsgericht verhandelt. Der Staat fährt zur Verteidigung schwere Geschütze auf. Denn die Affäre birgt das Potenzial einer Verfassungskrise.

„Es war ein regelrechter politischer Mord“, sagte Jean-Marie Bauler vergangene Woche vor dem Verwaltungsgericht. Gemeint ist der erzwungene Rücktritt seines Mandanten, Felix Braz. Nach seinem Herzinfarkt im August 2019 musste der damalige Minister mehrere Monate im Krankenhaus behandelt werden. Die Aussichten auf eine schnelle Genesung waren düster. Um die Handlungsfähigkeit der Regierung sicherzustellen, wurde Felix Braz aus der Regierung entlassen. Für ihn übernahmen zwei Parteikollegen: Sam Tanson im Justizministerium und François Bausch als Vizepremier. Henri Kox (Déi Gréng) ersetzte Sam Tanson im Wohnungsbauministerium und seine Nichte Chantal Gary (Déi Gréng) rückte ins Parlament nach.

Die Ausführungen des Anwalts verdeutlichen, dass es hier nicht nur um eine gewöhnliche Entscheidung der staatlichen Verwaltung geht. Der Fall von Felix Braz hat eine politische Dimension, die auch vor Gericht eine Rolle spielte. Genau diese versuchten die Vertreter des Staates hervorzuheben, um den „Recours“ des ehemaligen Ministers für nichtig zu erklären. Das Gericht solle sich als nicht zuständig erklären, forderten die Anwälte Christian Point und Félix Hennico. Die Konsequenzen für das Land würden sonst weit über den Fall von Felix Braz hinausgehen.

Eine Frage der Zuständigkeit

Da es sich beim „Arrêté Grand-Ducal“ vom 11. Oktober um eine Regierungsakte handelt, unterliege die Entscheidung keiner Kontrolle durch das Verwaltungsgericht, so die Argumentation der Vertreter des Staates vor Gericht. Das war bereits vorher die Position der Regierung. „Das Gegenteil zu behaupten, würde bedeuten, dass das Verwaltungsgericht gegebenenfalls die Ernennung oder Entlassung eines Regierungsmitglieds aufheben könnte, was gegen die Gewaltenteilung verstoßen würde“, erklärte das Staatsministerium am 8. November 2019 in einem Brief an die Anwälte von Felix Braz.

Folgt man dieser Argumentation, würde eine Einmischung des Gerichts eine juristische Büchse der Pandora öffnen. Die Berufung zuzulassen wäre „eine Infragestellung des parlamentarischen Systems und der Organisation des Staates“, warnte der Rechtsanwalt Christian Point. Eine Kontrolle durch das Verwaltungsgericht verstoße gegen die Verfassungsordnung. Zudem könnte sonst jeder die Ernennung eines Ministers anfechten und so die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränken, so der Anwalt.

Für Jean-Marie Bauler und Jonathan Holler, die Felix Braz gemeinsam vor Gericht vertreten, ist dieses Argument nicht haltbar. Der Rücktritt sei nicht politisch zu begründen, weil es keine grundlegende Meinungsverschiedenheit zwischen Felix Braz und den anderen Regierungsmitgliedern gab. Im Gegenteil: Die Regierung hat bewusst auf eine Abberufung von Felix Braz verzichtet und bevorzugte es, im „Arrêté Grand-Ducal“ von einer „Démission honorable“ zu sprechen. In diesem Beschluss dankte Xavier Bettel dem ehemaligen Justizminister für seine Arbeit und begründete den Rücktritt mit dem Gesundheitszustand von Felix Braz. Dieser Passus ermögliche auch die Berufung vor Gericht, weil es sich deshalb nicht um eine politische Entscheidung handele und somit das Gericht zuständig sei, so die Anwälte des ehemaligen Ministers.

Die Unterscheidung zwischen einem Rücktritt und einer Abberufung ist für die Anwälte der Kanzlei „Bauler & Lutgen“ nicht unerheblich. Die Kontrollfunktion der Richter beschränkt sich auf die Überprüfung der Fakten. Da Felix Braz seinen Rücktritt nicht selbst einreichte, sei die Faktenlage, auf der der großherzogliche Beschluss fußt, falsch. „Die Formulierung ‚er wurde zurückgetreten‘ gibt es nicht. Das Verb existiert nicht im Passiv“, sagte Jean-Marie Bauler. Der Wortlaut des großherzoglichen Beschlusses könne demnach nicht korrekt sein.

Ein Minister im Krankenschein

Dabei gab es auch andere Möglichkeiten, um einen Rücktritt des Justizministers zu verhindern. In den letzten Jahren waren mehrmals Minister krankheitsbedingt für mehrere Monate ausgefallen. Nach einem schweren Verkehrsunfall im Jahr 1989 lag der damalige Arbeitsminister Jean-Claude Juncker (CSV) für drei Wochen im Koma und war anschließend mehrere Monate nicht arbeitsfähig. Aus gesundheitlichen Gründen mussten auch François Biltgen (CSV) im Jahr 2010 und kürzlich auch Paulette Lenert (LSAP) ihr Amt ruhen lassen. Für diese Zeit übernahmen andere Regierungsmitglieder die Geschäfte.

Auch im Fall von Felix Braz wurde zuerst Sam Tanson als Justizministerin „faisant fonction“ ernannt. Warum diese Lösung nach nur einem Monat verworfen wurde, ist für die Anwälte des Ex-Vizepremiers nicht nachvollziehbar. Für die Zeit, bis eine zufriedenstellende Option für den ehemaligen Minister gefunden werden konnte, wäre eine vorübergehende Ernennung von Sam Tanson wünschenswert gewesen, schreibt Jean-Marie Bauler in seiner „Mémoire de Réplique“, die Reporter.lu vorliegt.

Die Eile, einen neuen Minister zu ernennen, ist indes auf die Grünen zurückzuführen. Während eines außerordentlichen Kongresses am 3. Oktober 2019 beschloss die Partei die Regierungsumbildung. Die Anwälte des Staates sehen die Verantwortung deshalb bei den Grünen. Wer als Minister ernannt werde, würde von den Regierungsparteien entschieden werden, so die Juristen von „Arendt & Medernach“. Dies gehe aus den Statuten der jeweiligen Parteien hervor. Dort zählt zum Aufgabenbereich der Landesversammlung, „die Nominierung der Vertreterinnen und Vertreter auf die Déi Gréng zustehenden Regierungsposten“.

Formaljuristisch haben die Parteien jedoch gar nicht diese Macht, entgegnete Jonathan Holler vor Gericht. Laut Verfassung werden die Regierungsmitglieder vom Großherzog ernannt und abberufen. Zwischen dem Großherzog und den Regierungsmitgliedern gibt es zudem keine „Autorité intermédiare“ heißt es im Artikel 79 der Verfassung. Für den Anwalt von Felix Braz liegt die Verantwortung demnach klar beim Großherzog.

Ein Minister als hoher Beamter

Die Akte ist voll mit solchen juristischen Spitzfindigkeiten. Die Frage, ob das Gericht zuständig ist, täuscht dabei über den eigentlichen Hintergrund der Beschwerde hinweg. Für den ehemaligen Minister geht es nämlich nicht nur um eine Richtigstellung der Geschehnisse, sondern auch um Geld. Durch den Rücktritt erhielt Felix Braz ein Übergangsgeld, das sogenannte „Traitement d’attente“. Für zwei Jahre beziehen ehemalige Minister weiterhin ein geringeres Gehalt vom Staat. Vor einem Jahr ist dieses Übergangsgeld ausgelaufen.

Für die Anwälte von Felix Braz handelt es sich hierbei um einen Verstoß gegen das Prinzip der Gleichbehandlung. Minister seien in ihrer Funktion vergleichbar mit hohen politischen Beamten, die zum Teil auch nur für eine Periode von sieben Jahren ernannt werden. Bei deren Ernennung spielen ebenfalls politische Erwägungen eine Rolle und beide üben eine Führungsposition im Staat aus.

Beim arbeitsrechtlichen Schutz unterscheiden sich Minister jedoch von hohen Beamten. Die Beamten können etwa für 18 Monate einen Krankenschein haben. In dieser Zeit würden sie weiterhin mehr verdienen als ein ehemaliger Minister. Die Anwälte von Felix Braz wollen deshalb eine Frage an das Verfassungsgericht richten, um zu klären, ob das Gesetz über hohe Beamte verfassungskonform sei, weil es nicht die gleichen Bestimmungen für arbeitsunfähige Minister vorsehe.

Für den Staat ist hingegen klar, dass beide Fälle nicht vergleichbar seien. „Nur ein Gesetz könnte ein vergleichbares System für Minister einführen“, sagte Christian Point. Das ist jedoch nicht geschehen. „In seiner Funktion als Justizminister hatte Felix Braz die Möglichkeit, ein Gesetz für einen solchen Fall vorzulegen“, so der Anwalt weiter. Der Unterton: Der Minister sei selbst für seine heutige finanzielle Situation verantwortlich.

Verfassungsrechtliche Folgen

Glaubt man den Vertretern des Staates, ist die Regierung jedenfalls der einzige Akteur, der in dieser Frage keine Verantwortung trägt. Das Verwaltungsgericht muss nun klären, ob es dieser Argumentation folgt und sich als nicht zuständig erklärt, den Fall verwirft oder den Rücktritt von Felix Braz aufhebt.

Sollten die Richter die damalige Entlassung anfechten, käme das der Zündung einer politischen Bombe gleich. Denn wie der Anwalt Jean-Marie Bauler schon einmal hervorhob, wäre damit nicht nur die Regierungskonstellation, sondern auch die Zusammensetzung des Parlaments unzulässig. Die Folge wäre eine akute Verfassungskrise. Doch auch ohne eine solche Krise ist klar, dass die Entscheidung des Gerichts in jedem Fall weitreichende Folgen für das Verfassungsrecht Luxemburgs haben wird.


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