Hitlers Gefährtin: „Eva Braun war ein sehr depressiver Mensch“ - WELT
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Zweiter Weltkrieg Hitlers Gefährtin

„Eva Braun war ein sehr depressiver Mensch“

Geliebte, Frau oder Schmuckstück? Hitlers Verhältnis zu Eva Braun liefert noch immer Stoff für Spekulationen. Als „Braut des Bösen“ deutet sie jetzt Michael Kloft in einer großen ZDF-Dokumentation.
Leitender Redakteur Geschichte
Eva Brauns private Filme vom „Berghof“

Hitlers Geliebte Eva Braun filmte regelmäßig in der riesigen Alpenresidenz „Berghof“, wo sie viel Zeit verbrachte. Die Bilder prägten das Bild des Diktators und wirken bis heute fort.

Quelle: WELT/Dominic Basselli

Autoplay

Hinter jedem starken Mann stehe, so lautet ein längst nicht mehr zeitgemäßer Spruch, eine starke Frau. Wer aber steht hinter einem hasszerfressenen, ausgesprochen destruktiven, kriminellen Mann?

Hinter Adolf Hitler jedenfalls stand Eva Braun. Sie war in der gesamten Zeit seiner Macht über Deutschland seine private Gefährtin. Viel mehr allerdings ist nicht gewiss über die Beziehung der beiden: War sie nur eine „dümmliche Blondine“, die den bindungsunfähigen „Führer“ anhimmelte, ein hübsches Beiwerk ohne jede Bedeutung? Oder führten die beiden eine zwar streng geheim gehaltene, aber dennoch im Prinzip „normale“ Beziehung?

Adolf Hitler und Eva Braun auf dem Balkon des Berghofes, dem Landhaus Adolf Hitlers.
Adolf Hitler und Eva Braun auf dem Balkon des Berghofs über Berchtesgaden
Quelle: ZDF und Spiegel TV

Der Dokumentarfilmer Michael Kloft geht jetzt für ZDF Info dieser Frage nach, die auch mehr als 72 Jahre nach dem gemeinsamen Selbstmord des gerade einmal rund 40 Stunden verheirateten Ehepaars am 30. April 1945 im Berliner Führerbunker offen ist. Eva Braun war mehr als ein Dutzend Jahre ohne Zweifel die „Braut des Bösen“, so der Untertitel seines Films – aber was genau heißt das?

So intensiv wie niemand sonst hat sich die Historikerin Heike B. Görtemaker mit Eva Braun beschäftigt. Ihre erstmals 2010 erschienene Biografie mit dem Untertitel „Leben mit Hitler“ ist in die meisten Weltsprachen übersetzt worden und fast überall ein Verkaufserfolg. Seither sind auch keine neuen Quellen mehr aufgetaucht – ein angebliches Tagebuchfragment Brauns erwies sich als ziemlich geschmacklose Satire. Daher bleibt Görtemakers Fazit weiter gültig: Brauns Leben gewähre „einen tiefen Einblick in die im NS-Staat sorgsam verborgene und offiziell geleugnete private Existenz des Diktators, die entgegen späteren Beteuerungen der Mitglieder des ,Hofstaates‘ nicht vom politischen Dasein Hitlers zu trennen war“.

Eva Braun beim Blumenpflücken. Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/nr/105413 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/ZDFinfo"
Schnappschuss beim Blumenpflücken
Quelle: obs/ZDFinfo

Bekannt sind seit Langem die Fakten von Eva Brauns Leben: geboren 1912 als Tochter eines Berufsschullehrers, wuchs sie trotz turbulenter Familienverhältnisse in Münchens „bürgerlicher Normalität“ auf und ging nach dem Schulabschluss bei dem Fotografen Heinrich Hoffmann in die Lehre. Über ihn lernte Eva Braun 1929 einen gewissen „Herrn Wolf“ kennen. Zunächst erkannte sie den „Führer“ einer zwar schon bekannten, aber noch unbedeutenden Splitterpartei namens NSDAP wohl nicht.

Anfang der 1930er-Jahre, Hitler war inzwischen zum mächtigsten Oppositionspolitiker aufgestiegen, intensivierte sich das Verhältnis der beiden. Ab 1936 lebte Eva Braun teilweise in einem von Hitler gekauften Haus in München, teilweise auf seiner Alpenresidenz oberhalb von Berchtesgaden, dem „Berghof“.

Im Dritten Reich blieb ihre Existenz ein streng gehütetes Geheimnis; nur auf einem einzigen in Deutschland vor 1945 veröffentlichten Foto war sie in unmittelbarer Nähe zu Hitler abgebildet: Während der Eröffnungsfeiern zu den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen saß sie eine Reihe hinter ihm.

Im Zweiten Weltkrieg sahen sich die beiden nur, wenn Hitler auf dem Berghof oder in München war; sowohl im „Berghof“ wie in der Wohnung am Prinzregentenplatz hatte Eva Braun ein eigenes Schlafzimmer mit direktem Zugang zu Hitlers Privaträumen. Ähnlich war es auch in der Reichskanzlei in Berlin, genauer: im Palais Wilhelmstraße 77, wo die 23 Jahre jüngere Frau aber nur selten übernachtete.

Gegen Hitlers Willen kam Eva im März 1945 aus München in den „Führerbunker“ in Berlin; ein Raum des gerade einmal knapp 50 Quadratmeter kleinen Privatbereichs wurde für sie eingerichtet. Wie auch in den allen anderen Quartieren gab es hier zwei Einzelbetten in getrennten Räumen.

Eva Brauns privater Blick auf Adolf Hitler

Ein Fotoalbum mit privaten Fotos führender Nationalsozialisten kommt in England unter den Hammer. Es soll aus Eva Brauns Schlafzimmer stammen. Entdeckt wurde es 1945 in Hitlers Berliner Bunker.

Quelle: N24

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Auch Klofts Film kann nicht klären, ob Hitler und Eva Braun eine „normale“, also intime und auch sexuelle Beziehung miteinander hatten. Heike Görtemaker glaubt das, andere NS-Experten halten das Verhältnis für platonisch. Unabhängig davon gelingt es der ZDF-Info-Dokumentation, die bekannten Fakten über die Gefährtin Hitlers mit gut ausgewählten Fotos und vor allem Ausschnitten aus ihren oft farbigen 16-Millimeter-Amateurfilmaufnahmen zu illustrieren.

„Eva Braun – Braut des Bösen“ ist eine gut gemachte, aber konventionelle Geschichtsdokumentation. Kloft hat mehrfach, am eindrucksvollsten vielleicht in seinem Film „Das Goebbels-Experiment“ gezeigt, dass er auch innovative Formate beherrscht. Diesmal hat er sich auf die klassischen Ingredenzien beschränkt: Schnipsel aus originalem Material, abgefilmte Fotos, die Interviewsequenzen mit der Expertin Görtemaker – und als Zeitzeugin Eva Brauns zwölf Jahre jüngere Cousine Gertrud Weisker.

Sie hat schon in verschiedenen anderen TV-Dokumentationen mitgewirkt. Spannend werden ihre Erinnerungen und teilweise auch rückblickenden Interpretationen jedoch im Zusammenhang mit Heike Görtemakers Deutungen. Einen breiten Raum in Klofts Film nimmt dementsprechend die Frage ein, welche Hintergründe die zwei oder drei Selbstmordversuche Eva Brauns in den 1930er-Jahren hatten.

Hitlers Gefährtin sei ein „ausgesprochen depressiver Mensch“ gewesen, meint die Zeitzeugin Weisker; das habe sich auch in ihrem geradezu manischen Hang zum Umkleiden oder ihrer Oberflächlichkeit und ihrer Konzentrationsunfähigkeit gezeigt. Die Historikerin Görtemaker sieht in den suizidalen Selbstverletzungen eher das Heischen um Anerkennung des geliebten oder auch nur angehimmelten Mannes.

Beides ist gewiss denkbar, für beides gibt es durchaus Indizien. Eine eindeutige Entscheidung jedoch lassen die überlieferten Informationen nicht zu. Sicher ist nur: Hitler brauchte Eva Braun nicht, sie stand in diesem Sinne nicht „hinter ihm“. Allerdings hatte sie auch keinen mäßigenden Einfluss. Insofern ist die zugespitzte Charakterisierung als „Braut des Bösen“ vielleicht sogar ganz treffend.

„Eva Braun – Die Braut des Bösen“, 8. Juli, 20.15 Uhr, ZDF Info

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