Was für junge CDU-Politiker heute „konservativ“ ist
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Politik und Grundwerte

Was für junge CDU-Politiker heute „konservativ“ ist

Spaichingen / Lesedauer: 6 min

Zwischen neuem Grundsatzprogramm und Konkurrenz von rechts: Was bedeutet "konservativ sein" für junge CDU-Politiker? Zwei Spaichinger Kommunalpolitiker reflektieren diese Frage.
Veröffentlicht:16.03.2024, 05:00

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Die deutsche CDU hat ein neues Grundsatzprogramm erarbeitet, das beim Parteitag im Mai verabschiedet werden soll. Zugleich hat sich die katholische Kirche in einer nie dagewesenen Klarheit gegen die AfD positioniert: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar.“ Was bedeutet es in diesem Umfeld, heute „konservativ“ sein?

Die beiden jungen Spaichinger CDU-Politiker Stefan Villing (Jahrgang 1984, Jurist) und Stephan Stitzenberger (Jahrgang 1987, Polizeibeamter) vom CDU-Stadtverband Spaichingen haben im Gespräch mit Regina Braungart und Frank Czilwa über diese Frage reflektiert.

Was es zu bewahren gilt

Wörtlich bedeutet „konservativ“ so viel wie „bewahrend“. Bewahren muss man etwas aber nur, wenn es bedroht ist. Was ist das in den Augen der beide Kommunalpolitiker? „Was es aktuell zu bewahren gilt, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt“, findet Stefan Villing. Er fürchtet dass das Gemeinsame, der Zusammenhalt in der Gesellschaft bedroht sind - auch deshalb, weil es Akteure gebe, die diesen Zusammenhalt in Frage stellen.

Im lokalen Bereich funktioniere der gesellschaftliche Zusammenhalt dank Ehrenamt noch ganz gut: „Spaichingen ist ja nicht nur ein Raum, wo es Baugebiete gibt und wo Menschen leben“, so Stephan Stitzenberger. „Spaichingen hat eine eigene Identität, Werte, Kultur, womit sich die Menschen hier identifizieren.“ Das zeigt sich für ihn etwa in der großen Rolle, die das Ehrenamt in der Stadt spielt. „Und ich denke, das gilt es auch manchmal zu bewahren.“

Das Spaichinger Funkenfeuer fasziniert Alteingesessene und Neuzugezogene gleichermaßen.
Das Spaichinger Funkenfeuer fasziniert Alteingesessene und Neuzugezogene gleichermaßen. (Foto: Regina Braungart)

Das Funkenfeuer hat für ihn zum Beispiel gezeigt, wie ehrenamtliches Engagement zu Zusammenhalt und Integration beitrage: „Zugezogene sind auf mich zugekommen und haben gesagt: Das war so toll! Ich habe das zum ersten Mal gesehen, wie der Fackelzug vom Dreifaltigkeitsberg nach unten zieht.“ Auch viele andere Sprachen als Deutsch habe man da gehört.

Auch andere Traditionen gilt es zu bewahren

Zum Erhalt wertvoller Traidtionen gehört für Stitzenberger auch, „dass die Banater Schwaben weiter ihre Traditionen leben können, und wir sie als Gemeinderäte extrem dabei unterstützen.“ Doch das gelte aber auch für andere Kulturen, die in der Stadt leben.

Auch bei städtebaulichen Entscheidungen - etwa Innenstadtverdichtung oder Erschließung neuer Flächen - gelte es abzuwägen, „Für uns ist das Stadtbild etwas wahnsinnig wichtiges. Spaichingen sollte man ja wiedererkennen - auch die Generationen vor uns.“

Welche Rolle spielt noch das "C" im Parteinamen?

Für die Generation von Erwin Teufel und Franz Schuhmacher war der christliche Glaube eine wichtige Grundlage für ihr politisches Handeln. Welche Rolle spielt heute noch das „C“ im „CDU“-Namen für Stitzenberger (Jahrgang 1984) und Villing (Jahrgang 1987)? Der „christliche Hintergrund“, so Stephan Stitzenberger habe nichts damit zu tun, wie oft man in die Kirche geht, sondern welche Werte einem vermittelt werden“. Das fange schon bei scheinbar ganz „banalen“ Dingen an: „Beispielsweise Konfliktlösungen: Macht man das mit Gewalt oder macht man das verbal?“

Volker Kauder, so erinnert er, habe mal betont, dass die CDU keine „konservative“ Partei sei, sondern eine, die das „christliche Menschenbild“ vertrete. Für Stitzenberger bedeuten „christliche Werte“ auch, dass man auf den „mündigen Bürger“ setze.

Volker Kauder - hier während des Gedenkgottesdienstes für Wolfgang Schäuble im Berliner Dom - betont die christlichen Wertegrundlagen der CDU. Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Volker Kauder - hier während des Gedenkgottesdienstes für Wolfgang Schäuble im Berliner Dom - betont die christlichen Wertegrundlagen der CDU. Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Stefan Villing ergänzt den Wert der Bewahrung der Schöpfung: „Mit der Nachhaltigkeit hat das auch was mit der Natur zu tun, mit dem Klimaschutz und mit ähnlichen Dingen. Das sind alles unsere christlichen Werte und die haben wir auch mitbekommen.“

Erhaltung der Schöpfung als ein konservatives Leitbild

Bei konkreten Entscheidungen frage er sich auch immer, ob diese dem „christlichen Menschenbild“ entsprechen. „Auf kommunale Ebene ist die Erhaltung der Schöpfung ein Leitbild, das man haben sollte. Es sollte der Natur nicht schaden, aber bei den Entscheidungen sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen.“

Stefan Villing sieht „konservative Politik“ nicht nur bei der CDU, sondern auch bei anderen Volksparteien wie SPD („Seeheimer Kreis“) vertreten, aber auch bei den Grünen: „Auch grüne Politik ist ureigenste konservative Politik, so würde ich das wenigstens interpretieren.

Konservativ ist etwas, was sich entwickelt.

Stefan Villing

Was „konservative Politik“ bedeutet, ändert sich auch mit den Zeiten und Generationen, weshalb für die beiden CDU-Leute „konservativ“ und jung sein durchaus zusammenpassen. „Konservativ ist etwas, was sich entwickelt.“ Frieden und Wertschätzung für andere Kulturen sind in ihren Augen zum Beispiel heute auch „konservative“ Werte.

Stitzenberger: „Für uns heißt konservativ nicht, dass man stur an Alten festhält.“ Es heiße aber auch nicht einfach Mainstream und, „dass man jeden Quatsch gleich mitmacht und über jedes Stöckchen springt“.

Bewahren und die Dynamik des Kapitalismus

Für Stitzenberger beißen sich daher das bewahrende „konservativ sein“ und die ständig auf Innovation und Veränderung drängende Dynamik des Kapitalismus nicht. Im Gegenteil: Der Veränderungsdruck verlange eine feste Wertebasis. Der Konservative wolle bewahren, so Villing, sei aber auch offen für Neues.

Die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland ist für Stefan Villing eine große Errungenschaft, die aus seiner Sicht als Jurist auch gut funktioniere und - auch durch starke Gewerkschaften - durchgesetzt werde. „Ich habe das Gefühl, dass das soziale Korrektiv für den Kapitalismus in Deutschland funktioniert.“

Kulturkämpfe sind letztlich "Wohlstandsthemen"

Kulturkämpfe etwa ums „Gendern“ oder „Wokeness“ sind für Villing dagegen eher Randthemen - letztlich seien es „Wohlstandsthemen“, mit denen man sich beschäftigen könne, wenn sonst alles gut läuft. Er glaubt, dass die Bedeutung solcher kulturkämpferischer Themen in letzter Zeit wieder abnimmt und „ganz harte“ Themen wieder in den Vordergrund treten: „Wie sieht’s aus in der Wirtschaft? Wie sieht’s aus mit den sozialen Standards, die man hat?“

Sein politisches Interesse habe sich organisch entwickelt, so Villing. Schon in der Schule sei er am Themenfeld Politik und Geschichte interessiert gewesen. „Aktiv verfolge ich die Politik, seit ich etwa zwölf Jahre alt bin.“ Dass in der Politik Entscheidendes beschlossen wird, das konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat, hat ihn fasziniert.

Grundwerte waren entscheidend

Sein Weg in die Junge Union und dann in die CDU sei „ein natürlicher, schleichender Prozess gewesen. Für die Entscheidung, es dann gerade die CDU geworden ist, in der er sich heute engagiert, seien am Ende tatsächlich die Grundwerte und das christliche Menschenbild ausschlaggebend gewesen: „Diese Wertebezogenheit sehe ich so bei keiner anderen Partei.“

Auch bei Stitzenberger stand am Anfang das generelle Politikinteresse. Allerdings seien seine drei Geschwister „gänzlich unpolitisch“. Doch seien sie natürlich mit Werten erzogen worden und auch der Großvater habe ihm „das eine oder andere mitgegeben. „In Spaichingen ist der Weg zur jungen Union kürzer als zu einem anderen Verband, weil andere Parteien hier gar nicht organisiert waren, aber die JU stark war.“ Die CDU sei eben immer präsent gewesen.

Der Demo nicht verweigert

Dass die CDU anders als Grüne und SPD nicht ausdrücklich im Organisationsteam zur Demonstration für Demokratie und Menschenrechte am 1. März in Spaichingen vertreten war, habe nicht daran gelegen, dass man nicht habe mitmachen wollen, betonen die beiden auf Nachfrage. Die CDU sei zwar zum ersten Organisationstreffen eingeladen gewesen, hätte aber damals aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen können.

Klar für Demokratie und Menschenrechte

„Danach“, so Villing, „gab es keinen weiteren Kontakt mehr, aber aus unserer Sicht war die CDU-Beteiligung ja mit Franz Schuhmacher und dem Bürgermeister auch geklärt.“ - Auch wenn diese beiden nicht als offizielle CDU-Vertreter an der Demo teilnahmen. „Für uns“, so Villing, „ist auch ganz klar, dass wir natürlich zu den Aussagen dieser Demonstration stehen. Was kann es Klareres geben als eine Demonstration für Demokratie und Menschenrechte?“