Der Sekretär des Papstes Georg Gänswein spricht bei Häring in Bubsheim
StartseiteRegionalRegion TuttlingenBubsheimDer Sekretär des Papstes wird erst zum Schluss richtig nahbar

Bubsheim

Der Sekretär des Papstes wird erst zum Schluss richtig nahbar

Bubsheim / Lesedauer: 14 min

Der Vortrag zur Glaubenslehre im Bezug auf wirtschaftliches Handen löste das Versprechen, von Erfahrungen zu berichten nicht ein. Das Gespräch danach dann aber schon.
Veröffentlicht:23.03.2024, 17:00

Artikel teilen:

Fast wäre es schief gegangen, das Versprechen einzulösen, „Erfahrungen und Erkenntnisse aus meiner Zeit im Vatikan“ im Bezug auf ökonomisches Handeln im Licht des Glaubens zu vermitteln. Auf Einladung der Interessensgemeinschaft Erwin-Teufel-Schule war der Theologe, Erzbischof und frühere Privatsekretär des deutschen Papstes Benedikt XVI, Georg Gänswein, nach Bubsheim in das Anton-Häring-Firmenrestaurant für einen Vortrag gekommen.

„So voll hatten wir es noch nie“, sagte Häring-Chefin Miriam Häring zu Beginn zu den rund 500 Besuchern. Das Interesse aus allen der Wirtschaft oder an sie anlehnenden Institutionen inklusive des Namensgebers der Berufsschule selbst, des ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel, an diesem Thema war riesengroß.

Gänswein erzählte aber erst am Ende und auf Nachfragen von Miriam Häring von seinen Erfahrungen im Vatikan und auch mit dem inzwischen verstorbenen Papst und Emeritus-Papst. Er war nicht nur dessen Privatsekretär, sondern auch viele Jahre zuvor als Theologe vor und in der Glaubenskongregation, insgesamt 28 Jahre direkt an der Seite des deutschen Gelehrten und Papsts.

Jegliche ethische Position vom Menschen hergeleitet

Stattdessen war der Kern seines Vortrags das Wiedergeben der Grundzüge der von Ratzinger in seiner Enzyklika „Caritas in Veritate“ ( „Die Liebe in der Wahrheit“) dargelegten Glaubensauffassung zur Soziallehre. Im Wesentlichen ging es dabei um die unbedingte Herleitung jeglicher ethischer Position dem Menschen gegenüber aus Gott, dessen Ebenbild der Mensch sei. Es ging um die daraus abgeleitete Nächstenliebe als Fundament, die wiederum Grundwerte, Sozialstruktur und Ethos hervorbringen. „Ohne diese hängt ein Wirtschaftssystem in der Luft.“

Rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer wollten den Vortrag Georg Gänsweins hören.
Rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer wollten den Vortrag Georg Gänsweins hören. (Foto: Regina Braungart)

Die Werte zu finden, bedeute, in den Plan Gottes einzuwilligen, denn ein Humanismus ohne Gott sei ein unmenschlicher Humanismus. Es gehe um die Anerkennung der letzten Werte.

Soziale Verantwortung gegen Raffgier

Interessant, weil in diesem Forum vor vielen Jahren auch schon anders dargelegt, widersprach Gänswein mit Ratzinger der (Neo-)liberalen Vorstellung, der Markt regle alles, wenn alle in jeglicher Freiheit nur für sich selbst agierten, komme für alle das Beste heraus. Gänswein griff voraus: „Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch und das Maß des Menschen ist Gott.“ „Wettbewerb kann unmöglich das regulative Prinzip des Wirtschaftens sein. Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe müsse die Wirtschaft in die Zucht nehmen.“

„Dann war’s aus und ich war dagegen.“

Georg Gänswein

Und es brauche das Prinzip der Unentgeltlichkeit und des Geschenks, das sich neben Wirtschaft und Staat als Regulativ („soziale Marktwirtschaft“) vor allem in der Zivilgesellschaft finde. Denn Fairness, korrektes Handeln und Gerechtigkeit ließen sich niemals erzwingen ( „Sie können nicht jedem Steuerhinterzieher einen Steuerfahnder gegenüber stellen“). Stichwort: Soziale Verantwortung gegen Raffgier.

Ethik auch am Anfang und Ende des Lebens

Wichtig sei Benedikt auch gewesen, darauf hinzuweisen, dass diesen ethischen Grundlagen auch der Umgang in der Reproduktionsmedizin und -Forschung, aber auch der zunehmend beobachtbaren eugenischen Haltung zum Ende des Lebens widersprechen.

Der Vortrag war spannend wie eine Dogmatikvorlesung. Aber eigentlich trug er Wasser in den Jordan, denn die Zuhörer, vor allem die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer wären nicht gekommen, wenn sie die Notwendigkeit der Rückbindung ihres wirtschaftlichen Handels auf eine ethische Grundlage nicht anerkennen würden.

Den "Sprengstoffumschlag" nimmt er nicht an

Und so fragte Miriam Häring denn auch nach Entwicklungen wie KI, zu der im Spezfischen Gänswein aber nicht viel sagte. Und den „Sprengstoffumschlag“ (Kommentar Gänswein), den ihm Bürgermeister Thomas Leibinger mit gewinnender Freundlichkeit überreichte, nämlich die Frage nach dem wirtschaftlichen Handeln des Vatikan selbst, nahm Gänswein ebenso freundlich nicht an.

Als Gänswein auf Frage von Miriam Häring nach seinen bewegendsten Erfahrungen fragte und vor allem der, als Robert Ratzinger zu Papst Benedikt XVI gewählt wurde, hatte er wieder die ganze Aufmerksamkeit des großen Publikums. Bildhaft, lebendig - eine Papstwahl wurde so nahbar und menschlich. So: Langes Warten vor der Tür des Konklaves - Beifall - Stille - Türe auf, der jüngste Kardinal, („auch schon mehrfach volljährig“), guckt raus: „Wir haben einen Papst“. Türe zu. Die Spannung bleibt bis zum Schluss.

Die Rückzugsentscheidung des Papstes war ein Schock

Genauso nahbar die kleinen augenzwinkernden Spitzen gegen einen Akteur („Ein Mann, der mit der Macht kein Problem hatte“), oder auch die Schilderung, wie ihm Benedikt nach langer unruhiger Phase eröffnete, er wolle sich zurückziehen: „Dann war’s aus und ich war dagegen.“ Und zu genau dem Thema: „Wer vor einem bockigen Menschen steht und er wird noch milder (Benedikt) - das säbelt einem die Beine ab.“ Auf jeden Fall ist man durch den zweiten Teil neugierig auf Gänsweins Buch „Nichts als die Wahrheit“ geworden.

Häring Personalchef und Vorsitzender der Inter BS, Robert Pemsel, hatte zu Beginn Schule und Verein vorgestellt. Und Miriam Häring hielt eine für sich beachtenswerte Rede. Ihr Bezug auf den Umgang mit schlechten Nachrichten zur Geschichte Hiobs in der Bibel - so stellte sich später bei näherem Nachdenken heraus - hatte ganz viel mit Gänsweins Vortrag zu tun. Als beide im selben Anliegen und doch so unterschiedlich, auch in ihren jeweiligen großen Verantwortungen, nebeneinander auf der Bühne standen, wirkte das fest wie eine Allegorie auf die katholische Kirche.

Hier ist Miriam Härings Rede zum Nachlesen.