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Medizin / Pharmazie

Das 1940 publizierte systematische Hauptwerk des Autors versammelt neben dessen klinischen Erfahrungen als Internist und Neurologe die Ergebnisse und Einsichten sowohl der über zwei Jahrzehnte sich erstreckenden experimentellen Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie des Nervensystems als auch der hierzu gleichzeitig unternommenen naturphilosophischen und erkenntnistheoretischen Studien. Schon sehr früh zeigte sich in den Schriften Weizsäckers ein wissenschaftstheoretisches Interesse. Es galt gleichermaßen der Medizin wie der Biologie, genauer den „Grundlagen der Medizin“ und dem „Begriff des Lebens“.

Bei aller begriffstheoretischen und philosophischen Reflexion sind Ausgang und Ziel des Werks gleichwohl von praktischer Art: Sie gelten zuallererst dem „Umgang mit dem kranken Menschen“. Insofern geht es um das theoretische Fundament einer allgemeinen Lehre vom Menschen, die Weizsäcker ab 1925 als „Medizinische Anthropologie“ bezeichnete. Am Anfang des Gestaltkreises steht eine trivial anmutende Prämisse: die Unterscheidung lebender Wesen von nur gedachten Körpern, mithin die Suche nach Bestimmungen, die konstitutiv sind für „Lebensvollzüge“, nicht aber für die „objektive Erkenntnis einer lebensunabhängig gedachten Welt“. Die Subjektivität und ihr Verhältnis zur Objektivität bilden die zentrale Problematik des Werks. Für Biologie und Medizin stellt sich die Frage nach dem Gegenstand als Frage nach einem „Objekt, dem ein Subjekt einwohnt.“ Genau auf diese Frage versucht das Konzept vom „Gestaltkreis“ zu antworten: als eine Beschreibungsform für den erkennenden und handelnden Umgang von Subjekten mit Objekten, die selbst Subjekte sind. Die Revision der Grundbegriffe naturwissenschaftlichen Denkens (Raum, Zeit, Kraft, Kausalität) führt zum Projekt einer Lebenswissenschaft im Zeichen der „Teilhabe des Todes am Leben“.

Im Einzelnen geschieht dies auf dem Weg einer subtilen Analyse von „Wahrnehmung“ und „Bewegung“, von deren Bedingungen und Störungen. Die wahrnehmende „Begegnung von Ich und Gegenstand“ (Kohärenz) steht im Sinne einer raumzeitlichen „Formgenese“ mit dem Vollzugsgeschehen der Bewegung (Prolepsis) in einem Zusammenhang gegenseitiger Verborgenheit und Vertretbarkeit. Dies gilt für das Verhältnis von Psyche und Physis, von Organismus und Umwelt, wie auch für Subjekt und Objekt überhaupt. Dies alles waren für Weizsäcker „biologische Akte“, die er in der Weise „kreisartiger Verbundenheit“ einer „einseitig gedachten Kausalität“ von Reiz und Reaktion gegenüberstellte. Insofern steht der Gestaltkreis für ein neues „cyklomorphes“ Verständnis der Wirklichkeit. Hier hat der Zusammenhang von „ontisch“ und „pathisch“ seinen Ort: Wirkliches ist die vergegenwärtigende Verwirklichung von Möglichem – in der „Krise“ gar von Unmöglichem.

Die häufig zitierte Formel von der „Einführung des Subjekts“ hat damit zu tun, dass letztlich auch jede wissenschaftliche Erkenntnis ein biologischer Akt ist. Im Sinne des Gestaltkreises heißt dies, dass „wir zur Natur gehören, die Natur aber auch zu uns.“ Nicht zuletzt sind es die neueren Debatten um die Fortschritte der modernen Medizin, die ein markantes Beispiel für die Aktualität dieses Werks geben.