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Du sollst ein Segen sein

Heidi Adele Albrecht lebte das Einfache, das schwer zu machen ist

Die junge Frau, die 1953 jeden Morgen über die Rheinbrücke zum Bonner "General-Anzeiger" radelte, schrieb für 15 Pfennig pro Zeile Theaterkritiken. Ihr stand eine Karriere als Kulturjournalistin oder Dramaturgin in Aussicht. Doch Heidi Adele Albrecht, geb. Stromeyer, entschied sich anders: für die Rolle als Ehefrau und Mutter. 1955 wurde das erste ihrer sieben Kinder geboren. Sie zog mit ihrer Familie nach Luxemburg und dann nach Brüssel. Ihr Mann, Ernst Albrecht, brachte es bei der EWG, Vorläuferin der EU, zum Generaldirektor in der Wettbewerbskommission und 1976 zum niedersächsischen Ministerpräsidenten.

Die promovierte Germanistin war nicht nur "die Frau an seiner Seite". Sie war das Alter Ego des bis 1990 amtierenden Politikers, der 1980 fast Kanzlerkandidat der Union geworden wäre: temperamentvoll, eigenständig, auch eigenwillig-unbequem, begeisterungsfähig, den schönen Künsten und dem Philosophieren zugetan wie ihr Mann. Eine Frau, die sich einmischte. Die den etwas antiquierten Titel "Landesmutter" ernst nahm. Heidi Adele Albrecht hat insgesamt 22 Schirmherrschaften im sozial-karitativen Bereich übernommen und ausgefüllt. Ihrem Einsatz ist es mit zu verdanken, dass die Orgel im Danziger Dom wiederhergestellt wurde. Sie arbeitete für ein Dutzend Hilfsorganisationen, vom Müttergenesungswerk bis zur Lebenshilfe Sudan; sie trug dazu bei, dass Niedersachsen 1978 vietnamesische Boatpeople aufnahm. Als Bedenkenträger vom Verlust "deutscher Arbeitsplätze" redeten, antwortete sie: " Gut so. Hier wird dann das gesündeste Konkurrenzdenken wieder eingeführt. Die Vietnamesen sind nämlich keine Menschen, die nach der 35-Stunden-Woche fragen."

1988 kam Heidi Adele Albrecht vorübergehend in die Kritik, weil sie den in eine Affäre verwickelten ehemaligen hannoverschen Spielbankenchef Marian Felsenstein um Geld für humanitäre Zwecke gebeten und für Spenden gedankt hatte. "Ich habe mich für jede Spende überschwänglich bedankt", setzte sie sich kühl zur Wehr. "Egal, ob es das Scherflein einer Witwe oder ein paar Tausend Mark von Herrn Felsenstein waren. Ich bedanke mich auch von Herzen, wenn ich in der Kirche mit dem Klingelbeutel herumgehe."

Und das tat sie oft in ihrer St.-Pankratius-Kirchengemeinde in Burgdorf bei Hannover. 18 Jahre lang saß sie im Kirchenvorstand, war Synodale ihrer Landeskirche und zeitweilig der EKD. Eine Kämpferin auch hier - gegen linke Tendenzen, gegen den "Einbruch des Zeitgeistes". Sie ertrug es, als erzkonservativ abgestempelt zu werden. Weil sie sich in allem getragen von ihrer Familie und den vielen Freunden wusste. 1979 über das Rezept für ihr Glücklichsein befragt, antwortete sie: "Erstens wollen wir beide immer nur das Beste bringen: ich in der Familie genauso wie er in seiner Regierung. Deshalb treffen sich abends immer zwei ausgefüllte Menschen." Neben ihrem sozialen Engagement fand Heidi Adele Albrecht noch Zeit, zu jedem großen Fest ein Theaterstück zu schreiben. Früher wurde es von den Kindern, später von den 24 Enkelkindern aufgeführt.

Als Konfirmationsspruch hatte sie einst gewählt: "Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein" (1. Mose 12). "Sie war", schrieb die Familie jetzt in die Todesanzeige, "gesegnet und ein Segen für viele Menschen."

Heidi Adele Albrecht, am 31. Juli 1927 bei Bremen geboren, starb am 6. Juli 2002 in Beinhorn bei Burgdorf.

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