DDR: Ein Rückzugsort für Antisemiten - WELT
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Geschichte „Antifaschistischer“ Staat

Die DDR, ein Rückzugsort für Antisemiten

Im Osten, heißt es, sei die NS-Vergangenheit gründlicher aufgearbeitet worden als im Westen. Vieles spricht dagegen. Auch wurde die Staatsideologie genutzt, judenfeindliche Tendenzen zu überdecken.
Leitender Redakteur Geschichte
Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des faschistischen Terrors und des Kampftages gegen Faschismus und Krieg findet am 13.09.1987 die traditionelle Kundgebung auf dem Ostberliner Bebelplatz statt. Vor der Ehrentribüne, auf der neben SED-Generalsekretär Erich Honecker (M) weitere Mitglieder der Parteiführung sowie Veteranen des antifaschistischen Widerstandes Platz genommen haben, wartet ein Orchester der Nationalen Volksarmee (NVA) auf seinen Auftritt. Foto: Peter Zimmermann +++(c) dpa - Report+++ [ Rechtehinweis: (c) dpa - Report ] Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des faschistischen Terrors und des Kampftages gegen Faschismus und Krieg findet am 13.09.1987 die traditionelle Kundgebung auf dem Ostberliner Bebelplatz statt. Vor der Ehrentribüne, auf der neben SED-Generalsekretär Erich Honecker (M) weitere Mitglieder der Parteiführung sowie Veteranen des antifaschistischen Widerstandes Platz genommen haben, wartet ein Orchester der Nationalen Volksarmee (NVA) auf seinen Auftritt. Foto: Peter Zimmermann +++(c) dpa - Report+++ [ Rechtehinweis: (c) dpa - Report ]
Der "Antifaschismus" war die Staatsideologie der DDR – aber vollkommen verlogen
Quelle: picture-alliance/ ZB
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Vierzig Jahre lang inszenierte Ostdeutschland die DDR als „antifaschistischen“ Staat, der die Lehren aus dem Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus gezogen habe. Selbst im Westen war dieser Eindruck weitverbreitet: Das sozialistische Deutschland habe bei allen seinen „Fehlern“ immerhin die NS-Vergangenheit besser aufgearbeitet als die demokratische Bundesrepublik.

Chronik der DDR

Das Land, das ohne demokratische Legitimation gegründet wurde, der zweite deutsche Staat. Sehen Sie hier die Schlaglichter der DDR-Geschichte - bis zu ihrem Ende; der Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland.

Quelle: WELT

Doch diese Annahme ist gleich doppelt falsch. Denn einerseits hat die DDR die NS-Verbrechen keineswegs intensiver aufgearbeitet, sondern wesentlich schlechter. Andererseits überdeckte die offizielle Staatsideologie des „Antifaschismus“ all die rechtsextremen und antisemitischen Traditionen, die es in der DDR eben auch gab. Beispielhaft nachvollziehen kann man das an der Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit, an der Politik der SED-Führung und ihrem Apparat.

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Der sicher empörendste antisemitische Übergriff durch deutsche Behörden nach 1945 fand 1971 im brandenburgischen Jamlitz statt. Dort war ein Massengrab mit den Leichen von 577 vorwiegend jüdischen KZ-Gefangenen entdeckt worden, die bei der Zwangsarbeit gestorben oder ermordet worden waren.

Die sterblichen Überreste wurden exhumiert, eingeäschert und neu beigesetzt. Aber mehr als ein Kilogramm Zahngold der Toten sammelte die Stasi ein; es verschwand später spurlos. Die selbst ernannten „Antifaschisten“ hatten sich also an den toten jüdischen Opfern bereichert – wie zuvor die SS.

Dieses erst lange nach der Wiedervereinigung aus Stasi-Akten bekannt gewordene Vergehen fügt sich bruchlos in die antisemitische und antiisraelische Politik der SED-Diktatur. Offiziell lehnte das Regime von Ulbricht und Honecker unter dem Schlagwort „Antizionismus“ die Existenz Israels ab.

Da der jüdische Staat der wichtigste Verbündete der USA im Nahen Osten war, unterstützte der Ostblock die arabischen Staaten, die 1956 und 1973 zweimal in Kriegen Israel angriffen und 1967 lediglich durch einen Präventivschlag an einem Angriff gehindert wurden.

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Nach dem Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelische Olympiamannschaft in München 1972 beklagten die zentral gelenkten DDR-Zeitungen zwar das „furchtbare Blutbad“. Verantwortlich gemacht wurden dafür aber nicht die Täter, sondern die westdeutschen Behörden.

Wer den Kommentar im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ las, musste sogar den Eindruck gewinnen, dass eigentlich das Herkunftsland der Opfer schuldig sei: „Es ist bekannt, dass die DDR gegen die Aggression Israels an der Seite der arabischen Staaten steht“, hieß es da. Doch der Antisemitismus der SED hatte auch alltägliche Formen – etwa die antijüdischen Affekte im Parteiapparat, die Verfolgung der jüdischen Gemeinden und die Unterstützung palästinensischer Terroristen.

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Tatsächlich waren stillschweigend auch ehemalige Nationalsozialisten in die DDR-Gesellschaft integriert worden, und der Umgang mit der NS-Vergangenheit folgte allein politisch-propagandistischen Erwägungen. Schon Anfang der 1950er-Jahre führte die SED, zeitgleich mit der KPdSU, den ungarischen und den tschechoslowakischen Kommunisten, „Parteisäuberungen“ mit antijüdischer Tendenz durch.

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So wurde das nicht jüdische Politbüromitglied Paul Merker, der sich für das Existenzrecht Israels eingesetzt und Entschädigungszahlungen gefordert hatte, zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Vorwurf: Er habe „zionistische Positionen“ vertreten.

Zeitgleich verloren 200 bis 300 SED-Funktionäre ihre Funktionen, darunter auffällig viele jüdischer Herkunft wie Leo Bauer, Bruno Goldhammer oder Hans Schrecker. Viele verbrachten lange Jahre in Haft. Die meisten Angeklagten im antisemitischen Schauprozess gegen Rudolf Slansky Ende 1952 in Prag wurden hingerichtet.

SED-Generalsekretär Erich Honecker (M) grüßt winkend am 13.09.1987 in Ostberlin Ehrengäste und Veteranen des antifaschistischen Widerstandes auf einer Ehrentribüne, hinter ihm gehen Ministerpräsident Willi Stoph (halb verdeckt), Hermann Axen, Heinz Keßler, Erich Mielke und Otto Funke (r), Vorsitzender des Komitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer. Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des faschistischen Terrors und des Kampftages gegen Faschismus und Krieg fand die traditionelle Kundgebung auf dem Bebelplatz statt. Im Hintergrund das Hauptgebäude der Humboldt-Universität. Foto: Peter Zimmermann +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
Erich Honecker (M.) 1987 beim Gedenktag für die Opfer des Faschismus. Doch die DDR unterstützte antisemitische Terroristen
Quelle: picture-alliance/ ZB

Ebenfalls zur gleichen Zeit übte die Stasi massiven Druck auf die damals acht jüdischen Gemeinden in der DDR aus. Anfang 1953 flüchteten mehr als 500 jüdische DDR-Bürger nach West-Berlin. Unter ihnen waren Julius Meyer, KZ-Überlebender und Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, sowie die Vorsitzenden der Gemeinden in Erfurt, Dresden, Leipzig und Halle, meist mit ihren kompletten Familien.

Das „Neue Deutschland“ fabulierte daraufhin von „Agentenbanden“, die „zu einem großen Teil aus Juden bestehen“, und überschrieb am 10. Februar 1953 einen antisemitischen Artikel mit den Worten: „Den Zionismus entschieden bekämpfen!“ Bis 1961 sank die Zahl der Mitglieder jüdischer Gemeinden in der DDR auf knapp tausend Menschen, bis 1989 sogar auf nur noch 400.

Die SED unterstützte auch militante Antisemiten. Terroristen aus Nahost erfuhren seit Sommer 1967 breite Unterstützung – in der DDR fanden sie sichere Rückzugsräume für Kranke und Verletzte, und sie konnten mit Waffenlieferungen von dort rechnen. So lieferte das SED-Regime 1973 an die Terrororganisation PLO 2000 Maschinenpistolen, 500 Sprengsätze und zehn Scharfschützengewehre.

ARCHIV - Fahndungsfotos um 1971 von Mitgliedern der Baader-Meinhof Gruppe. Von oben links nach rechts: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Manfred Grashof, Marianne Herzog, Ulrike Meinhof, Holger Meins, Jan-Carl Raspe, Bernhard Braun, Georg von Rauch und Ralf Reinders. Foto: dpa (zu dpa "Bleierne Zeit? Was der Terrorismus mit uns macht" vom 15.12.015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit
Fahndungsfotos von Mitgliedern der Baader-Meinhof-Gruppe
Quelle: picture alliance / dpa

Schon 1970 hatten zwei Gruppen westdeutscher linksextremer Terroristen der gerade entstandenen Rote Armee Fraktion über Ost-Berlins Flughafen Schönefeld ungehindert in den Nahen Osten fliegen dürfen, um in Terrorcamps der Palästinenser ausgebildet zu werden. Ähnliches wiederholte sich in den 70er-Jahren mehrfach. Das war zumindest eine indirekte Unterstützung antisemitischer Aggression.

Der Palästinenser Abu Daoud, Drahtzieher des Münchner Attentats von 1972, bekam umfangreiche Hilfe in der DDR – er konnte jahrelang immer wieder in Ost-Berlin abtauchen. Wadi Haddad, ein anderer führender palästinensischer Terrorist und Organisator der Entführung der Lufthansa-Boeing „Landshut“ nach Mogadischu, wurde in Ost-Berliner Kliniken behandelt und starb 1978 dort.

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Die gesamte Staatsideologie des „Antifaschismus“ war eine äußerst zweifelhafte Sache. In der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 in der DDR wurde die NS-Vergangenheit noch weitaus schlechter aufgearbeitet als im Westen Deutschlands. Das wurde auch daran deutlich, wie dort die sogenannte Entnazifizierung durchgeführt wurde.

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Allein in der amerikanischen Besatzungszone wurden zwischen 1946 und 1950 insgesamt rund 950.000 Menschen vor Spruchkammern gebracht, von denen 106.422 als minderbelastet, 22.122 als belastet und immerhin 1654 als Hauptschuldige eingestuft wurden.

In der sowjetischen Zone gingen die deutschen Kommunisten einen anderen Weg. Bereits Anfang 1946 hatte die „Partei der Arbeiterklasse“ (damals noch unter dem Namen KPD) begonnen, NSDAP-Mitläufer zu umwerben. „Wir wollen diesen Kräften, die einfache PGs waren beziehungsweise nominelle Nazis, wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, innerhalb unserer Kampffront zu arbeiten und sich zu bewähren“, verkündete Parteichef Wilhelm Pieck am 11. Januar 1946.

Vier Monate später schrieb er, inzwischen einer der beiden Chefs der nach der Zwangsvereinigung mit der SPD entstandenen SED, im Parteiorgan „Neues Deutschland“ über den „Sinn der Entnazifizierung“. Zwar bekannte er sich zu einer „gründlichen Säuberung Deutschlands vom Nazigeist“.

(L-r) Erich Honecker, Mitbegründer und Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend, seine spätere zweite Frau Margot Feist und der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, beim Deutschlandtreffen der Jugend in Ost-Berlin am 31.05.1950. | Verwendung weltweit
Erich Honecker und seine spätere zweite Frau Margot Feist mit DDR-Präsident Wilhelm Pieck 1950
Quelle: picture-alliance / dpa

Zugleich aber stellte Pieck fest, „wesentlich anders“ sei es bei „den Millionenmassen, die auf den Nazischwindel hineinfielen und Mitglieder der Nazipartei wurden“. Mehrheitlich handele es sich um „Angehörige des werktätigen Volkes“. Sie seien „im guten Glauben an die Versprechungen der Hitlerbande gefolgt“. Die Entnazifizierung mit ihren „Strafmaßnahmen, Entlassung aus der Arbeit, Beschlagnahme des Eigentums oder Verächtlichmachung“ sei baldmöglichst zu beenden. So kam es denn: Schon 1948 beendete die SED offiziell die „Säuberung“ – da liefen die Spruchkammerverfahren in den westlichen Besatzungszonen gerade auf dem Höhepunkt.

Spruchkammern hatte es in der Sowjetzone nicht gegeben. In den sowjetischen Internierungslagern auf dem Gebiet der späteren DDR saßen 1945 bis 1950 mehr als 120.000 Menschen. Doch nur ganz am Anfang dienten diese bis zu zehn Haftstätten vor allem dazu, NSDAP-Funktionäre wegzusperren. Sehr bald füllten sie sich vor allem mit Gegnern der kommunistischen Machtübernahme in Ostdeutschland.

97.000 ehemalige NSDAP-Angehörige in der SED

Im September 1952 verabschiedete die DDR-Volkskammer ein Gesetz, das die „festgelegten Einschränkungen der Rechte für ehemalige Mitglieder der NSDAP“ in der DDR pauschal aufhob. So viel Entgegenkommen hatte Folgen: 1953 zählte die SED rund 97.000 ehemalige NSDAP-Angehörige in ihren Reihen, bei insgesamt einer Million Mitglieder also knapp zehn Prozent.

Damit lag der Anteil nur wenig unter dem Organisationsgrad, den die Partei Hitlers kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in der deutschen Gesamtbevölkerung erreicht hatte. Rechnete man die früheren Mitglieder von NSDAP-Gliederungen wie SA oder HJ hinzu, hatte rund jedes dritte SED-Mitglied der 50er-Jahre zumindest nominell zur Hitler-Bewegung gehört.

Ungefähr so hoch war der Anteil auch bei den hauptamtlichen Mitarbeitern: Zum Stichtag 1. Mai 1954 hatten 209 von insgesamt 591 Angestellten beim Zentralkomitee in Ost-Berlin formal eine nationalsozialistische Vergangenheit; in den Bezirks- und Kreisleitungen war das Niveau belasteter Kader ähnlich. Da die Funktionäre der DDR-Staatspartei bis ins hohe Alter in Amt und Würden blieben, wenn sie nicht gegen die Erwartungen des Politbüros verstießen, nahm der Anteil der NS-belasteten Personen anders als in der Bundesrepublik mit der Zeit zu.

In den 1980er-Jahren zählte das Zentralkomitee der SED mehr ehemalige NSDAP-Mitglieder als frühere Sozialdemokraten. Unmittelbar vor der Auflösung 1989 gehörten diesem obersten Parteigremium neben dem Politbüro 14 ehemalige NSDAP-Mitglieder an – fast jeder elfte. Im Staatsrat, dem kollektiven Staatsoberhaupt der DDR, saß noch bis zum 17. November 1989 mit Heinrich Homann ein Mann, der 1933 der NSDAP beigetreten war.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Heinrich Homann, aufgenommen während einer Pressekonferenz am 2. Dezember 1987 in der finnischen Hauptstadt Helsinki. |
Heinrich Homann war bis 1989 stellvertretendes Staatsoberhaupt der DDR – und 1933 Mitglied der NSDAP
Quelle: picture-alliance / dpa

Diese hohe Präsenz früherer Nationalsozialisten im SED-Apparat war keine Ausnahme, sie fand sich auch auf Landesebene: Zwischen 1946 und 1989 hatten in den Bezirken des Landes Thüringen von den 263 SED-Spitzenfunktionären, die vor 1928 geboren worden waren, 36 der NSDAP angehört: 13,6 Prozent.

Noch krasser war der Umgang mit NS-Verbrechern. So schützte die Stasi wissentlich Täter des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz wie Paul Riedel, August Bielesch oder Oskar Siebeneicher vor Strafverfolgung.

Erst als das SED-Politbüro aus Propagandagründen ein Auschwitz-Verfahren in der DDR forderte, wurde der seit Jahren observierte ehemalige KZ-Arzt Horst Fischer angeklagt und in einem kurzen, von der Stasi gelenkten Prozess 1966 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Der Angeklagte Horst Fischer (r) bei Prozessbeginn. Am 10.03.1966 wurde vor dem Obersten Gericht der Sowjetzone in Ost-Berlin der Prozess gegen den ehemaligen Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz eröffnet. Ihm wird vorgeworfen, von November 1942 bis Januar 1945 Zehntausende von Häftlingen selektiert und zur Vernichtung durch Zyklon-B-Gas bestimmt zu haben. |
Horst Fischer, ehemals SS-Arzt in Auschwitz, zu Beginn des von der Stasi gelenkten Schauprozesses 1966
Quelle: picture-alliance / picture-alliance/dpa

Die Stasi schützte auch 84 frühere Aufseherinnen des Frauen-KZs Ravensbrück in Brandenburg, die in Ostdeutschland lebten. Angeblich konnte nicht zu einer einzigen von ihnen genügend Material für eine Anklage ermittelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass die SED-Führung kein Interesse an Öffentlichkeit hatte.

Dasselbe Motiv bewahrte auch mehrere Euthanasie-Täter vor Strafe. Obwohl die Stasi in den 60er-Jahren 159 Todesfälle auf der Frauenstation des thüringischen Krankenhauses Stadtroda zwischen 1940 und 1942 detailliert dokumentiert hatte, darunter mindestens 15 Fälle von aktivem Krankenmord, kam es nicht zu Anklagen gegen die Verantwortlichen.

Der Grund fand sich in Stasi-Akten: „Da Beschuldigte aus der DDR in höheren Positionen des Gesundheitswesens stehen, könnte bei Auswertung ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis erreicht werden“, schrieb ein Stasi-Oberleutnant namens Richter am 22. April 1966. Der Vorgang wanderte in eine Sperrablage im Archiv des SED-Geheimdienstes.

Rosemarie Albrecht (1915-2008) bei einer Operation, undatiertes Foto aus dem Jahr 1959. Die Medizinerin (l) arbeitete ab 1942 in der HNO-Klinik der Universität Jena. 1957 wurde sie zur Professorin berufen. Von 1965 bis 1967 war sie Dekanin der Medizinischen Fakultät der FSU. Bildautor unbekannt (Mängel in der Bildqualität sind vorlagebedingt). Foto:FSU-Fotozentrum | Verwendung weltweit
Rosemarie Albrecht wurde von der Stasi geschützt, obwohl sie an Euthanasie-Morden beteiligt war
Quelle: picture alliance / ZB

Zu den mutmaßlichen Euthanasie-Mördern gehörte Rosemarie Albrecht, seit 1957 Medizinprofessorin in Jena und „verdiente Ärztin des Volkes“ der DDR. Doch 1940 bis 1942 war sie Stationsärztin in der Klinik Stadtroda gewesen und damit verantwortlich für mindestens fünf Euthanasie-Morde. Rosemarie Albrecht entging der Anklage. Sie ist einer von vielen Fällen, die entlarven, wie ernst es der SED mit dem Anspruch des „Antifaschismus“ tatsächlich war.

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Dieser Artikel wurde erstmals am 27. Februar 2019 veröffentlicht.

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