Zuletzt macht er von sich reden, als er im Zug des Echo-Skandals um die antisemitischen Rapper-Textzeilen seinen Klassik-Preis zurückgab. Auch zeigte er so wieder sein Profil, galt er doch, wenn es darauf ankam, als streitbar und unbequem. Der Echo ist inzwischen Vergangenheit. Und gestern Nacht ist jetzt der Münchner Dirigent Enoch zu Guttenberg gestorben. Er wurde 71 Jahre alt.
„Nachdem solch ein Preis nun im Jahr 2018 auch Verfassern von widerwärtigen antisemitischen Schmähtexten verliehen und noch dazu vom ‚Ethikrat‘ Ihres Verbandes bedenkenlos freigegeben wurde, würden wir es als Schande empfinden, weiterhin diesen Preis in unseren Händen zu halten“, schrieb Guttenberg im April als Beweggrund für seine Rückgabe. Klare Worte. Und so äußerte sich der Uradelige auch sonst gern. „Musiker, Kämpfer, Enthusiast“, so charakterisierte er sich.
Kompromissloser Visionär
Georg Enoch Robert Prosper Philipp Franz Karl Theodor Maria Heinrich Johannes Luitpold Hartmann Gundeloh Freiherr von und zu Guttenberg, geboren am 29. Juli 1946 auf dem gleichnamigen Familienschloss bei Kulmbach in Franken, war einer der bekanntesten aber auch umstrittensten deutschen Dirigenten. Dem 17 Jahre älteren Nikolaus Harnoncourt, einem anderen musischen Uradeligen mit besonderer Mission nicht unähnlich, setzte er seine Visionen von Klang und Interpretationsvorstellungen konsequent und kompromisslos um.
Doch anders als Harnoncourt, dessen Wirken international bedeutsamer wurde, hatte es der schwerreiche Guttenberg nicht nötig, gegen den Musikbetrieb anzukämpfen. Er machte einfach seine Dinge, konnte es sich leisten – bis der Betrieb schließlich zu ihm kam und in eingemeindete.
Trotzdem blieb er stets ein etwas knorriger, im näheren Umgang durchaus charmanter Eigenbrötler, der sich sein eigenes kleines Musikimperium schuf. Und er wollte immer an der Basis bleiben. Es kommt nicht von ungefähr, dass er sein Orchester „Klangverwaltung“ nannte.
Enoch zu Guttenberg war der Sohn des späteren Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Einer seiner vier Söhne (zwei sind noch sehr jung) wiederum ist der eine Zeitlang als Messias der Konservativen gehandelte und den lange erarbeiteten Ruhm des Vaters überstrahlende Karl-Theodor zu Guttenberg.
Zahlreiche Aktivitäten
Der junge Adelige Enoch, der sich wenig für die Verwaltung der väterlichen Liegschaften interessierte, studierte Komposition und Dirigieren in München und Salzburg. Im Alter von 21 Jahren gründete er 1967 die Chorgemeinschaft Neubeuern, ein Laienchor, der oftmals in Tracht gekleidet mit seinen in der Münchner Bach-Tradition eines Karl Richter verwurzelten Oratorienkonzerten in der ganzen Welt Furore machte.
1997 wurde Enoch zu Guttenberg Leiter des projektbezogen arbeitenden Orchesters Klangverwaltung. Zahlreiche Platteneinspielungen, die er oftmals selbst finanzierte, dokumentieren sein spannungsvolles musikalisches Wirken.
2000 leitete zu Guttenberg im bayerischen Königsschloss Herrenchiemsee ein Bachfest. Daraus entstanden die Herrenchiemsee Festspiele, die seither jährlich sommerlich unter seiner Intendant auf der Insel im Chiemsee sattfanden. Sogar an Opernaufführungen wagte sich der Freiherr im dortigen Spiegelsaal.
Als Umweltschützer gegen Windräder
Und so wie er in der Musikwelt sich engagierte und laut seine Meinung sagte, so trat Ennoch zu Guttenberg auch als Umweltschützer auf. Er war 1975 Mitgründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Im Mai 2012 trat er aus dem BUND aus, weil er die seiner Meinung nach landschaftszerstörenden Windkraftanlagen ablehnte. Ebenfalls trat er 1992 wegen politischer Differenzen aus der CSU aus. Ende der 2000er Jahre, als die Karriere seines Sohnes Karl-Theodor Fahrt aufnahm, trat er jedoch auf dessen Betreiben wieder in die Partei ein.
Am 10. Juni sollte Enoch zu Guttenberg ein Konzert der Hamburger Philharmoniker in der Elbphilharmonie leiten, was er aber schon nach einer Probe absagen musste.