Emmylou Harris – Würde in Silbergrau

Emmylou Harris – Würde in Silbergrau

Sie wechselt souverän zwischen Country, Folk und Pop, und Stars wie Bob Dylan und Johnny Cash standen für Duetts bei ihr Schlange. Nun wird sie 75.

Emmylou Harris, 2008 im Berliner Tempodrom.
Emmylou Harris, 2008 im Berliner Tempodrom.dpa

Das Erscheinungsbild der dunklen Schönheit mit der bauchigen akustischen Gitarre war in den frühen 1970er-Jahren durch Joan Baez und Judy Collins besetzt – selbstbewusste Singer-Songwriterinnen, die ihrer Generation im buchstäblichen Sinn eine Stimme gaben. In der Folk-Szene verehrt und besungen („Judy Blue Eyes“ von Crosby, Stills & Nash), zerstreuten sie vorübergehend den Eindruck, dass gerade auch die Zeit des popmusikalischen Aufbruchs von Männern dominiert war. Vom emanzipatorischen Gefälle in der Welt des Country ganz zu schweigen.

Nicht alleine fliegen

Vielleicht hat die 1947 in Birmingham/Alabama geborene Emmylou Harris es ihrer Herkunft als Offizierstochter zu verdanken, dass sie sich einer derart stereotypen Rollenzuschreibung schnell entzog, in der ihr generös Talent attestiert worden war. Großen Anteil an ihrer künstlerischen Emanzipation hatte das genialische Multitalent Gram Parsons, der von seinem Byrds-Kollegen Chris Hillman den Hinweis erhalten hatte, es einmal mit Harris als Sängerin für sein erstes Soloalbum zu versuchen. Ihre zart-zerbrechliche Stimme bildete dabei einen auffälligen Kontrast zu ihrer mentalen Stärke, die einer wie Parsons gut hätte gebrauchen können. Aus einer sich anbahnenden fruchtbaren musikalischen Verbindung wurde leider nichts, Gram Parsons starb 1973 an einem überdosierten Mix aus Drogen und Alkohol im Alter von nur 26 Jahren. Emmylou Harris war zu dieser Zeit Sängerin in seiner Tourneeband.

Ihr erster großer Hit „Boulder To Birmingham“ ist Parsons gewidmet, er beginnt mit der Zeile „I don’t want to hear a love song/I got on this airplane just to fly.“ Dabei war es nicht unbedingt ihre Sache, allein zu fliegen. Immer wieder wurde Emmylou Harris im Verlauf ihrer Karriere von großen Kollegen zur Kooperation gebeten, einer der ersten war Bob Dylan, auf dessen „Desire“ von 1976 Harris die retardierend-stimmige Ergänzung zum Geigenspiel von Scarlett Rivera ist, die dem Album eine charakteristische Note verleiht. Auch wenn Nina Hagen später die Chuzpe besaß, eine rotzig-dröhnende Version von „One More Cup Of Coffee (Valley Below“) aufzunehmen, blieb es doch Emmylou Harris vorbehalten, dieses Stück zu einem der besten Popsongs aller Zeiten zu veredeln.

Ihr selbstsicheres Hin- und Herwechseln zwischen festgezurrten Genregrenzen zwischen Folk, Rock und Country sicherte Emmylou Harris bald ein Alleinstellungsmerkmal, und so verhalf ihr das Bluegrass-Album „Roses In The Snow“ auch zu anhaltender Anerkennung bei Kritikern, während die Kollegen sich derweil auf der Warteliste für Anfragen nach Duetten nach vorn arbeiteten, darunter Johnny Cash, Roy Orbison, John Denver, Willy Nelson und Ryan Adams. Mit der Outlaw-Bewegung, die Kris Kristoffersen und Willie Nelson anführten, war selbst Country weiblicher geworden, und wie zum Beweis taten sich 1987 Dolly Parton, Linda Ronstadt und Emmylou Harris für ihr Album „Trio“ zusammen, von dem es ein Jahrzehnt später eine zusätzliche Ausgabe gab.

Mark Knopfler als kreativer Begleiter

Die kühl-dunkle Haarpracht der Emmylou Harris ging allmählich in würdevolles Grau über, auf ihrem Album „All I Intended To Be“ aus dem Jahr 2008 inszeniert sie sich in körnigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen als elegante Einzelgängerin in Silbergrau. Eines ihrer schönsten Alben hatte sie bereits zwei Jahre zuvor aufgenommen. Auf überzeugende Weise ist es ihr dabei gelungen, Mark Knopfler von Dire Straits den Part der kreativen Begleitung zuzuweisen. Die zwölf Stücke weisen eine angenehme Mischung zwischen milder Rückschau und dem Bewusstsein auf, dass es noch eine ganze Weile so weitergehen könne. 16 Jahre später scheint es, als wären die Farbe ihrer Haare und der Klang ihrer Stimme nie anders gewesen.