Vortrag in Gießen zu Frauen in der Luftfahrt
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Vortrag in Gießen zu Frauen in der Luftfahrt

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Referentin Gabriele Clement stellt beim Verein »Frau und Kultur« Fliegerinnen, Ballonfahrerinnen und Fallschirmspringerinnen vor. Foto: Müller © Müller

Frauen mussten in der Luftfahrt hohe Hürden überwinden. Das berichtet Gabriele Clement in ihrem Vortrag bei »Frau und Kultur« in Gießen.

Gießen . »Mit Todesverachtung stürzte ich mich also in das Gewitter hinein. Die Böen packten meine Maschine wie einen Federball und warfen mich in einigen Sekunden hundert Meter hinauf und hinunter«, sagte einst Marga von Etzdorf, eine Pionierin der Luftfahrt. Beim Verein »Frau und Kultur« stellte Referentin Gabriele Clement tollkühne Frauen in den Mittelpunkt, die den Himmel erobert haben - mit interessanten sowie spektakulären Fakten.

Paketfallschirm erfunden

Da hätten wir zum Beispiel die Hessin Käthe Paulus, die in ihrer Lebensbilanz 516 Ballonfahrten und 145 Fallschirmsprünge vorzuweisen hat. Sie gilt zudem als Erfinderin des zusammenlegbaren Fallschirms aus dem Jahr 1916 und rettete mit ihrem Know-how tausende Soldaten im Ersten Weltkrieg. »Dieser neue Paketfallschirm war viel sicherer und schwieriger abzuschießen. Knapp 7000 Stück davon lieferte die gelernte Näherin bis Kriegsende«, unterfütterte Clement ihren Vortrag mit eindrucksvollen Zahlen. Käthe Paulus war außerdem die erste deutsche Fallschirmspringerin, die bereits 1893 aus etwa 1700 Meter Höhe absprang. »Zu dieser Zeit war das natürlich alles extrem riskant und die Entwicklung steckte noch in den Kinderschuhen.« Wie gefährlich und dramatisch, zeigte sich ein Jahr später, als Paulus mitansehen musste, wie ihr Lebenspartner Hermann Lattemann keine zehn Meter entfernt von ihr in den Tod stürzte - der Fallschirm hatte sich nicht geöffnet.

Ebenfalls tragisch und sogar in Selbstmord endend verlief die Geschichte von Marga von Etzdorf - der Vergessenen. Mit ihrem knallgelben Leichtflugzeug, dass den Namen »Kiek in die Welt« trug, sorgte die 1907 geborene Fliegerin, die als todesmutig und tollkühn beschrieben wurde, für einige Rekorde. Sie überflog als erste Pilotin ohne technische Hilfsmittel den Atlantik. 1931 bereitete Marga von Etzdorf einen spektakulären Rekordflug vor, der sie von Berlin über Moskau bis nach Tokio bringen sollte. Für den 11 000 Kilometer langen Flug benötigte sie elf Tage. Ein Alleinflug nach Australien endete 1933 zunächst in Aleppo (Syrien), nachdem ihre Maschine beschädigt wurde. Dort setzte sie ihrem Leben mit zwei Pistolenschüssen in die Schläfe ein Ende - und der Mythos war geboren. »Eine hochinteressante Figur, über deren Umstände man mittlerweile etwas mehr weiß. Möglicherweise war sie als Waffenschmugglerin tätig«, berichtete Clement. So wird heute vermutet, dass sie die Furcht vor Entdeckung durch französische Offiziere - Frankreich hatte damals das Völkerbundmandat für Syrien und Libanon - in den Suizid trieb. Zudem verstieß Marga von Etzdorf mit dem Handel derartiger Waffen gegen die grundsätzlichen Bestimmungen des Versailler Vertrags.

Generell hatten es Frauen zu dieser Zeit nicht leicht, in das von Männern dominierte Reich einzudringen. Und selbst wenn sie es geschafft hatten, waren sie nicht vor Hinterlistigkeiten sicher. »Frauen mussten doppelt so viele Flugstunden für einen Flugschein leisten als Männer. Manchmal wurden ihre Steuerungen vor dem Flug manipuliert oder Benzin abgelassen.« Selbst von Fliegerinnen aufgestellte Rekorde wurden kurzerhand verschleiert.

Als erste, populäre Fliegerin gilt Elly Beinhorn, die stolze 100 Jahre alt wurde (1907 - 2007). Deutschlandweite Bekanntheit erlangte sie vor allem mit ihrer Weltumrundung im Jahr 1932, die sie in acht Monaten über fünf Kontinente führte. »Ich habe noch diese herrliche Zeit erlebt, als man am Himmel ganz für sich alleine war. Ich hatte das Glück, in einer Zeit zu fliegen, die als abenteuerlich galt«, wurde Beinhorn zitiert. Problematisch war allerdings ihre Rolle in der NS-Zeit. So sei etwa ihre Afrikareise (1934) nicht nur sportlich, sondern auch politisch motiviert gewesen. Auch aus ihrer Bewunderung für den italienischen Diktator Benito Mussolini, der sie im gleichen Jahr empfing, machte sie keinen Hehl.

Abschließend ein Blick in die Gegenwart. Die Frauenquote unter den Berufspiloten ist bis heute niedrig und liegt in Deutschland bei 6,9 Prozent. Andere Länder sind da weiter: In Indien liegt der Anteil der Frauen bei über zwölf Prozent, Tendenz steigend.

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