Elly Beinhorn war ein Idol der 30er Jahre. Sie war die bedeutendste deutsche Pilotin ihrer Zeit. Die ZDF-Produktion „Elly Beinhorn – Alleinflug“ zeichnet ein Bild einer unabh�ngigen, selbstbewussten jungen Frau in Zeiten, in denen das Heimchen am Herd das g�ngige Frauenbild darstellte. Christine Hartmann erz�hlt mehr von Mythenbildung, Medienmacht & Politik als von Action, Abenteuer & gro�em Drama. Es ist Selbstverwirklichungsgeschichte aus grauer Vorzeit der Emanzipation. Das Bio-Pic lebt von dieser faszinierenden Frau und von der hinrei�enden Vicky Krieps (eine echte Entdeckung!). „Herzkino“ einmal anders.
Foto: ZDF / Christiane PauschZwischenlandung w�hrend ihres Alleinflugs nach Westafrika. Elly Beinhorn (Krieps)
„Ich will um die Welt fliegen – und zwar selbst.“ Getrieben von diesem Traum, dringt Elly Beinhorn in den 30er Jahren in eine M�nnerdom�ne ein. Sie wird die bedeutendste deutsche Pilotin ihrer Zeit. „Zum ersten Mal in meinem Leben �berfliege ich Grenzen“, schw�rmt sie bei ihrem ersten Interkontinentalflug 1931 in die afrikanische Wildnis. Ihre Aufbruch-Stimmung deckt sich nicht mit dem, was Hitler als „neue Zeit“ beschwor. Dennoch bejubelt das Nazi-Regime Beinhorns Wagemut und feiert mit ihrer Person Siegermentalit�t und die Vormachtstellung der deutschen Technik. Gleiches gilt f�r den aufstrebenden Rennfahrer Bernd Rosemeyer, der sich in die Herzen der Deutschen rast. Die beiden Sport-Idole, die mutigste Frau und der schnellste Mann der Welt, werden ein Paar. Winkt jetzt auch dieser modernen Frau mit den hochfliegenden Ambitionen das Schicksal einer� Nur-Mutter? Doch nicht der noch popul�rere Ehemann, sondern ein tragischer Unfall und der Zweite Weltkrieg besiegeln letztlich das Schicksal der Flug-Pionierin, die hundertj�hrig im Jahre 2007 stirbt.
Foto: ZDF / Melanie ClearyDie Abenteurerin. Zu Fu� nach Timbuktu. Vicky Krieps ist das Herzst�ck des Films.
„Elly Beinhorn – Alleinflug“ zeichnet ein Bild einer unabh�ngigen, selbstbewussten jungen Frau in Zeiten, in denen das familientreue Heimchen am Herd das g�ngige Frauenbild darstellte. Der Film �ber eine Frau, die sich trotz st�ndiger Geldsorgen weder von den Nationalsozialisten vereinnahmen l�sst noch in die Partei eintritt, folgt der privaten Geschichte auf dem Hintergrund der politischen Entwicklung Deutschlands. Mehr von Mythenbildung („unsere tapfere deutsche Fliegerin“) und Medienmacht erz�hlt Autor-Regisseurin Christine Hartmann als von Action, Abenteuer und gro�em Drama. Eine Biographie mit H�hen und Tiefen – da lebt das Zeitkolorit in der Ausstattung, da kratzt die Nadel des Grammophons, da flattert das Hakenkreuz symbolisch in die Vita hinein, da spielt die Liebe des Glamour-Paares eine Rolle, aber vor allem die Leidenschaft f�rs Fliegen und alles, was damit noch gemeint ist: Immer wieder beschw�rt die Heldin „ein Leben in grenzenloser Freiheit“. Nicht nur im Film w�re diese Beinhorn den Nazis am liebsten davongeflogen. Im Schicksal ihres F�rderers, dem Erste-Weltkrieg-Jagdflieger Ernst Udet („Ich kann gar nicht so viel trinken, wie ich kotzen muss.“), dessen widerspr�chliche Rolle im Nationalsozialismus Zuckmayer in „Des Teufels General“ verarbeitete, spiegelt sich die ganze Tragik, die aus der N�he zu Hitler erwuchs.
Foto: ZDF / Christiane PauschDer Mythos. DesTeufels General (Berkel) unterst�tzt Elly bei ihrem Lebenstraum.
„Herzkino“ einmal anders. Ein historisches Schicksal. Selbstverwirklichung aus grauer Vorzeit der Emanzipation. Der Zeitgeist weht her�ber, ohne dass �berall Braunhemden durchs Bild marschieren. Und auch die kleinen Dinge stimmen: da ergreift der ber�hmte Rennfahrer f�r seine Elly das Wort und diese schaut nur ein wenig befremdlich, sagt aber nichts dazu (in den 30ern wird noch nicht alles zwischen den Geschlechtern thematisiert und ausdiskutiert). So gut auch Christian Berkel mit vollem Haar und Curd-J�rgens-Antlitz (Reminiszenz an den Kinohit „Des Teufels General“) oder Max Riemelt als der 30er-Jahre-Schumi sind – „Elly Beinhorn“ lebt von der dynamischen Frische dieser faszinierenden, begeisternden Figur („in mir jubelt und singt alles“), die viele Zuschauer erst mit diesem Film entdecken werden.
Foto: ZDF / Christiane PauschDie liebende Mutter und Ehefrau. Wird Elly die Fliegerei aufgeben? Max Riemelt
Und dieses Bio-Pic lebt von seiner hinrei�enden Hauptdarstellerin Vicky Krieps. Diese klassische Sch�nheit, dieses Profil, k�nnte einem Modekatalog der 30er Jahre entsprungen sein. Die geb�rtige Luxemburgerin �berstrahlt den Film mit seiner weitgehend recht konventionell erz�hlten Chronologie. Sie verstr�mt Euphorie und gro�e Lebenslust, aber sie verk�rpert auch ein St�ck weit einen Idealismus, der von einer gewissen Blau�ugigkeit gekennzeichnet ist. Kalenderweisheiten sind die eine Seite dieses Charakters („manchmal muss man loslassen, um seine Liebe nicht aus den Augen zu verlieren“). Die andere Seite, diese selbstgewisse „hoppla, jetzt komm’ ich“-Mentalit�t, ist der Atem der Geschichte. Dazu dieses L�cheln, diese Selbstverst�ndlichkeit, mit der Beinhorn/Krieps alles tut, den Mann zu Austern verf�hrt und k�sst, diese Leichtigkeit, dieser Optimismus, diese kesse Ironie („Willst du mir die Fl�gel stutzen?“). Die Aura dieser Figur verleiht dem Film Fl�gel. Da muss nicht alles ausgesprochen werden. „Loslegen und machen“ – was Flieger Udet auf die neue politische Zeit bezieht, das passt auch zu dieser Frau. Und auch wenn die Heldin spricht, dann trifft sie den Ton der Zeit. Da vereinen sich ihre Begeisterungsf�higkeit und der Sprachduktus der Drei�iger, getragen von einem Pathos, wie man es aus der Wochenschau kennt. Beinhorn vermenschlicht diese begeisterte Gro�t�nerei. Aus ihr spricht noch kein Selbstvermarktungs-Profi, sondern eine Vision in ihrer ganzen Unschuld. „Wenn ich mit meinem Flugzeug den Horizont entlang fliege, dann wei� ich, dass es eine Zukunft f�r mich gibt.“
UFA-Fiction-Trailer zu "Elly Beinhorn - Alleinflug" mit Vicky Krieps
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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