Dierhagen-Als ich die Nachricht vom Tode Michail Gorbatschows erhielt, griff ich sofort zu seiner Autobiografie in meiner Bibliothek, die er mir und meiner Frau Erika 1995 in freundschaftlicher Verbundenheit signierte. Als jemand, der eng mit ihm zusammengearbeitet hat, teile ich die Trauer, die Millionen Menschen weltweit bekunden.
Unser beider Leben und das Schicksal unserer Staaten, der Sowjetunion und der DDR, waren eng miteinander verbunden. Wir teilten viele Jahre die gleichen Überzeugungen. Darum finde ich manche offizielle deutsche Beileidsbekundung etwas heuchlerisch. Bundeskanzler Kohl verglich Gorbatschow noch im Oktober 1986 mit dem Nazi Goebbels und für US-Präsident Reagan war er der Herrscher im „Reich des Bösen“.
1986 begleitete meine Frau Raissa Gorbatschowa bei ihrem DDR-Besuch. Seitdem gab es auch familiäre Kontakte zwischen uns. Als ich nach 1990 in der Bundesrepublik vor Gericht stand, bezeichnete Gorbatschow dies in einem Brief an das Gericht als „Hexenjagd“ und Missachtung seiner Absprachen mit dem Bundeskanzler.
Ich behalte ihn als einstigen verlorenen Freund und schließlich als widersprüchliche Persönlichkeit in Erinnerung, der Gutes wollte, aber letztlich zur Zerstörung der Sowjetunion und zur deutschen Einheit hinter dem Rücken der DDR beitrug.
Als Michail Gorbatschow im März 1985 zum Generalsekretär des ZK der KPdSU aufstieg, war Egon Krenz Mitglied des Politbüros, Sekretär des ZK der SED und stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates. Als zweiter Mann hinter Erich Honecker pflegte er enge Kontakte mit Michail Gorbatschow – besonders in der Zeit, als Krenz im Herbst 1989 an der Staats- und Parteispitze stand.