Adel verpflichtet. Das behauptet zumindest der Adel. Vergessen zu erläutern hat dieser Stand von höchsten Gnaden allerdings, wozu genau er verpflichtet ist oder nicht. Betrachtet man das Verhalten mancher hochwohlgeborener Regenten, scheint dafür die Zeit gefehlt zu haben, weil sie vollauf damit beschäftigt waren, Untertanen zu knechten und Kriege zu führen.
Auf eine Verpflichtung aber war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein immer Verlass – nämlich auf die, niemals unter dem eigenen Stand zu heiraten. Der heilsamen Tradition des Mittelalters folgend, den Nachwuchs möglichst gleich bei der Geburt zu vergeben, war es völlig undenkbar, so etwas Ordinäres wie Bürgerliche mit ihren widersinnigen Vorstellungen von Liebe für eine Ehegemeinschaft auch nur in Betracht zu ziehen; immerhin galt es, Macht und Besitz zu sichern.
Der Mann, der diese Regelung im 20. Jahrhundert wohl am härtesten zu spüren bekam, war jemand, bei dem es beste Gründe gibt, sich darüber zu freuen, dass der Hochadel rigoros durchgriff: Nur von Januar bis zum 10. Dezember 1936 saß Edward VIII. (1894–1972) auf dem britischen Thron, dann beendete der Wunsch sein königliches Dasein, die zweimal geschiedene bürgerliche Amerikanerin Wallis Simpson zu ehelichen. Sein jüngerer Bruder übernahm und ging als George VI. in die Annalen ein, weil er damit zu kämpfen hatte, zu stottern.
Es liegt nahe, den Akt, für die Liebe auf den Thron zu verzichten, romantisch zu überhöhen. Illustrierte und Klatschportale kultivieren diese Erzählung bis heute, oft genug als Rebellentum gegen die dauerschockfrostige Atmosphäre bei Hofe – und dass sich Analogien mit Harry und Meghan von ganz allein aufdrängen, hat das Interesse an Edward und Mrs. Simpson neu entfacht. Unter Männern, die gern Gentlemen wären, genießt der Royal darüber hinaus absoluten Kultstatus: Durch seinen gleichzeitig lässigen und formalen Kleidungsstil setzte er Standards, die bis heute niemand mehr erreicht hat.
Doch lenkt all dies von der Tatsache ab, dass es sich bei dem Kurzzeit-König um einen großen Befürworter Adolf Hitlers handelte. Obwohl die britische Krone die entsprechenden Akten so gut es geht unter Verschluss hält, finden sich mehr als nur Indizien für dieses Dasein als Fan der braunen Herrscher. So legte das FBI im Jahr 1941 einen 227-seitigen Report anlässlich eines Besuchs in Florida an, in dem von Sympathien und sogar Konspiration die Rede ist.
Edward Albert Christian George Andrew Patrick David war nicht nur dem Namen nach ein Gewächs der allerobersten britischen Oberschicht. Sein Vater war streng, die Mutter hatte wenig Zeit, also kümmerte sich um die Erziehung vornehmlich das Dienstpersonal. Als Offizier im Ersten Weltkrieg war sein Kommando gerade klein genug dafür, nicht in Kampfhandlungen verwickelt zu werden.
Die Orden und Titel aufzuzählen, die „Eddy“ führte, erübrigt sich aus Platzgründen. Die Jahre nach dem Krieg verbrachte er viel auf Reisen, natürlich inklusive zahlloser Affären und einiger Großwildjagden. Nicht abzusprechen ist ihm, dass ihn das Elend der Welt berührte; die soziale Frage interessierte ihn mehr, als es sich für einen Royal gehörte.
Für seinen Vater George V. machte ihn das so verdächtig, dass er den Sohn als unfähig einstufte, sein Nachfolger zu werden. Doch Erbfolge ist Erbfolge, deshalb konnte Edward als König bei einem Besuch in den Kohleminen von Wales die Worte „Es muss etwas passieren“ von sich geben. Das aber war viel zu viel in einer Monarchie wie der britischen, in denen King oder Queen zu allem Politischen zu schweigen haben. Entsprechend verärgert reagierte die politische Elite, entsprechend wenig war sie bereit, auf die Anglikanische Kirche und die Familie des Königs einzuwirken, als der mit seinen Hochzeitsabsichten herausrückte.
Den diplomatischen Nöten des Staatsamtes enthoben, genoss Edward seine neuen Freiheiten in vollen Zügen. Aber nicht nur der Mann, der ab 1937 als Duke of Windsor firmierte, schwang sich im Exil zu fröhlichen Liebesdiensten für die Nationalsozialisten auf. Auch seine Frau war an dieser Front in vorderster Linie dabei. Nach der Abdankung besuchte man Hitler gemeinsam auf dem Berghof, selbst nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs hielt das Paar zu den braunen Herrschern.
Angeblich wünschte sich der Duke, dass die Luftwaffe möglichst schnell englische Städte bombardierte, damit Winston Churchill einlenkte und Frieden mit den Deutschen schloss; oder er soll davon fantasiert haben, dass der deutsche Diktator die Amerikaner besiegt und er dann als Führer der Briten auf die Insel zurückkehren könne.
Bekanntlich kam es anders, für das Paar kam es nicht schlecht. Als Teil der Jetset-Elite verprassten die Beiden fantastische Beträge: Allein der Schmuck, den der Duke seiner Frau Gemahlin schenkte, wurde nach seinem Ableben für 160 Millionen Dollar versteigert.
Der Duke of Windsor, der seine Sympathien für die Nationalsozialisten nie öffentlich als schweren Irrtum bezeichnete, starb 1972 an den Folgen einer Kehlkopfkrebs-Erkrankung. Über alle Klassenschranken und Weltbilder hinweg war er die längste Zeit seines Lebens ein schwerer Raucher gewesen.
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