Regisseur Edward Berger: „Könnte nie sagen, dass ich stolz bin, Deutscher zu sein“

Regisseur Edward Berger: „Könnte nie sagen, dass ich stolz bin, Deutscher zu sein“

Der Oscar-gekrönte Regisseur ist Berliner, seine Ausbildung hat er in New York gemacht. Er glaubt, deutsche Regisseure haben einen Minderwertigkeitskomplex. 

Bester internationaler Film: Regisseur Edward Berger mit seinem Oscar für „Im Westen nichts Neues“. 
Bester internationaler Film: Regisseur Edward Berger mit seinem Oscar für „Im Westen nichts Neues“. Invision

Edward Berger, Jahrgang 1970, ist in Wolfsburg geboren, die Eltern gaben ihm den englischen Vornamen, der sich auch in Los Angeles mühelos aussprechen lässt, die New York Times bezeichnete ihn als „swiss director“, als schweizerischen Regisseur, aber eigentlich ist er doch vor allem Berliner. Seit Ende der 1990er-Jahre lebt er in der Stadt, ein Vierteljahrhundert.

In der deutschen Film- und Serienlandschaft ist Edward Berger eher eine Ausnahmeerscheinung, einer, der vor allem Geschichten erzählen will. Das hat er wahrscheinlich an der Tisch School of the Arts in New York gelernt, wo er seine Ausbildung gemacht hat, und vielleicht noch mehr bei der New Yorker Produktionsfirma Good Machine, wo er anschließend als Assistent arbeitete. Hier wurden Filme von Tom Haynes und Ang Lee produziert. Sein erster langer Spielfilm „Gomez“ (1998) handelt von einem 16-Jährigen, der bei dem Versuch, einem Mädchen zu imponieren, auf allerlei Gaunereien einlässt. Es folgte die Beziehungsgeschichte „„Frau2 sucht Happyend“ (2000). In den folgenden Jahren arbeitete er vor allem für das deutsche Fernsehen, Berger inszenierte deutsche Krimireihen, wie „Bloch“, „Unter Verdacht“, „Schimanski“, „Polizeiruf“.

Auszeichnungen erhielt er auch hier, erwähnt seinen die Grimme-Preise für die Tragikomödie „Ein guter Sommer (2011) und die „Schimanski“-Folge „Asyl“.  Dann inszenierte Berger wieder einen Kinofilm, den beeindruckenden „Jack“, über einen vernachlässigten zehnjährigen Jungen, der in Berlin herumirrt, auf der Suche nach seiner Mutter. Der Film brachte ihm eine Einladung zum Wettbewerb der Berlinale ein. Das Drehbuch hatte er zusammen mit seiner Frau Nele Müller-Stöfen geschrieben. Für „Jack“ bekam er mehrere Preise, darunter den Deutschen Filmpreis in Silber.

Edward Berger sagt, er könne nicht für ganz Deutschland sprechen

Berger hat die ersten fünf Folgen der achtteiligen Fernsehserie „Deutschland 83“ gedreht, die auf der Berlinale 2015 in der Sektion ‚Berlinale Special‘ Premiere hatte. Dafür erhielt er den Deutschen Regiepreis Metropolis. Dann kamen wieder internationale Produktionen, mehrere Folgen der amerikanischen Abenteuerserie „The Terror“ , die britisch-amerikanischen Miniserie „Patrick Melrose“. 2019 hatte sein  Kinofilm „All My Loving“  in der Berlinale-Sektion Panorama Premiere. Es folgte die internationale Serie „Your Honor“. Berger unterrichtet auch den Nachwuchs in Berlin, Potsdam und New York.

Den nun mit vier Oscars ausgezeichneten Film „Im Westen nichts neues“ inszenierte Berger für den Streaming-Dienst Netflix.  Es ist die erste deutsche Adaption des Antikriegsromans von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1929. Der Film wurde als deutscher Kandidat für die Kategorie Bester Internationaler Film bei den Oscars eingereicht, es sei der erste deutsche Film, der für so viele Oscars nominiert sei, hieß es immer wieder. Edward Berger sollte  bei der diesjährigen Oscar-Verleihung Deutschland repräsentieren, aber stolz auf das Land sei er nicht, sagte er dem Hollywood-Branchenblatt Variety. „Ich fühle aufgrund der Geschichte nicht so“, sagte er. „Ich könnte nie sagen, dass ich stolz bin, Deutscher zu sein.“ Berger lehnt es selbst ab, für  Deutschland zu stehen. „Ich kann nicht für das ganze Land sprechen.“ Aber gefreut hat er sich über den Preisregen: „Oh Gott, das bedeutet uns so viel.“

Edward Berger

Einen Oscar gab es in der Sparte „International Feature“, einen zweiten für den Kameramann James Friend, dann den Komponisten Volker Bertelmann alias Hauschka, sowie Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper fürs Produktionsdesign. Mit neun Nominierungen war der deutsche Film angetreten.

„Feiern werden wir definitiv sehr lange und sehr viel“, mit der ganzen Crew zusammen. „Wir werden uns einfach in den Armen liegen und tanzen und ganz viel trinken.“ Er hinke mit seiner emotionalen Reaktion noch hinterher, räumt Berger ein. „Wahrscheinlich begreife ich es morgen.“

Berger erhofft sich von dem Rampenlicht bei den Oscars nun einen „Push“ für deutschsprachige Filme. Er glaube, dass deutsche Filmschaffende einen gewissen Minderwertigkeitskomplex hätten. Damit hat er womöglich nicht unrecht. (mit dpa)