Die vergn�gliche „Zweibettzimmer“-Fortsetzung „Dreiraumwohnung“ (ZDF / W&B Television) orientiert sich geradezu vorbildlich an dem Kom�dien-Motto „Zwei wie Nitro und Glycerin“. Im ersten Film hatten die kontrollierte Herzchirurgin Konstanze und die Glitzernudel Jackie ein Klinikzimmer geteilt, im zweiten bittet Jackie die �rztin um Asyl, weil ihre Wohnung angeblich unter Wasser steht. Die teilweise sehr b�sen Dialoge sind die eine gro�e St�rke des Films, die Darstellerf�hrung die andere: Die Chaosqueen ist erneut eine Paraderolle f�r Carol Schuler, und wie sich Anja Klings Konstanze als Spa�bremse krampfhaft um gute Miene zum b�sen Spiel bem�ht, ist nicht minder sehenswert. Neben dem Einfallsreichtum des Buchs und der Liebe zum Detail sorgt die Musik f�r gute Laune.
Foto: ZDF / Jonathan Ibeka�berraschung! Die Freude von Konstanze (Anja Kling) h�lt sich in Grenzen. In Lebensstil & Geschmack gibt es kaum �berschneidungen mit Jackie (Carol Schuler).
Wenn sich zwei Menschen auf ideale Weise erg�nzen, gilt das als „perfect match“. Das ist zwar romantisch, aber nat�rlich nicht komisch. Kom�dien setzen daher lieber auf Gegens�tze: Je st�rker die Kontraste sind, desto gr��er ist das Humorpotenzial. Im Idealfall handelt es sich um ein „perfect mismatch“, und darum ging es in Isabel Kleefelds ZDF-Kom�die „Zweibettzimmer“ (2017) mit Anja Kling und Carol Schuler: Herzchirurgin Konstanze, die ihr Leben perfekt unter Kontrolle hat, und Glitzernudel Jackie landeten im selben Krankenzimmer, mussten irgendwie miteinander klarkommen und wurden aller Unterschiede zum Trotz sogar Freundinnen. Die Fortsetzung „Dreiraumwohnung“ spielt drei Jahre sp�ter. Die Freundschaft hat offenbar nicht l�nger gehalten als der gemeinsame Aufenthalt in der Reha-Klinik. Eines Tages steht Jackie vor Konstanzes T�r und bittet um Hilfe: In ihrer Wohnung ist ein Wasserrohr gebrochen, sie braucht f�r sich und ihre Kinder ein Ausweichquartier. Aus der einen Nacht wird ein Wochenende, und auch dabei bleibt es nicht.
Foto: ZDF / Conny KleinAuch die Speisepl�ne unterscheiden sich. Jackie (Carol Schuler) und ihre Kinder Nicky (Mavie Meschkowski) und Timmy (Shahriar Sadeghian) sind von Konstanzes Bio-Abendessen wenig begeistert... Kontrastkomik dominiert in allen Lebenslagen.
Dieses d�rre Handlungsger�st gen�gt Kleefeld, die das Drehbuch von Kirsten Peters �berarbeitet hat, um daraus eine turbulente und �u�erst witzige Kom�die zu machen. Die Fortsetzung erz�hlt zwar im Grunde die gleiche Geschichte wie „Zweibettzimmer“, aber das st�rt nicht weiter, weil es erneut ein gro�es Vergn�gen ist, Kling und Schuler zuzuschauen. Auch diesmal liegt der Reiz der Geschichte neben der Diametralit�t der beiden Hauptfiguren in der Unausweichlichkeit des Seins: Jackies Kinder bringen Konstanzes heile Welt geh�rig in Unordnung (wobei „Unordnung“ der pure Euphemismus ist), aber sie will die Familie auch nicht vor die T�r setzen, weil sie damit bei ihren eigenen Kindern endg�ltig unten durch w�re. Au�erdem setzen die Autorinnen gleich zu Beginn ein cleveres Vorzeichen: In der Klinik wird der Posten des Chefarztes frei. Fachlich ist Konstanze f�r den Posten pr�destiniert, aber bei den durch eine externe Personalberatung durchgef�hrten Gespr�chen offenbaren sich gewisse menschliche Schw�chen: Bei der Frage nach Freundschaften bleibt sie stumm; da kommt Jackie mit ihrem Lebensmotto „Alles voll easy-peasy“ gerade recht.
Foto: ZDF / Conny KleinEine Kom�die der langen Gesichter und des Vollmimikeinsatzes. Kling und Schuler
Neben den vielen Ideen f�r kleine und gro�e Katastrophen in Konstanzes akkurat gestalteter Villa lebt „Dreiraumwohnung“ von der v�lligen Unvereinbarkeit der beiden Lebensentw�rfe. Jackie bricht mit ihren drei Kindern von drei verschiedenen M�nnern wie eine Abrissbirne in das penibel strukturierte Dasein der �rztin ein. Deren biologisch-dynamisch ern�hrter Nachwuchs wiederum ist begeistert, auch wenn der Magen von Sohn Malte (Bruno Gr�ner) nach einem Abend mit Chips und Cola prompt rebelliert; von seiner neuen Begeisterung f�r Ballerspiele ganz zu schweigen. Auch an der Tochter geht der Besuch nicht spurlos vor�ber: Dank Jackies Nichte (Cosima Henman in einer Gastrolle) entdeckt sie die Vorz�ge des grellen Make-ups. Lotte, als M�dchen in der Pubert�t ohnehin mit einer ausgepr�gten Mutterskepsis ausgestattet, gibt Konstanze kr�ftig Kontra; die junge Lene Oderich spielt das ausgezeichnet.
Soundtrack: Grover Washington („Just The Two Of Us“), Bill Withers („Lean On Me”), Dionne Warwick („I Say A Little Prayer”), Status Quo („Whatever You Want”), Frankie Valli & The Four Seasons („Oh, What A Night”), Aretha Franklin („Respect”)
Foto: ZDF / Conny KleinPr�senter als in "Zweibettzimmer" – und das ist gut so: Caroline Peters im Wei�kittel.
Die Dialoge sind die eine gro�e St�rke des Films, die Darstellerf�hrung die andere. Die Chaosqueen ist erneut eine Paraderolle f�r Carol Schuler, und wie sich Anja Klings Konstanze als Spa�bremse zun�chst krampfhaft um gute Miene zum b�sen Spiel bem�ht, bevor sie den Killerblick aufsetzt, ist nicht minder sehenswert. Gro�artig ist auch die Idee, die finsteren Wolken, die sich regelm��ig �ber der �rztin zusammenbrauen, musikalisch mit einem an die ber�hmten Akkorde aus „Der wei�e Hai“ erinnernden Motiv zu unterlegen; ansonsten sorgt die Musik von Iva Zabkar vor allem f�r gute Laune. Offenkundig viel Freude an ihrer Rolle hat auch Kleefelds Lieblingsschauspielerin Caroline Peters als Konstanzes Kollegin und Konkurrentin Marit, deren Pokerface zur Folge hat, dass sich die Wirkung ihrer b�sen Seitenhiebe erst zeitversetzt entfaltet. Dritte St�rke ist das Gesp�r f�rs Detail. Was bei Kom�dien gern als „gutes Timing“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit oft genug eine Frage des Schnitts (Renata Salazar Ivancan): Ein emotionaler Ausbruch Konstanzes beim Bewerbungsgespr�ch entfaltet seine komische Wirkung erst durch den Umschnitt auf das konsternierte Gesicht des Beraters (Alexander Schubert).
Der Rest ist eine mitunter fast �bersch�umende Freude an dem Chaos, das Jackie anrichtet: Nachdem sie aus dem Wohnzimmer einem Alptraum in Pink und Lila gemacht hat, kommt es zu einem fatalen Haushaltsunfall, in dessen Folge die kontrollfreudige Konstanze ihrem Gast hilflos ausgeliefert ist. Was die beiden nun erleben, vom feuchtfr�hlichen Karaoke-Abend bis hin zum n�chtlichen „Doppel-Cop“, w�rde auch einer Kinokom�die zur Ehre gereichen. Kleefeld, f�r ihren Eifelkrimi „Arnies Welt“ (2005) mit dem Grimme-Preis geehrt, hat zuletzt vorwiegend Dramen gedreht: Auf „Aufbruch in die Freiheit“ (2018, Deutscher Fernsehpreis als Bester Film) mit Anna Schudt als Metzgergattin aus der Provinz, die in den fr�hen Siebzigern ihren Mann verl�sst, folgte „Eine harte Tour“ (2019), ein Ensembledrama, in dem sich ein Freundeskreis als selbstgerechter Haufen entpuppt; der Film bescherte ihr den Deutschen Fernsehpreis f�r die beste Regie. (Text-Stand: 31.7.2021)
Foto: ZDF / Conny KleinGerade noch im Krankenhausbett – und schon auf der Karaokeb�hne: Konstanze (Kling) und Jackie (Schuler) mit zwei Polizisten (Denis Schmidt & Peter Fieseler).
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.