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„Ich bin da so reingerutscht“

Die in Hamburg lebende Schauspielerin Doris Kunstmann wird 75 Jahre alt – sie feierte auch große internationale Erfolge

Im internationalen Kino sah man sie an der Seite von Größen wie Alec Guinness („Hitler – Die letzten zehn Tage“) und Michel Piccoli („Les Équilibristes“). Auf deutschen Bühnen spielte sie unter anderem die Titelfigur in Gerhart Hauptmanns Drama „Rose Bernd“. Und im Fernsehen erschien sie oft als vielschichtige Schönheit mit sinnlicher Ausstrahlung in Serien wie „Derrick“ und „Tatort“. Begonnen hatte die Karriere der Doris Kunstmann jedoch deutlich schlichter – als Hans mit der Gans.

„Es war im Internat in St. Peter-Ording an der Nordsee“, erzählt die blonde Schauspielerin im Gespräch im Literaturhaus. „Im Winter, wenn man nicht viel draußen sein konnte, habe ich aus ureigenem Antrieb ein reges Schülertheater mit tollen Kulissen und Kostümen auf die Beine gestellt. Der Held in Grimms Märchen vom „Hans im Glück“ war meine erste Hauptrolle.“ Bald darauf sei sie in ihren Beruf „so reingerutscht“, erinnert sich die in der Hansestadt lebende Tochter einer Schauspielerin und eines Produzenten. Am Dienstag (22. Oktober) feiert Kunstmann dort ihren 75. Geburtstag.

Ein Freund ihrer Mutter in Hamburg war der damals populäre Darsteller Joseph Offenbach (1904–1971). Der erkannte das Talent der jungen Doris und vermittelte sie an die renommierte private Schauspielschule von Hildburg Frese. Noch zu Ausbildungszeiten gastierte Kunstmann an Bühnen in Cuxhaven und Bamberg. Sowie am Thalia-Theater ihrer Heimatstadt, wo der berühmte Intendant Boy Gobert (1925–1986) der Anfängerin einen Tipp gab: „Mach erst mal beim Fernsehen Karriere – dann kannst du dir später deine Rollen aussuchen.“

Kunstmann zog nach München, spielte neben Hans Clarin im Theater an der Leopoldstraße im Erfolgsstück „Die Messerköpfe“. Doch vor allem drehte sie für Film und TV, wiederholt mit dem Regisseur Günter Gräwert. „Ich bin ein eher schüchterner, zurückhaltender Mensch – typische Hamburgerin eigentlich“, sagt die Schauspielerin lächelnd, „aber spielen wollte ich immer.“ Viel filmte sie auch in Frankreich und in Rom, wo sie drei Jahre lang lebte, mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Regisseur Ugo Liberatore.

„Von den Italienern habe ich Film gelernt“, räsoniert Kunstmann, „sie lieben ihre Schauspieler. Schauspieler bestimmen dort alles – sogar, welche Spaghetti es gibt und wann es sie gibt.“ Auch der Lifestyle dort sei toll gewesen – weniger allerdings die notorische Eifersucht italienischer Männer. Für den politischen Aufbruch der Zeit um 1968 habe sie sich nicht besonders interessiert, sagt die Schauspielerin. Bis heute liege ihr ein intensives Familienleben mehr am Herzen – samt Hobbys wie Lesen, Kochen und Esoterik.

Mit den Kinoerfolgen „Trotta“ von Johannes Schaaf nach Joseph Roth sowie Alfred Vohrers „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ nach einem Simmel-Roman (beide 1971) stieg Kunstmann dann in Deutschland zum Star auf. Sie heiratete 1976, wurde Mutter ihres Sohns Marc.

Bald avancierte Kunstmann zur Tourneetheaterdarstellerin. Auch derzeit hat sie nur eine Tourneekunstpause eingelegt: Ab 8. Januar wird Kunstmann wieder mit Yasmina Rezas Gesellschaftskomödie „Bella Figura“ unterwegs sein. Und Ende nächsten Jahres steht eine Wiederaufnahme von Éric-Emmanuel Schmitts tiefgründigem Ein-Personen-Stück „Oskar und die Dame in Rosa“ auf ihrem Programm. „Die Zeit vergeht so schnell“, sinniert die Künstlerin. Demnächst möchte sie ihre Autobiografie schreiben. Und sich einen jahrzehntealten Wunsch erfüllen – „endlich malen lernen“.

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