Doris Day: So war sie – die Geheimnisse hinter den Grübchen - WELT
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Kultur Doris Day †

Die Geheimnisse hinter den Grübchen

Freier Feuilletonmitarbeiter
US-Schauspielerin Doris Day ist gestorben

Die Schauspielerin Doris Day ist mit 97 Jahren gestorben. Durch Filme wie den Western „Schwere Colts in zarter Hand“ und den Hitchcock-Streifen „Der Mann, der zu viel wusste“ wurde Day zum Weltstar.

Quelle: WELT/Kevin Knauer

Autoplay
Doris Day war immer nur so alt wie in ihren alten Filmen. So wurde sie zur Ikone der Popkultur – und gehörte doch zu den von Hollywood am meisten verkannten Schauspielerinnen. Ein trauriger Rückblick.

Die Geschichte Hollywoods ist immer auch eine Geschichte der verpassten Gelegenheiten. Was also wäre gewesen, wenn 1967 der Student Benjamin Braddock alias Dustin Hoffman nicht von einer braunhaarigen, sondern einer blonden Mrs. Robinson verführt worden wäre, bevor er nach dieser „Reifeprüfung“ mit deren Tochter im Hafen der Ehe landet? Und wenn diese vielleicht noch den gleichnamigen Welthit von Simon & Garfunkel gesungen hätte? Es wäre möglich gewesen. Und dann hätte eben nicht Anne Bancroft (die mit 36 für den damals 30-jährigen Hoffman sowieso viel zu alt besetzt war) im „The Graduate“-Bett geglänzt, sondern Doris Day, damals immerhin 45 Jahre alt – und für Hollywood altes Eisen. Das hat sie wohl selbst gemerkt, dem Regisseur Mike Nichols abgesagt und ihre Filmkarriere ein Jahr später mit einer letzten, müden Sexkomödie („Der Mann in Mamis Bett“) auslaufen lassen.

Was also wäre gewesen, hätte Doris Day, Calamity Jane, Bettflüsterin, Spionin im Spitzenhöschen, Meisterschaftlerin im Seitensprung und ewig ziemlich platonische Geliebte (des sich Jahrzehnte später als schwul herausstellenden) Rock Hudson, eben diesen Schritt vom Karrierewege gewagt und wäre als so populäre wie megacoole Milf im New Hollywood angekommen, ja hätte sogar noch im kalifornisch fröhlichen Westcoast-Pop dieser Jahre akustisch mitgemischt?

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Schließlich war Doris Day eine Filmweltseltenheit, in ihrer besten Zeit sowohl in den Film- wie Popcharts ganz oben, eine Doppelbegabung, einer der berühmtesten und bestbezahlten Hollywood-Stars. Ihr hätte gelingen können, was den eine Generation älteren Diven Bette Davis und Joan Crawford nur glückte, weil sie sich als wirre Weiber in Horrorfilmen vorführen ließen: eine balancierte Karriere auch als Frau nach 45.

Aber Doris Day hat wohl selbst gefühlt, dass sie nicht über die spielerische Wandlungsfähigkeit einer Meryl Streep verfügte und dass sie zu sehr in den Rollenklischees als präzise Komödiantin, keimfreie Sauberfrau und trällernde Schlagerlieferantin verfangen war. Ruhm hat meist seinen Preis. Und Doris Day, die viermal verheiratete, einst 17-jährige Mutter, die gar nicht so prüde war, wie es ihr auf der Nostalgiewelle bis heute bestens schwimmendes Film-Image noch immer ist, hat sich angepasst, wurde Konfektion. Freilich deluxe. Und das sind eben auch die Bilder, die sich bis zuletzt und bis heute mit ihr verbinden.

Hollywood-Star Doris Day gestorben
Ist zu einem Teil der amerikanischen Ikonografie des 20. Jahrhunderts geworden: Doris Day
Quelle: dpa/Ernst Feix

Obwohl sie doch schon 1968 ihren letzten Film und danach nur noch ein paar TV-Shows gedreht hat und sich schließlich hauptsächlich als Tierschützerin in Szene setzte. In Carmel-by-the-Sea betrieb ihr Sohn in ihrem Namen ein Hotel, und sie selbst wurde eine Art amerikanische Brigitte Bardot, ohne deren verbiesterte Militanz. Sie alterte scheinbar glücklich, zeigte auf den immer weniger aktuellen Fotos ihr weißblondes Haar und meldete sich alljährlich in der lokalen Radiostation zu Wort, wenn die zu ihrem Geburtstag am 3. April wieder den ganzen D-Day über ihre Hits rauf und runter spielten.

Und so ist die Doris Day – der Name verrät die damals von den Labels oder Studios entworfene Kunstfigur – zu einem Teil der amerikanischen Ikonografie des 20. Jahrhunderts geworden. Obwohl sie doch eigentlich sehr deutschen Ursprungs war, 1922 in Cincinnati als Doris Mary Ann Kappelhoff geboren wurde und eigentlich Tänzerin werden wollte. Das verhinderte ein ziemlich schlimmer Unfall, bei dem fast ihr Bein zermalmt wurde. Danach versuchte sie es mit dem Singen. Sie trat beim Rundfunk und in Nachtklubs auf, bevor sie bei den Bands von Bob Crosby und Les Brown arbeitete. Ihren Durchbruch hatte sie 1944 mit dem Nummer-eins-Hit „Sentimental Journey“, dem mit „My Dreams Are Getting Better All The Time“ ein weiterer Hit folgte. Der Klubbesitzer Barney Rapp verpasste ihr nach dem Lied „Day After Day“ ihren Künstlernamen. Danach arbeitete sie unter anderem mit Frank Sinatra, Bob Hope und Dinah Shore zusammen.

Ihre erste, 1941 geschlossene Ehe mit dem Posaunisten Al Jordan dauerte zwei Jahre. 1946 heiratete sie den Saxofonisten George Weidler, doch auch diese Verbindung wurde nach kurzer Zeit geschieden. 1947 unterschrieb sie einen Filmvertrag bei Warner Brothers. Ihre frühen Werke sind honigsüße Musicalroutine, das konnte MGM einfach besser. Aber in „Der Mann ihrer Träume“ (1949), einer von Michael Curtiz routiniert-atmosphärisch erzählten Jazztrompeter-Story, spielt sie sich selbst: die etwas kernseifige Vokalistin, die am Ende gegen das böse Mädchen Lauren Bacall den Siegerpokal in Gestalt von Kirk Douglas davonträgt.

Sehr viel nuancenreicher und nicht unbedingt sympathisch verkörpert Doris Day in hautengen Paillettenkleidern 1955 im Biopic „Tyrannische Liebe“ die Jazzsängerin Ruth Etting, die sich gegen ihren brutalen Manager behaupten muss. Von James Cagney bekommt sie zwar keine Pampelmuse ins Gesicht, aber eine schallende Ohrfeige. In „Schwere Colts in zarter Hand“ (1953) an der Seite von Howard Keel ist die Day eine grandios croonende Westernkratzbürste und ihr zweideutiges „Once I Had A Secret Love“ im Butterblumenfeld ist mehr als nur unterschwellig das lesbische Gegenstück zu „Brokeback Mountain“. In Stanley Donens „Pajama Game“ (1957) mit den vom Broadway nach Hollywood geretteten Tanznummern von Bob Fosse ist sie eine Betriebsrätin, die mit dem virilem Geschäftsführer einer Trikotagenfabrik in den Liebesclinch gerät: ein wunderbares Stück Fantasy-Working-Class.

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Als eine von Hollywoods am meisten verkannten Schauspielerinnen war Doris Day mehr als eine muffige Blendax-Blondine. Diese wurde sie in nur drei Blümchensexkomödien mit Rock Hudson, wo zwei – nach damaligen Maßstäben – reifere Stars in einem für sie neuen Genre glänzten und eine der erfolgreichsten Paarungen der Filmgeschichte etablierten. „Bettgeflüster“ (1959) und andere Day-Hits ohne Hudson zeigten in ihren sinnfrei-grotesk komischen, prüden, aber eigentlich frivolen Kapriolen perfektes Timing und eine längst stylish gewordene, in endlosen Revivals heute noch die Modewelt begeisternde Ästhetik. Für die letztlich der ebenfalls schwule Produzent Ross Hunter mitverantwortlich war. Er war ein Mann, der die Frauen (nicht) liebte, aber von Doris Day sagte: „Unterhalb dieser Grübchen lauert einer der heißesten Hintern Hollywoods.“

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Doch was hat man ihr nicht alles angetan! Sie war mit ängstlichen Hunden und naseweisen Kindern geschlagen, dusseligen Ehemännern, Macho-Chefs und ignoranten Hausmädchen. Sie störte als längst tot geglaubte Ehefrau, war Werbe-Ikone für die Happy-Seife und hatte meist auch noch Eidotter an den Puschen, Ketchup, Zitronenkuchen, Ruß oder rote Pusteln im Gesicht oder auf den bis heute nach ihr benannten pastellbunten Doris-Day-Kostümen.

Dabei hatte sie diese Einengung auf die stereotypen Eiserne-Jungfrau-Komödien (die noch dazu von ihrem dritten Ehemann Martin Melcher produziert wurden) gar nicht nötig. In diesen fehlerlos konstruierten Filmen, die heute durch den geouteten Rock Hudson und die konsequente Sixties-Stilisierung längst zum Kanon des Camp gehören, führt die bieder-patent domestizierte Doris Day eigentlich nur noch drei Grimassen vor, die schon 1955 der böse Alfred Hitchcock als verängstigte Mutter in „Der Mann, der zuviel wusste“ an ihr schätzte – übrigens der einzige Film, der neben dem Klamottenspätwerk und dem Edel-Suspense „Mitternachtsspitzen“ (1960) hierzulande mit ihr identifiziert wird.

So hat Doris Day zwischen 1948 und 1968 vierzig Filme gedreht und dabei offenbar auch noch ununterbrochen gesungen: Bis heute haben sich mehr als 17 Millionen Platten ihrer 500 Einzeltitel verkauft. Darunter sind viel mehr mit klarer Stimme gesungene Kostbarkeiten als das wie Honig an ihr klebende „Que Sera, Sera“ vermuten lässt, das sie neben dem Hitchcock-Film noch in zwei anderen Titeln anträllern musste. Das war auch bitter nötig, denn nach dem Tod ihres dritten Mannes entdeckte sie 1968, dass der all ihr Geld durchgebracht hatte. So wurde aus der späten Doris Day, die sich Hollywood konsequent entzog, zwar keine Mrs. Robinson, aber eine gute Fee der Tiere. Zivilcourage zeigte sie, als sie mit dem von Aids gezeichneten Rock Hudson ins Fernsehen ging. Und 2011 meldete sie sich nach 17-jährigem Schweigen sogar noch mit dem sehr hübschen Retroalbum „My Heart“ zurück, mit dem sie in England als zweitälteste Künstlerin nach Vera Lynn in die Top-Ten-Charts kam.

Doch auch platinblonde Jungfrauen haben kein ewiges Leben. Und so ist Doris Day, die Generationen später immer noch, lange vor den „Mad Man“, als ewig wutschnaubende Werberin aus „Bettgeflüster“ präsent ist, jetzt mit 97 Jahren im kalifornischen Carmel Valley gestorben. Denn wie wusste sie doch am Besten: „Was sein wird, wird sein.“

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