Jan Böhmermann veräppelt Dieter Nuhr: Ist das genial oder hämisch?

Jan Böhmermann veräppelt Dieter Nuhr: Ist das genial oder hämisch?

Jan Böhmermann sorgt mit seiner aktuellen Dieter-Nuhr-und Lisa-Eckhart-Parodie für viel Aufsehen. Die Nummer spaltet das Publikum. Und das ist so gewollt. Ein Kommentar.

Jan Böhmermann
Jan BöhmermannChristophe Gateau/dpa

Das „ZDF Magazin Royale“ am Freitagabend war mal wieder eine besondere Sendung, die sich Jan Böhmermann mit seinem Team ausgedacht hat. Diesmal wurde das Publikum nicht vom Entertainer und Comedian persönlich begrüßt, sondern von einem Mann, der so aussah und sprach wie Dieter Nuhr. Das war Absicht. Die ganze Sendung war eine Irritation, eine Persiflage auf die Sendung „Nuhr im Ersten“, die beim Konkurrenzsender ARD läuft und von Medien wie dem Tagesspiegel als „rechte Comedy“ bezeichnet wird.

Schon der Einstieg machte klar, dass Böhmermann die Sendung dafür nutzen wollte, jene Comedy eben als rechts und problematisch zu entlarven, ihr also „den Spiegel vorzuhalten“. Das Ziel war, die Witze und Gags, die ein zusammengeschnittenes Zitat-Sammelsurium aus realen Stand-up-Auftritten waren, als plumpes minderheitenfeindliches Gerede zu demaskieren und Comedians wie Dieter Nuhr und Lisa Eckhart der Häme auszusetzen. 

Verletzende Witze und dummdreiste Provokation

Gleich zu Anfang setzte Sebastian Rüger, der Dieter Nuhr spielte, den Ton. Er sagte in einer an Nuhr angelehnten lakonischen Gehässigkeit: „Triggerwarnung! Es ist nicht auszuschließen, dass heute Abend Gefühle verletzt werden.“ Und so war es dann auch und so ging es die nächsten 30 Minuten weiter. Absicht war es augenscheinlich, die Comedians, die regelmäßig in der Nuhr-Sendung auftreten, als verirrte rechte Demagogen darzustellen, die Letzte-Generation-Aktivisten im Knast sehen wollen, Verständnis für Wladimir Putin aufbringen, Antisemitismus und Rassismus streuen, die woke Bewegung als autoritär verunglimpfen und sich als Steigbügelhalter des fremdenfeindlichen rechtsdeutschen Bürgertums inszenieren. 

Das Publikum war besetzt mit auffällig vielen Repräsentanten der Boomer-Generation, die bei jedem antiwoken Witz schenkelklopfend und fratzenartig ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten. So sah auch Jan Böhmermanns Rolle aus, der im Publikum saß und jeden ausländerfeindlichen Gag mit gekünsteltem Applaus und Gelächter quittierte. Den Zuschauern vor den Fernsehern dürfte das Lachen im Halse stecken geblieben sein angesichts der Masse von dummdreisten und bewusst verletzenden Pointen. 

Vielschichtige Diskussion um Nuhr und Eckhart

Wobei wir hier auch gleich beim Problem wären. Denn die Reduktion des Humors von Dieter Nuhr und Lisa Eckhart auf eine rassistische und antisemitische Agenda ist eine bloße Unterstellung und verkürzt die Komplexität von Satire, die im Fall von Nuhr vor allem ein älteres Publikum begeistert, das sich, wie man so schön sagt, vom linksliberalen Diskurs „abgehängt“ fühlt.

Böhmermann tut das ganz bewusst. Denn er hat ein Ziel vor Augen: Er kämpft, und das schon seit Jahren, gegen einen aufziehenden rechten Autoritarismus, der sich im Gewand des normalen Bürgers in die Wohnzimmer bundesdeutscher Haushalte schleicht. In die Mitte der Gesellschaft also. So interpretiert zumindest Böhmermann den Zeitgeist und dessen Gefahren für die Demokratie. Das rechtfertig für ihn den Einsatz des Vorschlaghammers, der auch Kollateralschäden anrichten darf. Dabei ist es auffällig, dass er seine Satire nicht gegen offen rechts positionierte Strukturen richtet, sondern unauffälligen Milieus dieses Gedankengut unterstellt, die selbst solche Vorwürfe entschieden von sich weisen. 

Und genau diese Unterstellung führt zu spalterischen Reaktionen und ist auch der Grund, warum Böhmermanns Sendung und sein Humor vor allem in der bürgerlichen Ecke auf so viel Ablehnung stoßen. Für diese Reaktion gibt es rationale Gründe.

In der Tat ist es so, dass gerade mit Blick auf Nuhr und Eckhart eine Diskussion tobt, die durchaus nuancierter und vielschichtiger deren Humorbegriff unter die Lupe nimmt. Gerade der Antisemitismusvorwurf gegen Lisa Eckhart bedarf einer genauen Analyse, auf die sich Jan Böhmermanns Sendung bewusst nicht einlassen will.

Die Komplexität fällt unter den Tisch

Die Strategien von Böhmermann, um andere zu denunzieren (er würde vermutlich sagen: an anderen „Kritik zu üben“), ähneln sich. Der Comedian verwendet das Prinzip der „Verdichtung und der Verkürzung“, um seine Opfer an den Pranger zu stellen. In der Nuhr-Sendung war es die bewusste Entkontextualisierung des nuhrschen Comedy-Begriffs. Böhmermann und sein Team imitieren damit vor allem rechte verschwörungstheoretische Praktiken, die gerne Sätze aus dem Kontext reißen, um die eigene Theorie zu untermauern. Das Problem ist, dass bei dieser Technik, ob nun von rechts oder links angewandt, die Wahrheit auf der Strecke bleibt. 

In diesem Fall heißt das ganz konkret: Die Zuschauer, die sich mit Nuhr und Eckhart nicht weiter beschäftigen und von Böhmermann einen zusammengeschnittenen Ausschnitt aus der Wirklichkeit bekommen, sind nicht imstande, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden. Was übrig bleibt, ist die Vorstellung, dass Nuhr rechts ist und Eckhart antisemitisch. Der Vorschlaghammer wirkt. 

Böhmermann beschäftigt sich weit weniger mit der Frage, was diese Art von Blame Game mit der Gesellschaft anrichtet. Wird ein Nuhr-Enthusiast tatsächlich aufgeklärt über seinen vermeintlich problematischen Humor, wenn er Böhmermanns Sendung sieht? Ist solch eine Taktik nicht eher Ausdruck und Selbstbespiegelung des linken Milieus, das zementieren will, dass es selbst auf der richtigen Seite der Geschichte steht?

Die Gefahr besteht zumindest, dass diese Art von Fingerzeig, den Böhmermann betreibt, zu einer Radikalisierung des bürgerlichen Milieus führt, das sich von linken Meinungsmachern diskreditiert sieht – und vom Gespräch mit diesem Milieu immer weiter abwendet. Die Gesellschaft driftet auseinander, ohne sich einzugestehen, dass Nuhr vielleicht gar nicht rechts und Böhmermann vielleicht gar nicht so links ist. 

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