TV-Kritik: „Die verlorene Tochter“ (ZDF) ist eine hanebüchene TV-Serie
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Kritik: „Die verlorene Tochter“ (ZDF) - Eine hanebüchene TV-Serie

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TV-Kritik: „Die verlorene Tochter“ (ZDF) ist eine hanebüchene TV-Serie
Smart an der Edertalsperre: Isa und Robert. Die ZDF-Mini-Serie „Die verlorene Tochter“ sieht gut aus, hat aber eine haarsträubende Konstruktion. © © ZDF/Alexander Fischerkoesen

TV-Kritik zu „Die verlorene Tochter“: Die ZDF-Serie sieht gut aus, kommt aber auch ziemlich hanebüchen daher.

  • Neue ZDF-Mini-Serie „Die verlorene Tochter“ 
  • Sechs Teile werden vom 27.1. bis 30.1. im ZDF* ausgestrahlt
  • Starke Besetzung mit Claudia Michelsen und Götz Schubert

Zuerst ist das ein verheißungsvoller Thriller, dann wird er Stunde um Stunde mehr zur Parodie seiner selbst, um als Machwerk zu enden. „Die verlorene Tochter“, geschrieben von Christian Jeltsch und inszeniert von Kai Wessel, krimierfahrenen Akteuren des deutschen Fernsehfilms, hat drei große Vorteile, die das ein bisschen verschleiern und die Hoffnung hochhalten, alles werde sich noch zum Überzeugenden wenden. Dem ist dann nicht so.

Erstens ist das eine Serie, in der man den jeweiligen Vorspann nicht verpassen darf. Nur scheinbar führt er immer wieder bloß – beim üblichen Was-bisher-geschah – zurück an den Abend einer Schulparty, nach der die 16-jährige Isa von Gems verschwand. Gespielt wird diese von Henriette Confurius, deren Hauptaufgabe darin besteht, betroffen, verängstigt und doch auch zornig, vor allem aber wunderschön und sehr blauäugig auszusehen. Das ist auf Dauer nerviger, als man es sich vorstellt.

„Die verlorene Tochter“ im ZDF: Verschobener Blickwinkel

Der Abend wird also zwar immer wieder gezeigt, aber von Folge zu Folge verschiebt sich der Blickwinkel leicht, sieht man, was andere zu dem oder jenem Zeitpunkt gemacht haben, so dass es sich wirklich um ein Puzzle handelt. Wer sitzt in dem Auto dort, wer befindet sich hinter der verschlossenen Tür, wer ist es, der anruft, wer ist es, der nicht ans Telefon geht, und so weiter.

Zweitens ist das fiktive Lotheim, Ort des Geschehens, apart gewählt beziehungsweise zusammengesetzt aus verschiedenen hessischen Ecken: Die von Gemsens, eine Bierbrauerdynastie, wohnt zum Beispiel in Schloss Rauischholzhausen – das heißt, von außen betrachtet, innen, liest man, handelt es sich dann um ein Schlösschen in der Uckermark –, das jetzt sehr nah an der Edertalsperre liegt. Eine attraktive Kulisse, die erst gegen Ende etwas verliert, wenn es zu sehr ums Schönsein geht und zu wenig darum, ob es einleuchtet, dass sich die Figuren jetzt ausgerechnet hier oder dort treffen.

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„Die verlorene Tochter“: Imposante Besetzung mit Claudia Michelsen und Götz Schubert

„Die verlorene Tochter“, ZDF, Mo., 20.15 Uhr, Teil 1+2, die Teile 3-6 dann in Doppelfolgen am Mi. und Do., jeweils 20.15 Uhr. Alle Teile sind schon jetzt in der ZDF-Mediathek zu haben.

Drittens ist die Besetzung imposant und Claudia Michelsen als leidende, buchstäblich zerknirschte Mutter Gems den Aufwand fast schon wert. Allerdings ist sie neben Götz Schubert als abgehalfterter Polizist auch eine der wenigen vor Leben vibrierenden Figuren in einer Inszenierung, deren Personenführung sich vor allem mit Blick auf die Familie Gems zunehmend in gutaussehender und sinnfälliger Starre verliert. 

Das erfasst Christian Berkel, Ricky Okon und Hildegard Schmahl als distinguierten Vater, blasierten Sohn und dünkelhafte Großmutter, wie auch Max von der Groeben als Isas damaliger Freund. Dieser hat inzwischen Isas damalige beste Freundin, Nina Gummich, geheiratet. Vater von Gems ist zehn Jahren nach Isas Verschwinden im Begriff, sie für tot erklären zu lassen. 

Ihr Wiederauftauchen ist zunächst rätselhaft, auch hat sie ihr Gedächtnis verloren, erkennt Familie und Freunde nicht wieder und hat keine Ahnung, was damals geschah. Vielleicht staunt man noch etwas darüber, dass es zunächst nicht den Anschein hat, als würde nun besonders systematisch versucht, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Eine sympathische Nebenfigur ist in diesem Zusammenhang Hadi Khanjanpour als Chef der Polizeistelle, der still und vernünftig vorgeht.

„Die verlorene Tochter“ im ZDF: Viel Unvernunft und Aufgeregtheit

Viel Unvernunft ist ansonsten im Spiel, viel Aufgeregtheit, dazu Soapelemente, und wie in der Soap steht dann auch die Handlung bedeutungsvoll in der Gegend herum, bis sich dann doch wieder etwas tut. So reizvoll es ist – das wusste schon Agatha Christi –, wenn die Gründe dafür, weshalb eine Person besser verschwindet, so vielfältig sind, so hanebüchen wirkt schließlich die Fülle der finsteren Fakten, auf die dann noch etwas ganz anderes draufgesetzt wird. Auch Facettenreichtum und das scheinbar differenzierte Verschlieren von Opfer- und Täterschaft kann eine schiere Stereotypen-Ansammlung sein. Bei Anne Will saß eine Runde gut betuchter Politiker und ließ sich über die Mittelschicht, oder was sie dafür hielten, aus.

In dem TV-Krimi "Tage des letzten Schnees" (ZDF) dreht sich alles um den tragischen Unfalltod eines geliebten Familienmitgliedes. Die Romanverfilmung, die vor allem in Frankfurt spielt, überzeugt.

Das Durcheinander nach dem Wahl-Fiasko im Thüringer Landtag spiegelte sich auch in Maybrit Illners Talkshow im ZDF wieder. Das Land steht vor einer Epidemie, und Maybrit Illners Talkshow ließ vor allem erkennen, wie ungewohnt und allseits verunsichernd die Lage ist, wie fr.de* berichtet.

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