„Das Ende der Wahrheit“ – Thriller mit Tendenz zum Trivialen | Evangelische Zeitung

„Das Ende der Wahrheit“ – Thriller mit Tendenz zum Trivialen

Ein BND-Mann ermittelt zum Tod seiner Freundin bei einem angeblichen Terroranschlag – und kommt dubiosen Machenschaften des eigenen Geheimdienstes auf die Spur. Ein spannender, aber manchmal auch etwas unübersichtlicher Film.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Martin Behrens (Ronald Zehrfeld) ist beim Bundesnachrichtendienst (BND) für Zentralasien zuständig. Er ist ein pragmatischer, durchaus skrupelloser Mann, der fest daran glaubt, dass er mit seiner Arbeit einen Beitrag zur Erhaltung der nationalen Sicherheit leistet. Seine Freundin (Antje Traue) ist Journalistin und steht damit gewissermaßen auf der anderen Seite; beide haben eine Art Stillhalteabkommen vereinbart, der ihre jeweilige Arbeit aus der Beziehung ausklammert. Doch als die Reporterin bei einem Terroranschlag auf ein Restaurant in München stirbt, stößt Behrens auf höchst dubiose Machenschaften, in die auch sein Arbeitgeber verwickelt ist.

Der komplexe Politthriller von Philipp Leinemann von 2018 entwirft eine schwer durchschaubare Gemengelage aus ökonomischen Interessen, geopolitischen Strategien, Machtkalkül und Korrumpierbarkeit. Denn Behrens wird in der Behörde kaltgestellt, als sein Verhältnis mit der toten Journalistin bekannt wird. Ihr Tod ist nicht nur eine persönliche und berufliche Katastrophe für Behrens, er gerät vielmehr in einen grundsätzlichen Strudel, der seine Loyalität und seinen Glauben an die Rechtsstaatlichkeit aufs Spiel setzt. Denn langsam dämmert ihm, dass der Feind womöglich im Inneren lauert.

Martin Behrens arbeitet beim Bundesnachrichtendienst als Experte für Zentralasien. Der von Ronald Zehrfeld gespielte BND-Mann nutzt als vermeintlicher Übersetzer die Gelegenheit, einen Asylbewerber unter Druck zu setzen, weil er an wichtige Information kommen will. Dem Mann im Gegenzug pauschal eine Aufenthaltsgenehmigung zu versprechen, ist ebenso Teil seines Jobs wie der Umstand, dass die erpressten Informationen zu einem tödlichen US-Drohnenangriff auf Miliz-Chef Al-Bahiri führen.

Später ist der dann doch abgeschobene Informant in einem Enthauptungsvideo zu sehen. Und noch etwas später wird klar, dass es der Geheimdienst der fiktiven Region Zahiristan gewesen ist, der sich mit Hilfe fremder Dienste Al-Bahiris auf elegante Weise entledigt hat. Behrens hat offenkundig einen Job, bei dem aus übergeordneten Gründen ohne Skrupel über Leichen gegangen wird.

Andererseits, so verlangt es das Genre des Politthrillers, das Regisseur Philipp Leinemann gewählt hat, braucht es einen Protagonisten mit glaubhaftem Aufklärungsimpuls. Deshalb hat Behrens eine Affäre mit der Journalistin Aurice Köhler (Antje Traue). Für die Reporterin könnte es vielleicht noch plausibel sein, dass sie mit einem BND-Mann anbandelt – für Geheimdienstler stellt es eine grobe Verletzung der Sicherheitsstandards dar. Bei einer Pressekonferenz fällt Köhler nicht nur durch kritische Fragen auf, sondern auch durch kaum kaschierten Kontakt zu Behrens, was ihn unmissverständlicher Kritik aussetzt.

Die Journalistin ist offenbar an einer großen Geschichte dran, die von der Verstrickung des BND mit der Waffenlobby handelt, und steht im Begriff, einen wichtigen Informanten zu treffen. Kurz darauf zählt sie zu den Opfern eines Terrorüberfalls auf ein arabisches Cafe in München. Behrens, der sich urplötzlich vom Geheimdienstmann zum Privatermittler wandelt, erkennt, dass Köhlers Verletzungen auf eine Hinrichtung schließen lassen und der Mord als Anschlag „inszeniert“ wurde.

Fehlt noch: das Gegenspiel. Hier erweist sich das Gelände als etwas unübersichtlich. Welche Rolle spielt der Tod Al-Bahiris? Wie ist Zahiristan geopolitisch einzuordnen? Ist der Münchner Anschlag ein islamistischer Vergeltungsschlag für die Ermordung von Al-Bahiri? Wer will aus welchen Gründen die Aufhebung des internationalen Waffenembargos gegen das diktatorische Regime in Zahiristan? Welche Rolle spielen die Geheimdienste? Und die Waffenlobby?

Behrens ermittelt auf eigene Faust und sieht sich isoliert, nicht zuletzt durch den jungen, arroganten Bürokraten Patrick Lemke. Er wird von Alexander Fehling gespielt, der seiner Figur eine gebrochene Körperlichkeit verpasst. Lemke hängt gewissermaßen in seinen schlecht sitzenden Anzügen und macht sich erst gegen Ende etwas gerader. Beim BND werden offenbar von verschiedenen Akteuren unterschiedliche Süppchen gekocht, und nicht immer weiß die linke Hand, was warum die rechte gerade so treibt.

Die Crux des Films besteht darin, dass das Geschehen einerseits recht undurchschaubar ist – andererseits Behrens und auch die Kamera permanent Indizien sammeln, die sich auf unterschiedlichen Ebenen zu einem vielleicht komplizierten, aber durchaus stimmigen Bild aus ökonomischen Interessen, geopolitischen Strategien, abgründigen Schachzügen, Machtkalkül und Korrumpierbarkeit zusammensetzen lassen. Dass man dies alles gewissermaßen in Handarbeit herstellen soll, ist für einen Politthriller etwas misslich, weil eigentlich „old school“.

Behrens könnte eine stimmige Narration der Aufklärung anbieten. Während italienische, französische oder US-amerikanische Genre-Klassiker der 1960er- und 1970er-Jahre und auch ein paar neuere deutsche Filme ahnten, dass es nicht nur Momente des Widerstrebenden und Unaufgelösten geben muss, damit die Weltordnung für den Zuschauer produktiv beschädigt bleibt, wählt Leinemann eher die versöhnlich-kleinbürgerliche Variante. Behrens ist als „last man standing“ seine kleine, gemeine, sehr persönliche Rache gegönnt. Dieser Tendenz zum Trivialen ist auch mit spektakulären und drastischen Bildern nicht beizukommen.