Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit
ArchivDeutsches �rzteblatt PP4/2005Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit

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Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit

Goddemeier, Christof

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Wollte Psychoanalyse und Marxismus in Einklang bringen: Erich Fromm. Foto: dpa
Wollte Psychoanalyse und Marxismus in Einklang bringen: Erich Fromm. Foto: dpa
Vor 25 Jahren starb der Psychoanalytiker und Sozialphilosoph.

Seinen gr��ten literarischen Erfolg hatte Erich Fromm mit �Die Kunst des Liebens� (1956) � das Buch wurde in zahlreiche Sprachen �bersetzt und erreichte Millionenauflagen. Das Menschenbild, von dem Fromm ausgeht, ist inspiriert durch die Erkenntnisse von Karl Marx und Sigmund Freud, doch seine tieferen Urspr�nge scheinen in der Bibel zu liegen. So ist er in der Geschichte der Psychoanalyse zugleich Sch�pfer einer soziologischen Psychoanalyse wie auch einer religi�s fundierten psychoanalytischen Anthropologie.
Am 23. M�rz 1900 wird Erich Fromm in Frankfurt/Main als Kind orthodox-j�discher Eltern geboren. Beide Eltern entstammen rabbinischen Familien; vor allem auf der Seite des Vaters gab es ber�hmte Schriftgelehrte. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die damit verbundene Entfesselung nationaler und sadistischer Leidenschaften lassen den Vierzehnj�hrigen erstmals Skepsis gegen�ber staatlichen Autorit�ten empfinden. Nach einem Studium der Soziologie regt seine erste Ehefrau, die Psychoanalytikerin Frieda Reichmann, ihn an, eine psychoanalytische Ausbildung zu absolvieren. 1930 wird er unter Max Horkheimer Mitglied des Frankfurter Instituts f�r Sozialforschung: Wie diesem geht es Fromm darum, Psychoanalyse und Marxismus in Einklang zu bringen. Damit reiht er sich ein in die Gruppe der �Freudomarxisten�, zu denen etwa Wilhelm Reich, Otto Fenichel und Siegfried Bernfeld geh�ren.
1941 erscheint in den USA Fromms Buch �Die Furcht vor der Freiheit�. Es versucht eine Antwort auf die Frage, warum totalit�re Ideologien und Bewegungen wie Faschismus und Bolschewismus auf die Menschen des 20. Jahrhunderts eine derartige Anziehungskraft aus�ben: Um sich �ber das Gef�hl seiner Bedeutungslosigkeit in einer ungeheuren Maschinerie hinwegzut�uschen, greift das Individuum zu �Fluchtmechanismen�, die den Sinn haben, Angst und Isolierung zuzudecken. Fromm beschreibt drei Fluchtmechanismen: �autorit�re Tendenzen�, �Zerst�rungstrieb� und �automatische Anpassung�. In allen drei F�llen besteht die Crux darin, dass eine �Freiheit von� nicht durch eine Sinn stiftende �Freiheit zu� erg�nzt wird. Im Gegensatz zu Freud erkennt Fromm keinen biologischen �Todestrieb� an: �Der Trieb zum Leben und der Trieb zur Zerst�rung sind nicht voneinander unabh�ngig, sondern stehen zueinander in umgekehrtem Verh�ltnis: Je mehr der Lebenstrieb durchkreuzt und unterbunden wird, umso st�rker der Trieb der Zerst�rung. Je mehr sich das menschliche Dasein entfalten kann, umso geringer die Kraft der Zerst�rung und umso seltener. Der Zerst�rungstrieb ist die Folge des ungelebten Lebens.�
In �Psychoanalyse und Ethik� (1947) leistet Fromm Pionierarbeit f�r die
Psychoanalyse � hatte Freud doch behauptet, dass seine Tiefenpsychologie keinen Bedarf an ethischen Untersuchungen habe. Demgegen�ber ist Fromm der Meinung, dass eine humanistische Ethik die Grundlage jeder psychoanalytischen Praxis sein m�sste. In Anlehnung an Aristoteles, Spinoza und John Dewey empfiehlt humanistische Ethik dem Menschen vor allem, sich autonom und kraftvoll zu entwickeln. Im Gegensatz zur autorit�ren Ethik, die menschliches Gutsein st�ndig durch das �immanente B�se� bedroht sieht, sagt Fromm: �(. . .) so gewinnt ein Mensch, der sich seiner eigenen Kr�fte bewusst ist und sie produktiv verwendet, an St�rke, Glauben und Gl�ck. (. . .) Das Erlebnis von Freude und Gl�ck ist nicht nur (. . .) das Ergebnis eines produktiven Lebens, sondern auch dessen Stimulans.�
�Anatomie der menschlichen Destruktivit�t�, Fromms letztes gro�es Werk, erscheint 1973: die Summe eines gelehrten Lebens, das von Anfang an auf interdisziplin�re Forschung ausgerichtet ist. Im Unterschied zu Freud und Konrad Lorenz ist es laut Fromm nicht n�tig, einen �nat�rlichen Aggressionstrieb� anzunehmen. Es gen�ge vielmehr, die Aggression zu den �M�glichkeiten� des Menschen zu z�hlen und die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen sie exzessive Auspr�gung erf�hrt.
Allen konnte Fromm es nicht rechtmachen. Die Marxisten warfen ihm vor, er habe den Marxismus psychoanalytisch verw�ssert, und die Analytiker
waren nicht begeistert, dass er sie mit politischen oder gar revolution�ren
Erw�gungen behelligte.
Nach Lehrt�tigkeiten in den USA und in Mexiko wird Erich Fromm 1974 mit seiner dritten Ehefrau in Locarno/Schweiz ans�ssig. Hier ist er am 18. M�rz 1980 f�nf Tage vor seinem 80. Geburtstag gestorben. Christof Goddemeier

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