Paul Harathers Wirtschaftssatire „Die Firma dankt” (SWR) basiert auf dem gleichnamigen B�hnenst�ck von Lutz H�bner und ist ebenso kluge Wirtschaftssatire wie Abrechnung mit dem Jugendwahn. Thomas Heinze ragt dabei als Abteilungsleiter auf dem Abstellgleis aus einem ausgezeichneten Ensemble heraus. Der Reiz des Films liegt in der kafkaesken Stimmung: Der Manager eines geschluckten Unternehmens wird zu einem Wochenend-Seminar eingeladen. Er vermutet, dass er sich beweisen soll, hat aber keine Ahnung, wie ihm das gelingen kann, weil seine Gastgeber st�ndig widerspr�chliche Signale aussenden.
Foto: SWR / Johannes KriegEin Hauch Bunuel. Der absurde Charme der Business-Menschen. Fabian Hinrichs, Ludwig Trepte, Nora Waldst�tten, Thomas Heinze und Gloria Endres de Oliveira
Es gibt nicht viele historische Pers�nlichkeiten, deren Name zu einem Adjektiv geworden ist, und kaum einer der entsprechenden Begriffe weckt so unangenehme Assoziationen wie das Wort „kafkaesk“. Es steht f�r den aussichtslosen Kampf eines Individuums gegen mysteri�se M�chte und ist damit das perfekte Pr�dikat f�r das Theaterst�ck „Die Firma dankt“ von Lutz H�bner & Sarah Nemitz. Das Drama wie auch die Adaption durch Paul Harather handeln von einem Abteilungsleiter, dessen nicht weiter bezeichnetes Unternehmen von einem Konsortium internationaler Investoren �bernommen worden ist. Die neuen Besitzer haben s�mtliche seiner Kollegen entlassen; einzig Adam Krusenstern (Thomas Heinze) ist zum Wochenendseminar ins G�stehaus der Firma eingeladen worden. Nat�rlich macht er sich Hoffnungen, dass er weiter besch�ftigt wird, aber die Zuversicht weicht einer zunehmenden Verunsicherung, weil ihn John & Ella (Fabian Hinrichs, Nora Waldst�tten), die Repr�sentanten der neuen Besitzer, st�ndig mit widerspr�chlichen Botschaften verwirren: Einerseits soll er sich entspannen, andererseits wird moniert, dass er keine Initiative zeigt. Also l�dt er alle Anwesenden zu einem Treffen, um das weitere Vorgehen zu organisieren, aber auf Gegenliebe st��t allein sein nicht ernst gemeinter Partyvorschlag. Als er nach einer Nacht im unfreiwilligen Drogenrausch doch noch gefeuert wird und sich die ganze Veranstaltung als Farce entpuppt, kommt es zum Eklat; aber selbst das ist noch nicht das Ende dieses verr�ckten Wochenendes.
Foto: SWR / Alexander KlugeIst der Abteilungsleiter noch verwendungsf�hig? Loriot-Figur (steif & unflexibel = der Inbegriff des Komischen) in kafkaeskem Szenario: Krusenstern (klasse: Heinze)
Harather ist bereits 2015 mit H�bners „Bl�tentr�ume“ eine vorz�gliche Adaption gelungen; Andreas Sch�fauers Bildgestaltung l�sst auch diesmal wieder vergessen, dass der Film auf einem B�hnenst�ck basiert. Die Handlung spielt sich zwar gr��tenteils im luxuri�sen G�stehaus ab (gedreht wurde auf der B�hler H�he bei Baden-Baden), aber Sch�fauer hat den Film trotzdem in „Breitwand“ gefilmt (so hei�t �brigens auch Harathers Produktionsfirma), sodass die gro�z�gigen R�umlichkeiten gerade bei den f�r einen TV-Film ungew�hnlichen Totalen gut zur Geltung kommen. Der Regisseur platziert die Figuren dabei gern an den Bildr�ndern, was Krusensterns Au�enseiterstatus betont. F�r Thomas Heinze, vielbesch�ftigt, aber beispielsweise als Chef in der ZDF-Krimireihe „Marie Brand und …“ nur selten wirklich gefordert, ist diese Figur eine jener Rollen, auf die die meisten Schauspieler ihr Leben lang vergeblich warten. Der Abteilungsleiter, ein Perfektionist, der selbst am Kickertisch die Spieler gerade r�ckt, steht f�r Firmenkultur alter Schule, versucht um jeden Preis, die Contenance zu wahren. Krusenstern ist es gewohnt, zu planen, zu organisieren, Entscheidungen zu treffen. Mit Tatenlosigkeit kommt er nicht klar; Johns und Ellas st�ndige Aufforderungen, das Wochenende zu genie�en, machen es nicht besser. F�nfte Teilnehmerin ist die junge Mayumi (Gloria Endres de Oliveira), die Krusenstern als Assistentin zugeteilt wird, ihn aber mehrfach in die Bredouille bringt, weil sie ihm wichtige Informationen vorenth�lt.
Foto: SWR / Alexander KlugeIm Dem�tigen eine Eins: Oberzyniker John (ideal besetzt: Fabian Hinrichs) verunsichert gern den Firmendino Krusenstern und macht sich lustig �ber ihn.
Treffendes Symbol f�r die kafkaeske Situation des Managers ist der aussichtslose Kampf gegen die Auslegeware im Hotelzimmer: Eine widerspenstige Ecke des Teppichs scheint ein Eigenleben zu f�hren und w�lbt sich trotz aller Gegenma�nahmen jedes Mal wieder hoch. Seinen wachsenden Unmut l�sst Krusenstern an dem einen Kopf kleineren Sandor (Ludwig Trepte) aus, einem jungen Flegel, den er f�r den Praktikanten h�lt, weshalb er ihm erst mal Manieren beibringt. Die Ahnung, welche Funktion Sandor bei diesem merkw�rdigen Spiel in Wahrheit einnehmen k�nnte, verdoppelt nicht nur den Reiz dieser Szenen, sie vergr��ert auch die Fallh�he f�r den Abteilungsleiter. Heinzes gr��te Leistung besteht vielleicht darin, den Mann k�hl und beherrscht anzulegen und dennoch Mitgef�hl zu wecken, weil seine K�rpersprache den Zwiespalt zwischen aufrechter Haltung und gebeugter Unsicherheit verdeutlicht. Kurze R�ckblenden, die den Manager in einer Selbsthilfegruppe zeigen, sorgen schon fr�h f�r Einblicke in ein Seelenleben, das l�ngst nicht so geordnet ist, wie das selbstbewusste Auftreten vermitteln soll.
Foto: SWR / Alexander KlugeVon Ella (Nora Waldst�tten) f�hlt sich Adam Krusenstern, der Mann mit Oldschool-Firmenkultur, ganz besonders hintergangen. Daran kann auch die Sixties-Darbietung nicht viel �ndern. Danach legt der Film ein furioses psychedelisches Intermezzo ein.
Mit Fabian Hinrichs und Nora Waldst�tten hat Heinze w�rdige Mit- und Gegenspieler. Johns Rolle wird bereits im Prolog definiert: Er ist der neue Personalchef, der den Mitgliedern des Managements s�ffisant Angebote unterbreitet, die sie nicht ablehnen k�nnen. Personaltrainerin Ella gibt Krusenstern zwar zu verstehen, sie sei auf seiner Seite, aber er wird nicht schlau aus ihr; eine Rolle wie geschaffen f�r Waldst�tten, der selbst eine etwas unmotivierte Chanson-Einlage im Stil von „C’est si bon“ gelingt. Es gibt ohnehin ein paar surreale Momente, die aus dem Rahmen fallen, und nicht alle lassen sich durch den Drogenrausch erkl�ren: Ein K�hlschrank mit der Aufschrift „Nicht �ffnen“ enth�lt nur eine Violine, und als Krusenstern den Stecker seines Zimmerfernsehers zieht, der in Dauerschleife einen Corporate-Identity-Clip zeigt, l�uft der Film einfach weiter. Ob die kurzen Schwarzwei�einsch�be, in denen die F�nfergruppe in versch�rftem Spaziergangstempo durch die Gegend l�uft, �ber ihre Funktion als Kapiteltrenner hinaus einen tieferen Sinn haben, erschlie�t sich zumindest nicht auf Anhieb. Das �ndert jedoch nichts am Status dieses Films: „Die Firma dankt“ ist �hnlich wie „Zeit der Kannibalen“ eine ausgesprochen kluge Wirtschaftssatire und dar�ber hinaus eine gnadenlose Abrechnung mit dem Jugendwahn. Der Kritiker dankt. (Text-Stand: 26.1.2018)
Foto: SWR / Alexander KlugeZumindest seine Assistentin Mayumi (Gloria Endres de Oliveira) l�sst Krusenstern (Thomas Heinze) wissen, woran er bei ihr ist: einen Wein ja, Sex nein. Das w�re allerdings auch das Letzte, wonach dem um Contenance Bem�hten der Sinn steht.
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.