Corona-Ausbruch in Heim: Strafe nur wegen Impfpass-Fälschung
 
Corona-Ausbruch in Heim: Strafe nur wegen Impfpass-Fälschung
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Eine frühere Pflegeheim-Mitarbeiterin, die ihrem Arbeitgeber einen gefälschten Impfpass vorgelegt hatte, ist nicht für den Corona-Tod einer Seniorin verantwortlich. Das hat das Landgericht Hildesheim entschieden, nachdem Gutachter vorgetragen hatten, dass die Frau nicht zweifelsfrei als Auslöserin der Infektionskette in dem Heim bestimmt werden könne. Das Verfahren bezüglich der Vorwürfe der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung wurde eingestellt. Das LG verurteilte die Angeklagte aber wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 600 Euro.

Quarantäne nicht eingehalten

Strafmildernd wertete das LG Hildesheim unter anderem, dass die Angeklagte sich selbst wegen des Impfpasses bei der Polizei angezeigt hatte. Die Frau hatte Ende November 2021 drei Tage lang weiter als Alltagsbegleiterin in dem Heim gearbeitet, während ihr Sohn Corona hatte und sie unbemerkt selbst auch infiziert war. Als ungeimpfte Kontaktperson hätte sie sich nach den damaligen Regeln eigentlich in Quarantäne begeben müssen.

Drei Bewohner starben

In dem Pflegeheim hatten sich Ende 2021 insgesamt fünf Beschäftigte und elf Bewohner mit Corona infiziert. Drei 80, 85 und 93 Jahre alte Frauen starben, bei der 80-Jährigen war laut rechtsmedizinischer Untersuchung Corona die Todesursache. Bei den anderen beiden waren andere Ursachen nicht auszuschließen.

Fall sorgte bundesweit für Aufsehen

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt – auch weil bisher nach Corona-Ausbrüchen in Pflegeheimen strafrechtliche Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung zumeist eingestellt worden waren. Nach der Urteilsverkündung wirkte die 46-Jährige erleichtert. Ihr Verteidiger Velit Tümenci hatte einen Freispruch beantragt, die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von 600 Euro (60 Tagessätze) wegen Urkundenfälschung.

Angeklagte mittlerweile geimpft

Am ersten Prozesstag hatte die Angeklagte durch ihren Rechtsanwalt erklären lassen, dass sie keine Corona-Leugnerin sei und sich inzwischen habe impfen lassen. Den gefälschten Impfpass habe sie im September 2021 auf Druck ihres oft gewalttätigen Lebensgefährten ausgefüllt. Er habe auch für sich selbst und die Tochter ein falsches Impfzertifikat besorgt. Die Fälschung wurde zunächst von der Heimleitung aufgedeckt. Diese war misstrauisch geworden, weil der angeblich ebenfalls doppelt geimpfte Partner der Mitarbeiterin schwer an Covid-19 erkrankte und ins Krankenhaus kam. Er starb infolge der Infektion.

Angeklagte immer noch arbeitslos

Der Alltagsbegleiterin wurde fristlos gekündigt, nachdem sie die Täuschung zugegeben hatte. Wie ihr Verteidiger am ersten Prozesstag sagte, ist sie immer noch arbeitslos und psychisch belastet.

Zuordnung nicht eindeutig möglich

Als Gutachter sagten ein Professor für Mikrobiologie der Universität Düsseldorf und ein Laborleiter vom niedersächsischen Landesgesundheitsamt aus. Sie hatten auffällige Übereinstimmungen zwischen den PCR-Proben der verstorbenen Bewohnerinnen und des verstorbenen Lebensgefährten der Angeklagten festgestellt. Die PCR-Probe der 46-Jährigen war versehentlich im Labor vernichtet worden. Eine Infektionskette mit der Angeklagten als Auslöserin sei aber nicht eindeutig zu beweisen, hieß es. Sie hatte keinen direkten Kontakt zu den Verstorbenen.

Besucherlisten bereits vernichtet

Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob auch noch andere Besucher des Heims im fraglichen Zeitraum unbemerkt mit Corona infiziert waren. Die Besucherlisten sind laut Heimleitung aus Datenschutzgründen wie vorgeschrieben vernichtet worden.

Urteil ist rechtskräftig

Eine komplette Einstellung des Verfahrens sei nicht in Frage gekommen, sagte der Vorsitzende Richter Philipp Suden. In einem Heim lebten besonders gefährdete Menschen mit vielen Vorerkrankungen. An einem solchen Ort über die eigene Impfung zu täuschen, wirke schwerwiegender als an anderen Arbeitsstellen. Die Frau hatte nach Zeugenaussagen in dem Heim immer eine FFP2-Maske getragen, obwohl nach ihrer angeblichen Impfung auch eine medizinische Maske ausgereicht hätte. Verteidigung und Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel – damit ist das Urteil rechtskräftig.

Redaktion beck-aktuell, Christina Sticht, 15. März 2023 (dpa).