Die Elenden • Victor Hugo

Ich liebe die französischen Autoren des 19. Jahrhunderts, die so großartige Literatur hervorgebracht haben, das so spannende, packende und vielschichtige Bücher in einer solchen Dichte sonst nur schwer zu finden sind. Nach Flaubert, Zola und Dumas ist natürlich Victor Hugo recht schnell ganz weit oben auf die Wunschliste und dann auf den Stapel ungelesener Bücher gewandert. Manchmal hebe ich mir solche Bücher einige Zeit auf, weil ich genau weiß, das hier der pure Genus auf mich wartet. Bei Die Elenden habe ich hingegen nicht lang gewartet und sofort danach gegriffen.

Die Handlung hört sich erst einmal ganz interessant an, vom kurzen Klappentext ahnt man aber erst einmal nicht, was für ein Meisterwerk man hier vorfindet. Im Zentrum der Handlung steht Jean Valjean, ein ehemaliger Galeerenhäftling, der versucht seinen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden und sich verschiedenen Widrigkeiten ausgesetzt sieht. Sowohl die Gesellschaft, wie sie sich in der Zeit der Restauration darstellt und einen Gebranntmarkten nicht mehr in den eigenen Reihen aufnimmt, als auch sein eigenes Seelenleben wirft für ihn Fragen und Konflikte auf, die ganz stark an den Ursprüngen, den Grundlagen der Moral und dem Gewissen rühren. Victor Hugo schwingt hier die ganz dicke Keule und packt Themen mit einem Feingefühl, mit einem Weitblick, aber auch mit einer Direktheit an, die einem bei der Lektüre immer wieder durch Mark und Bein gehen.

Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, Offenheit, Überzeugung, Pflichtbewußtsein, all dies sind Dinge, die, wenn sie fehlgeleitet sind, sich ins Abscheuliche verkehren können und doch selbst in ihrer Abscheulichkeit noch groß bleiben; ihre Erhabenheit, die ein Ausfluß des menschlichen Gewissens ist, erhält sich bis ins Grauenhafte. Sie sind Tugenden, die mit einem Fehler behaftet sind: der Möglichkeit des Irrtums. Von der erbarmungslosen, aber aufrichtigen Freude eines Fanatikers strahlt selbst wenn er die furchtbarste Grausamkeit begeht, noch immer etwas unheimlich Bewundernswürdiges aus. (S. 352f)

Geschickt und wohlüberlegt konstruiert er Charaktere, die ein ganz starkes Extrem aufweisen und stellt dieses dann der Gesellschaft gegenüber. Vom gewissenlosen Schwerverbrecher bis hin zum barmherzigen Samariter reicht die Bandbreite und dazwischen in verschiedensten Abstufungen Charaktere aus verschiedensten Schichten. Diese Kontraste wirken wie eine grelle Dissonanz und wirken auf den Leser wie ein Hammerschlag. Dieses Buch ist ein Fenster in den tiefen und finsteren Abgrund, den alle Gesellschaften in sich tragen. Es stellt den Menschen so dar, wie er sich innerhalb eines jeden Gesellschaftssystem präsentiert: Als verfaulten, stinkende, und egozentrischen Abschaum dieser Welt. Dieser wie damaliger Tage. Aber nicht uneingeschränkt und dadurch wird er sehr glaubwürdig.

An vielen Stellen hat mich dieses Buch an Dumas und Flaubert erinnern. Dass Hugo ein Profi ist und nicht irgendjemand, der einfach mal was herunterschreibt, wird sehr schnell klar. Mit geschickten narrativen Elementen schafft er es, seine Geschichte so spannend wie Der Graf von Monte Christo auszugestalten und tatsächlich ist Jean Valjeans Abenteuer genauso mitreißend, wie das von Edmond Dantes. Bei Der Graf von Monte Christo ist der Leser in den ersten Kapiteln ganz nah am Protagonisten dran, erfährt von seinen Gedanken, seinen Gefühlen und den Kampf, den er bestreiten muss. Im weiteren Verlauf ist der Leser dann nur noch Beobachter und weiß nicht mehr, was in Edmond Dante vor sich geht. Er kennt den Protagonisten, aber nur in Fragmenten und kann seine Art zu Handeln nur erahnen, aber nie sicher wissen. Victor Hugo macht das mit Jean Valjean ähnlich. Allerdings vermengt er diese beiden Stilrichtungen. An einigen Stellen tritt er selbst als Erzähler in Erscheinung und gibt ganz den Anschein, als ob man seinen Recherchen aus dritter Hand über Jean Valjean lauscht, dann aber beschreibt er punktuell bis ins Detail die Gedanken und Gefühlswelt von Jean. Der Leser kennt die Gewissenskonflikte, die Gedanken und den Charakter des Protagonisten sehr gut. Aber dann ist er plötzlich wieder Beobachter und fragt sich, was Jean, der von Hugo ebenso überhöht wird (so wie Dumas Edmond Dantes zu einem unbesiegbaren Racheengel macht) wohl in einer Konfliktsituation machen wird.

Victor Hugo wird an einigen Stellen sehr ausführlich. Gerade am Anfang wirkt das eher störend, denn er beschreibt beispielsweise einige Details der Landschaft, aber auch Charakterzüge sehr ausschweifend und holt sehr weit aus. Was er dabei anführt liest sich aber sehr angenehm und schafft ein so umfassendes Bild, dass man so richtig in das Buch eintaucht und manchmal glaubt, einen Film anzusehen. Sein Stil zu schreiben gleicht einer Stimme, die einem bei der Lektüre im Verstand erklingt und man hat oft das Gefühl, Victor Hugo spricht ganz entspannt mit einem. Das liegt insbesondere daran, dass er manchmal auf die Metaebene wechselt und sich als Erzähler zu erkennen gibt.

Wir haben an diesem außergewöhnlichen, unbekannten und verborgenen Haus nicht vorübergehen können, ohne einzutreten und auch die Leser dahin einzuführen, die uns begleiten und die, vielleicht zum Nutzen einiger, der traurigen Geschichte Jean Valjeans zuhören. (S. 538)

Sehr spannend ist der Blick auf die einzelnen Vertreter der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Hier holt er auch wieder weit aus, aber der Leser bekommt einen recht guten Eindruck vom Denken und Schaffen der Menschen dieser Zeit. Ganz ähnlich, wie das Flaubert in Madame Bovary macht.

Es gab zahlreiche Szenen, die mich sehr gepackt haben. Natürlich wegen der oben angesprochenen Übertreibungen, die vielleicht an einigen Stellen konstruiert wirken, aber dennoch plausibel sind. Aber auch, weil es Hugo versteht Spannung zu erzeugen, die Geschichte an den entscheidenden Abschnitt voranzutreiben und sich dann auf genau die Stellen fokussiert, die für den Ausgang der Szenen ausschlaggebend sind. Hier spielt er in einer Liga mit Dumas und präsentiert hier ein richtig spannendes Abenteuer. Auch wenn er es damit gerade ab dem dritten Teil, der Mitte des Buches, etwas übertreibt. Auch hier hat er mich ganz stark an Dumas Der Graf von Monte Christo erinnert.

Um genau zu sein an drei Erzählmitteln, zu denen er hier greift, womit er die Geschichte nachhaltig in ihrer Spannung erhöht. Zum einen ist hier das Element der Verkleidung, hier in Gestalt einer fehlenden Wiedererkennung. So treffen alte Bekannte wieder aufeinander, ohne das sich hier einer der Beteiligten darüber in Klarem ist. Dies führt zu einem Wissensvorsprung für den Leser und erzeugt natürlich so etwas wie eine Vorfreude. Ein zweites Mittel ist die oben schon angesprochene Überhöhung des Protagonisten, der fast schon zum Superhelden wird. Als Leser ist fast schon klar, dass Jean mit seinem Einfallsreichtum, seiner Mischung aus krimineller Galeerenhäftling und seiner Güte den Antagonisten ordentlich was entgegenzusetzen hat. Als Drittes regiert in dem Buch der Zufall. Und das schon so extrem, dass in einer riesigen Stadt wie Paris dann doch die bekannten Kontrahenten sich immer wieder ungewollt begegnen. An einigen Stellen habe ich ihm das wie Dumas nicht mehr abgenommen. Der Spannung sind diese Zufälle natürlich sehr zuträglich, wenn auch die Glaubwürdigkeit der Geschichte darunter deutlich leidet.

Ein ganz zentrales Element ist das Denken und Handeln der Menschen. So nimmt sich Hugo viel Zeit die Gedanken zu analysieren, darzulegen und die Charaktere, allen voran Jean Valjean im Detail zu beschreiben. Mit einer so direkten Exaktheit ist mir das bisher selten begegnet und es ist faszinierend das zu lesen, nachzuvollziehen und auch anzunehmen, denn er beschreibt sie nur zu menschlich. Er schafft das mit Worten und Sätzen die einfach perfekt sind.

Was ihn hier umgab, dieser friedliche Garten, die duftenden Blumen, die fröhlich kreischenden Kinder, die ernsten und schlichten Frauen, das schweigende Kloster – all das wirkte auf ihn ein, und so nahm seine Seele allmählich ein Schweigen in sich auf, wie das des Klosters, und Duft gleich dem der Blumen, und Frieden, wie den des Gartens, und Schlichtheit, wie die der Frauen, und Fröhlichkeit, wie die der Kinder. (S. 595)

Gleichzeitig ist die Ausgestaltung der Charaktere aber auch die Schwäche des Buches, da sie immer nur eine Facette verkörpern und nur bedingt der Komplexität menschlicher Wesenszüge gerecht werden. Während verliebte Charaktere alles um sich ausblenden und sich dieser völlig verschreiben ohne nach Links und Rechts zu blicken, während nahestehende Menschen zugrunde gehen, halte ich für maßlos übertrieben. Antagonisten sind maßlos böse, immer verschlagen und auch der eigenen Familie gegenüber völlig emotionslos, die Barmherzigen sind ohne Einschränkung dermaßen selbstlos, dass sie sich selbst völlig vernachlässigen, die politisch überzeugten Republikaner werfen sich ohne Furcht und einem Hauch von Angst in den Tod und der Polizeiinspektor ist praktisch eine nach den Gesetzen programmierte Maschine. Er schafft also sehr stark Stereotypen und zusammen mit dem übertriebenen, völlig unwahrscheinlichen, aber ständig eintretenden Zufällen sind das die zwei einzigen Faktoren, die mich gestört haben. Allerdings kann ich ihm beides verzeihen, denn die Geschichte und das Handeln der Charaktere soll natürlich eine gewisse Aussage haben. Mit dem Übertreiben schreit er sie dem Leser sozusagen ins Gesicht. Und die Zufälle sind einfache Vehikel um den Leser eine fesselnde Story zu bieten. Wie das Nachwort verrät, musste er sich diese Kritik auch von einigen Zeitgenossen, beispielsweise Flaubert, gefallen lassen.

Das Nachwort konstatiert, dass Hugo hier ein Plädoyer der Güte vorlegt und das würde ich durchaus unterschreiben. Was hier deutlich wird, ist der stark religiöse Bezug. Die Gütigen werden von Gott gesegnet und die Ethik, die sich darin befindet stellt er immer in einen Bezug zu dem Göttlichen. Hier empfinde ich ihn eindeutig als antiquiert, denn aus meiner Sicht ist die Moral getrennt von Religiosität zu betrachten, wenn dies auch noch heute oft in einen Topf geworfen wird und natürlich Bezüge zwischen diesen beiden Dingen nicht von der Hand zu weisen sind.

Ich habe mir die Ausgabe vom Manesse Verlag geholt. Bisher ist mir der Verlag gar nicht besonders aufgefallen. Aber dort gibt es einige echt gute Klassiker und die Aufmachung ist sehr wertig und edel. Das kleine gebundene Buch ist ideal für die S-Bahnfahrt geeignet, sieht aber auch echt schmuck aus. Künftig habe ich vor mir den ein oder anderen Klassiker in gebundener Fassung zu besorgen, denn das macht einfach nochmal einen großen Unterschied von der Haptik und dem Lesegefühl. Überhaupt hat der Manesse Verlag noch so das ein oder andere Kleinod im Programm. Zum Teil auch schon vergriffen. Wenn mein erster Streifzug durch das Verlagsprogramm abgeschlossen ist, werde ich auf jeden Fall darüber noch einmal berichten.

Fazit: Hugo erzählt diese Geschichte mit einer Intelligenz, mit einem Weitblick und einem Einfühlungsvermögen, die ich bisher nur bei Klassikern gefunden habe. Er schafft es die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die unterschiedlichen Sichten der Bourbonen und den Bonapartisten und auch einem der Politik verwobenen Zeitgeist mit den von ihm geschilderten Charakteren zu verweben. Der Leser blickt durch die Augen eines zeitgenössischen Beobachters auf geschichtliche Entwicklungen, die zu diesen demokratischen Republiken geführt haben, in der wir leben und die momentan in Europa von allen Seiten, unter den Augen der tatenlos zusehenden, passiven und phlegmatischen Bevölkerung mit Füßen getreten wird. Liest man über diesen Kampf, so wird mir dieses wertvolle Erbe nur noch bewusster und gleichzeitig wird mir klar, dass der Europäer der Gegenwart diesem nicht im Ansatz würdig ist. Seine zwar stark überzeichneten und zum Teil stereotypen Charaktere übermitteln eine deutliche und überzeugungsstarke Botschaft. Dieses Buch hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, der dessen grässliche Seiten gnadenlos zeigt, ohne zu vergessen, dass auch darin viel Licht liegt. Voll mit Emotionen, einer packenden Geschichte und tiefen Einblicke in menschliche Abgründe, aber auch in reine Güte machen Die Elenden zu einem Meisterwerk.

Buchinformation: Die Elenden • Victor Hugo • Manesse Verlag • 1352 Seiten • ISBN 9783717580065

16 Kommentare

  1. Lieber Tobias!

    Für mich sind die Romane Victos Hugos auch immer wieder ein Genuss! Ich kann deine Begeisterung absolut nachvollziehen! 🙂
    Kennst du zufällig die Musicalverfilmung „Les Miserables“? Normalerweise stehe ich Buchverfilmungen wirklich skeptisch gegenüber, aber diese konnte mich wirklich überzeugen.

    Schönes Wochenende und liebe Grüße,
    Nana

    1. Liebe Nana,

      also Musical ist für mich gar nichts und Verfilmungen definitiv auch nicht. Liebe das Lesen einfach zu sehr, als das ich mir das Lesevergnügen durch einen Film schmälern würde 😉 Und Victor Hugo schreibt schon echt sehr gut. Das war definitiv nicht sein letztes Buch, das ich von ihm gelesen habe.

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Ich hab „Die Elenden“ von Victor Hugo hier als dreibändige Ausgabe stehen(von Volk und Welt, einem alten DDR-Verlag), weil laut Herrn Gatsby alle anderen deutschen Ausgaben gekürzt sind. Steht da bei deiner Ausgabe diesbezüglich etwas dabei?

    1. Liebe Marina,

      die Ausgabe von Manesse, die ich habe ist auch gekürzt. So fehlt beispielsweise ein Kapitel, bei dem Victor Hugo die Gangstersprache näher beleuchtet, was wohl wenig Sinn macht ins Deutsche zu überführen. Laut Nachwort soll das aber noch die Vollständiste der deutschen Ausgaben sein. Vom Lesegefühl hat aber nichts gefehlt und bei 1350 Seiten kann nicht so viel fehlen 😉

      Liebe Grüße
      Tobi

  3. Hallo Tobi,

    ich lese Hugos Meisterwerk aktuell auch, aber in kleineren Dosen, um es länger Teil meines Leserlebens sein lassen zu können. 😉

    Hugo musste einst ja so manche Kritik einstecken bzgl. seiner ausschweifenden Passagen im Buch bzw. der Exkurse zu Themen, die mit der eigentlichen Handlung wenig bis gar nichts zu tun haben. Ich muss sagen, mich stören diese bislang nicht – im Gegenteil. Ich liebe es, wie Hugo es schafft, trotz dieser für die Handlung wenig bedeutenden Aspekte Spannung zu halten und ich genieße jeden einzelnen Satz. Mir geben die ausschweifenden Passagen – wie bei Tolstoi – das Gefühl, dass ich hier nicht einfach nur eine aufs Wesentliche verdichtete Geschichte lese, sondern ich kann ganze Leben und gesellschaftliche Entwicklungen mitverfolgen. Gerade das ist es auch, was ich an den Autoren des 19. Jahrhunderts so schätze. Und ich freue mich, dass du diesen Autoren auf deinem Blog immer wieder neue Aufmerksamkeit schenkst!

    Was die Zufälle in Hugos „Die Elenden“ betrifft, insbesondere jene in Paris: Denke ich an Tolstois „Krieg und Frieden“ treffen sich dort – in diesem riesigen Land und in Metropolen wie Moskau und St. Petersburg – auch immer wieder dieselben Personen. Die Wahrscheinlichkeit in Städten wie Paris oder Moskau ständig auf dieselben Personen zu stoßen, ist wahrlich gering, aber den Lesegenuss schmälert das meines Erachtens nicht. Da habe ich schon extremere Zufälle in der Gegenwartsliteratur entdeckt, die mich weit mehr störten. 😉

    Liebe Grüße
    Kathrin

    1. Liebe Kathrin,

      Hugo ist echt noch beliebt, das hab ich schon gemerkt. Und aus meiner Sicht auch zurecht, denn er schreibt schon spannend und man fühlt sich wie im Kino. Sein ausschweifender Stil hat mich auch nicht gestört. Dadurch bekommt sein Roman Tiefe und wenn ich beispielsweise an die Beschreibung von dem Kloster denke, in dem Jean Valjean mit Cosette landet, dann ist das Portrait davon einfach faszinierend. Ein Blick in eine andere Zeit, auch wenn sich die Passage auf wenige Seiten zusammendampfen lassen würde. Eben ein Blick auf die Gesellschaft und die Kultur dieser Zeit.

      (Achtung Spoiler) Na die Zufälle waren bei Hugo schon extrem. Ich mein da geistert Jean durch die Kanalisation und wer hilft ihn da raus? Thénardier, der zufällig gerade in dem Moment von Javier gejagt wird. Also das hab ich ihm dann nicht abgenommen und so extrem ist Tolstoi in „Krieg und Frieden“ nicht im Ansatz gewesen. Aber das ist nun nichts, was mich so richtig gestört hätte, denn Hugo macht aus diesen Szenen richtig was. Das ist dann extrem spannend und an Glaubwürdigkeit fehlt es seiner Darstellung der Gesellschaft sicher nicht. Eben nur dem Verlauf der Geschichte und das als Nachteil oder störend zu empfinden wäre angesichts dem meisterhaft erzählten Gesamtwerk völlig vermessen. Aber das jemanden wie Flaubert sowas nicht gefällt ist auch nachvollziehbar und wenn man „Die Erziehung des Herzens“ von Flaubert als Vergleich nimmt, das auch die politischen Veränderungen dieser Zeit thematisiert, dann legt er natürlich ein wesentlich differenzierteres Gesellschaftsbild vor. Dafür leidet da auch die Spannung darunter.

      Aber ich liebe die Romane dieser Zeit einfach, da gehts mir wie dir. Und ich werde auch noch einige Zeit im 19. Jahrhundert verweilen, weil es da noch so Einiges zu entdecken gibt. Ich freu mich auf jeden Fall, wenn die Rezensionen auch jemand liest. Ein wenig hab ich immer das Gefühl, dass Titel aus der LongShortBuchpreisWasWeißIchWasList wesentlich gefragter wären. Aber dem guten Hugo und seinen Zeitgenossen kann ich einfach nicht widerstehen.

      Liebe Grüße
      Tobi

      1. Ich muss gestehen, von Flaubert habe ich noch nichts gelesen (noch so eine Bildungslücke, die ich irgendwann schließen muss). Nach deinem Kommentar frage ich mich gerade, ob mir Flauberts Schreibe überhaupt gefallen wird, wenn ich doch den ausschweifenden Stil von Hugo, Tolstoi, Verne etc. so liebe … Aber vielleicht weißt du ein gutes Einstiegswerk?

        Was die Buchpreislisten betrifft, geb ich dir recht. Damit ist es wie mit den aktuellen Bestsellern – man bekommt auf einfache Weise viele Klicks, weil sie gerade in aller Munde sind. Ich selbst kann damit allerdings weniger anfangen. Zum einen mache ich mir nichts aus all den Preisen (lediglich beim Man Booker Prize und Literaturnobelpreis schau ich mir die Titel und Autoren mal ein wenig näher an), zum anderen nervt es mich, wenn man auf 90 Prozent der Blogs ständig die gleichen Bücher sieht – so etwas hat bei mir zur Folge, dass ich eine Art Abneigung gegen die besprochenen Titel entwickle. Ich besuche daher mittlerweile am liebsten die Blogs, in denen Backlisttitel zu finden sind oder in denen es um Klassiker geht. Gerade im Klassikerbereich habe ich noch einiges nachzuholen und Rezensionen sorgen dann dafür, dass ich die lange herumliegenden Klassiker vom SUB befreie. Außerdem finde ich, dass sich so auch das Klassikerimage ein wenig aufpäppeln lässt – für gewöhnlich verbindet man die meisten Klassiker ja mit Schullektüre und privat greifen (gefühlt) nur leidenschaftliche Vielleser zu ihnen. Rezensionen wie deine können m.E.n. helfen, auch Wenigleser auf Klassiker neugierig zu machen, weil sie vermitteln, wie zeitlos die Geschichten sind und dass das Lesen tatsächlich auch Spaß macht.

        1. Liebe Kathrin,

          Flaubert ist super und wenn du dir überlegst ein Buch von ihm zu lesen, dann definitiv das Bekannteste: Madame Bovary. Das hat mich ziemlich von den Socken gehauen (ich hab es auch rezensiert).

          Das kenn ich, wenn man zum xten Mal auf ein Buch stößt, dann motiviert mich das auch nicht mir das auch zu holen. Die Geheimtipps sind es, die spannend sind. Ok, das sind viele der Bücher, die ich rezensiere auch nicht, weil es ja bekannte Klassiker sind, aber die liegen bei mir außerhalb des Vergleichbaren. Ich hoffe natürlich, dass ich den ein oder anderen zur Lektüre eines Klassikers motivieren kann. Denn eigentlich sind sie weder schwer noch zäh zu lesen und können es in Punkto Spannung locker mit aktuellen Büchern aufnehmen. Ich freu mich auf jeden Fall, dass ich dich als Leserin von meinem Blog gewonnen habe!

          Deinen Blog muss ich mir noch genauer anschauen. Was edle Ausgaben angeht, hast du scheinbar einen echt guten Geschmack. Schade, dass die Les Miserables Ausgabe auf deinem Blog nicht deutsch ist, die würd ich sofort bestellen. Überhaupt sollten Verlage mehr auf edle Neuauflagen setzen, dann könnten die an mir ordentlich was verdienen 😉

          Liebe Grüße
          Tobi

  4. Heute konnte ich zum ersten Mal in einer Buchhandlung die Bücher von Manesse in Augenschein nehmen. Ohne Zweifel sehr hochwertig. Was mich aber enorm gestört hat ist die Größe der Bücher: bei einem Preis von 30 Euro erwarte ich mehr als die Ausmaße eines Reclam-Büchleins dass ich schon für 2, 3 Euro bekomme. Ich finde so eine Reihe sollte etwas großformatiger erscheinen. Nichtsdestotrotz werde ich wohl um die Reihe nicht herumkommen.

    1. Preislich zögere ich bei den Manesse Büchern auch immer ein wenig. Interessant finde ich es, dass auch gebraucht die Bücher immer recht teuer sind. Hab mir erst ein vergriffenes Buch geholt und die sind echt nicht günstig, verglichen mit Klassiker in Taschenbuchform. Allerdings schauen die halt auch echt wertig aus und bevor ich mir dann ein durchgelutschtes und abgegriffenes Taschenbuch aus dem Insel Verlag hole, finde ich die Manesse Bücher echt noch sehr schmuck.

      Was die Größe angeht, bin ich hin und her gerissen. Auf der einen Seite finde ich sie echt gut kompakt und praktisch. Besonders wenn man wie ich in der S-Bahn unterwegs ist, haben die Bücher ein angenehmes Format, liegen sehr gut in der Hand und haben einfach die Wertigkeit eines gebundenen Buches. Andererseits ist die Schrift recht klein und, da gebe ich dir recht, wirkt ein größeres Format irgendwie noch ansprechender. Aber an die Manessebücher kommt man nicht herum und mit Ausnahme des Ausmaßes kann man sie nicht wirklich mit den Reclam Büchern vergleichen.

      Viele Grüße
      Tobi

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