Die bislang aufwändigste Produktion aus dem Hause Disney ist ein außergewöhnlicher Film: Anstatt Zeichentrickfiguren atemlos durch niedliche Action zu hetzen, setzt dieses Werk auf Langsamkeit, Ernst und Magie. Wenn das echte Kind Lucy seine ersten Schritte durch die winterliche Stille von Narnia geht, spürt man förmlich den jungfräulichen Zauber, den diese Umgebung ausstrahlt. Und wenn sie dann dem Faun Tumnus begegnet, der mit nacktem Oberkörper und einem roten Schal um den Hals verschmitzt lächelt, steht man mittendrin in der verlockenden, immer aber auch etwas unheimlichen Welt eines Märchens.
Der Film nimmt sich viel Zeit, die staunenden Kinder durch unberührte Landschaften zu begleiten, so dass man mit ihnen die Ahnung auskosten kann, ein paar Schritte weiter etwas wirklich Unerwartetem zu begegnen. Und das passiert auch, denn in Narnia treten sprechende Biber, Wölfe, Zentauren, Blätterwesen, riesenhafte Ungeheuer, ein böser Zwerg und zahllose andere Gestalten aus der Sagenwelt auf. Die Weiße Hexe, gespielt von Tilda Swinton, ist anfangs fast mitleiderregend in ihrer ausgezehrten Blässe mit dem verträumten Blick.
Regisseur Andrew Adamson hat von den neuesten Möglichkeiten der Computeranimation und der Special-Effects-Branche profitiert, um die fantasiereiche Buchvorlage von C.S. Lewis zu verfilmen, wie es vor wenigen Jahr noch nicht möglich gewesen wäre: zum Beispiel, den naturgetreuen Löwen Aslan sprechend und kopfschüttelnd den Kinderschauspielern zur Seite zu stellen. Manchmal wirken die Biber und auch der Löwe etwas verwischt, und doch muss man der sorgfältigen technischen Ausarbeitung Respekt zollen. Die feindlichen Wölfe beispielsweise, wenn sie zähnefletschend sprechen, wirken tadellos und schrecklich echt.
Während also die handwerkliche Umsetzung beeindruckt, macht dem Film die Buchvorlage ernsthaft zu schaffen: Im Jahr 1950 erschienen, ist Der König von Narnia als eines von sieben Werken der Chroniken von Narnia ein teilweise ziemlich angestaubtes Produkt seiner Zeit, teilweise trägt die alttestamentarische religiöse Botschaft des Autors reaktionäre Züge. Im Film wie im Buch werden die Jungen als Adamssöhne bezeichnet, die Mädchen als Evastöchter. Man muss den Filmemachern Anerkennung zollen dafür, dass sie den Weihnachtsmann wenigstens nicht wie im Buch sagen lassen: Schlachten, wo Frauen mitkämpfen, sind die hässlichsten.
Warum verneigen sich die Kinder vor dem Löwen Aslan? Im Film scheinbar ohne Grund, im Buch allerdings, weil Aslan eine Art Messias ist. Die Geschichte will es, dass Edmund aus eigennützigen Gründen die Geschwister an die Hexe auszuliefern versucht. Dass er als Verräter einem alten Gesetz zufolge vom Tod durch die Hexe bedroht wird. Aslan opfert sich für Edmund, und kehrt ins Leben zurück, denn: Ein noch älteres Gesetz will es, dass jemand, der sich unschuldig für einen Schuldigen opfert, den Bann des Todes bricht. Das ist natürlich grober Unfug, der den armen Edmund brandmarkt.
Wenn eventuelle weitere Narnia-Verfilmungen die antiquierten und manchmal unerbittlichen Ansichten des Schriftstellers besser entschärfen können, dann soll es sie gerne geben. Kinder dürften Märchen, in denen sie ernst genommen werden und Gefahren zu bestehen sind, durchaus lieben. Edmund erhält hier als Bekehrter auch noch Gelegenheit, etwas für die anderen zu tun. Es gibt eine beeindruckende Ritterschlacht auf offenem Feld, Heer gegen Heer. Die Jungen tragen Schwerter und Helme, selbst der Biber steht parat in einem Kettenhemd.
Als Kinderfilm funktioniert Narnia also gut, weil er mit opulenten Bildern zaubert, mit der mittelalterlichen Schlacht besticht. Das weitgehende Fehlen relativierender Ironie hat wohltuenden Seltenheitswert. Mehr ist aus der Geschichte allerdings nicht rauszuholen, und Eltern sollten sich auf eventuelle Nachfragen ihrer Kinder zum Thema Verrat einstellen, oder vielleicht auch, warum denn überhaupt die Kinder Narnia retten mussten.
Fazit: Schöner, bezaubernd altmodischer Märchen- und Kinderfilm auf dem neuesten Stand der Technik, aber mit reaktionärem Zeigefinger.